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Immer mehr Studenten leiden unter Burn-Out. Der Partner weiß oft nicht, wie er reagieren soll. Jede Äußerung von ihm kann eine Explosion auslösen. Hinzu kommen Schuldgefühle: Ist er Ursache für die Depression seiner Partnerin? Paartherapeut Slobodian gibt Rat.
Meine Partnerin ist Studentin aus Ägypten und lebt in Münster. Dort muss sie für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen, da Nicht-EU-Studenten keinerlei Hilfen wie BAFöG beantragen können. Für ihren Lebensunterhalt arbeitet sie neben dem Studium noch im Schichtbetrieb. Das macht sie seit Jahren, und wir kennen uns seit zirka zwei Jahren.
Seit einiger Zeit klagt meine Partnerin über Schlaflosigkeit, andauernde Müdigkeit, Rückenprobleme, Kopfschmerzen und Migräneattacken. Entscheidungsschwierigkeiten in banalen Dingen des Alltags hielt ich lange für eine süße Charaktereigenschaft von ihr. Das Studium lief in letzter Zeit auch nicht wie gewünscht. Dazu kommen dauerhafte Geldsorgen. Ich wohne im Ruhrgebiet, so dass wir oft nur per Telefon Kontakt halten und uns auch mal einige Wochen nicht sehen können.
Erst haben wir angefangen, uns immer häufiger am Telefon zu streiten, obwohl bei persönlichen Treffen alles - abgesehen von üblichen Kleinigkeiten - sehr harmonisch war. Mir kamen die Gründe eher nichtig vor, so dass ich vor etwas mehr als zwei Wochen noch von einer gemeinsamen Zukunft ausging und zu diesem Anlass schon Angebote suchte. Parallel ging es ihr in Münster sehr schlecht, sie erzählte mir von Herzrasen und einem Zustand wie bei einem Kreislaufzusammenbruch. Sie wollte jedoch nicht, dass ich zu ihr fahre. Am Wochenende arbeitete sie wieder durchgehend bis weit nach Mitternacht und bei kurzen Telefonaten an jenem Wochenende wirkte sie unterkühlt.
Bis sie am Dienstag darauf nach mehrmaligem Nachfragen zugab, nichts mehr zu fühlen, keine Gefühle mehr für mich zu haben und zusätzlich ihre komplette Umwelt, sogar Möbelstücke, zu hassen. Sie nehme alles als Stress wahr, auch mich und meine Aussagen und Wünsche am Telefon, die in der Vergangenheit immer häufiger zum Streit führten. Sie fühle sich durch alles, auch und besonders durch mich überfordert.
Als sie nach einem banalen Streit explodierte, dass ich sie wieder (ständig) kritisiert hätte, kam ich zu der Überzeugung, dass irgendetwas nicht stimmen konnte, und suchte nach Symptomen dieser Art im Internet und stolperte sehr schnell über „Burn Out“. Ich druckte einige der Texte aus und gab ihr Links darüber. In mir gegenüber „gutgelaunten“ Momenten hat sie diese Dinge gelesen und sich in diesen Beschreibungen sehr stark wiedererkannt. Selbsttests im Internet, die sie ehrlich und spontan ausfüllte, in welcher sie auch das Gefühl von Haltlosigkeit und Depression bejahte, was mich erschreckt hat, stuften sie jeweils unabhängig in die am stärksten ausgeprägten Bereiche ein.
In anderen Momenten hält sie mir dann am Telefon wiederum vor, dass ich das Einzige wäre, was sie krank machen würde. Und wenn wir uns nicht sehen, ginge es ihr erheblich besser. Folglich sei alles in Ordnung mit ihr, die einzige Belastung sei ich.
Ich bin jedoch eigentlich der Meinung, dass ich nicht der auslösende Grund sein kann, denn sonst würde sie nicht, wenn sie bei mir wäre, besonders gut schlafen können und nach einigen Stunden bei mir wieder in einem „normalen“ entspannteren Zustand sein. Trotzdem habe ich langsam auch Schuldgefühle deswegen und hinterfrage mich, ob ich einen großen Anteil daran habe, dass die Person, die ich liebe, durch mich Schaden nimmt.
Nun wird sie für zwei Wochen in die Heimat fahren. Vermutlich werden dort die Symptome nach wenigen Tagen geringer werden und wenn sie zurück kommt, wird sie erst nicht die Notwendigkeit sehen, gegen ihren Zustand etwas zu tun oder vielleicht sogar eine Bestätigung darin sehen, dass es ihr ohne mich besser geht. Für Lösungsansätze bin ich dankbar. - Christian H. (30), ledig, keine Kinder
Rudolf Slobodian
55 Jahre alt, Diplom-Sozialpädagoge, Mediator, Ausbildung in Integrativer Therapie/Psychotherapie am Fritz-Perls-Institut .
Seine Beratungsschwerpunkte im AWO-Beratungszentrum sind Umgang mit Sexualität, sexuelle Störungen, Paarberatung und –therapie.
Zu erreichen ist er unter 0201-31053 oder unter loreagneshaus@awo-niederrhein.de . Weitere Infos unter www.lore-agnes-haus.de
Die Antwort von Paartherapeut Rudolf Slobodian:
Danke für Ihr Vertrauen . Es ist gut, dass Sie sich so für Ihre Partnerin engagieren.
Natürlich ist es schwer, über Umwege genau zu diagnostizieren. Es scheint aber so, dass Sie mit Ihrer Vermutung, Ihre Partnerin sei ausgebrannt, gedanklich auf dem richtigen Weg sind. Für das Burnout-Syndrom gibt es keine einheitliche Definition, ebenso keine einheitlichen diagnostischen Kriterien. Trotzdem kann man sagen, dass ein Mensch, der mit Engagement versucht, sein Leben zu verwirklichen, d.h. für seine Sache „brennt“, im Laufe der Zeit und mit wachsenden Schwierigkeiten, die schwer oder nicht zu bewältigen sind, auf unterschiedlichen Ebenen in Gefahr gerät, „auszubrennen“.
Ihre Partnerin hatte sich mit viel Elan zu einem Studium auf einem anderen Kontinent, in einem ihr fremden Land entschlossen. Weit weg von stützenden familiären Strukturen und gewohnten Bezugspersonen gestaltet sie ihr Leben und sorgt neben dem Studium für ihren Lebensunterhalt durch eine Arbeit im Schichtdienst. Das fordert ein Höchstmaß an Disziplin, Leistungsfähigkeit und emotionalem Engagement. Wenn es dazu keinen angemessenen Ausgleich zur Erholung und Ressourcenbildung gibt, dann geht so ein Leben sowohl körperlich als auch seelisch an die Substanz. Das hat Auswirkungen auf alle Bereiche, da es irgendwann zu einer vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen kommt, die es dem Menschen kaum noch möglich macht, z.B. Schönes oder Angenehmes angemessen wahrzunehmen und entsprechend emotional darauf zu reagieren.
In der Folge spürt man auch den Stolz auf die eigene Leistung nicht mehr, das Selbstwertgefühl sinkt. Das ist besonders für Menschen, die unabhängig sein wollen oder müssen, tragisch und mit Scham behaftet. Für Sie als Partner bedeutet das, diese kritische Situation erst einmal zu verstehen. Wenn Sie versuchen, sie eigenmächtig zu „retten“, wird die Scham Ihrer Partnerin über das empfundene eigene Versagen größer. Zwangsläufig muss sie vehement dagegen halten. Als Beziehungspartner sind Sie nicht nur jemand, der stützt und fördert, Sie sind auch jemand, der zumindest emotional fordert. Auch das ist irgendwann Bestandteil der empfundenen Überlastung.
Ihre Chance besteht darin, ihr so viel wie möglich Stress zu nehmen. Sie können ihr Angebote machen, immer auf dem Hintergrund, dass Sie ihr deutlich machen, dass sie etwas Besonderes ist, sie viel geleistet hat und Sie stolz auf Ihre Partnerin sind. Das gibt Ihnen in stressfreien Situationen die Möglichkeit, ihr eine Beratung zu empfehlen. Es muss ihr überlassen bleiben, ob sie die Empfehlung annimmt oder nicht. Ob Sie dann als Unterstützung daran teilnehmen können, entscheidet Ihre Partnerin. Achten Sie bei jeder Empfehlung, bei jedem Angebot darauf, sie nicht in ihrem Selbstwert zu kränken. Fragen Sie sie, was sie braucht oder gerne hätte von Ihnen.
Burnout geht nicht von heute auf morgen weg. Es braucht geraume Zeit, sowohl mit als auch ohne professionelle Unterstützung. Wenn Ihre Partnerin sich auf Beratung oder Therapie einlassen kann, rechnen Sie nicht mit zwei oder drei Monaten, sondern eher mit einem Jahr, bis sie sich wieder davon erholt hat. Ob Sie das aushalten können oder wollen, müssen Sie entscheiden. Ich empfehle Ihnen, immer wieder darauf zu achten, dass Sie selbst sich angemessene Erholungszeiten zugestehen, sonst geht Ihre Liebe in der Stressbelastung unter.
Hilfe erhalten Sie bei der Zentralen Studienberatung in Münster. Dort wird auch die Kostenfrage geklärt, falls es zu einer Therapie außerhalb der Studienberatung kommt.
Zentrale Studienberatung: Dipl.-Psych Volker Koscielny
Schlossplatz 5
48143 Münster
0251-8322082
Email: Volker.Koscielny@uni-muenster.de
Haben Sie auch eine Frage an einen unserer Paartherapeuten? Dann schicken Sie eine Mail an partnerschaft@derwesten.de