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Zum Auftakt unserer neuen Online-Sprechstunde „Nutzer fragen - Paartherapeuten antworten“ geht es um ein ewiges Thema: Kann Treue funktionieren? Können Männer monogam leben? Im Prinzip nicht, lautet die Antwort - alles andere geht aber meistens auch nicht gut.

Ich glaube nicht, dass der Mensch dafür gemacht ist, im Leben nur einen Partner zu haben. Aber wie viele Freundinnen darf ich (46) neben meiner Ehefrau haben ohne dass man mich als unnormal abstempeln kann? Frank F. , verheiratet, keine Kinder

Die Antwort von Paartherapeut Thomas Mürmann-Golding:

In dieser Frage spiegelt sich viel von der Unsicherheit darüber wider, was richtig oder falsch, normal oder unnormal ist. Unsere globale und multinationale Gesellschaft ist so vielfältig in ihren Lebensmöglichkeiten geworden, dass es schwer ist, eine gute Orientierung zu finden.

Wie lebt „Mann“ so, dass es gut und befriedigend wird? Wie lebe ich Sexualität und Beziehung so, dass „Mann“ zufrieden ist? 50 Prozent aller Frauen und Männer betrügen laut Umfragen ihren Partner. 50 Prozent aller Ehen werden heute geschieden. Wenn normal ist, was die Meisten leben, könnte man natürlich fragen: Warum soll ich nicht in offenen Beziehungen mit mehreren Partnern leben? Und natürlich werden Menschen nicht geboren, um mit einem Partner zu leben. Wir sind mit einem starken Sexualtrieb ausgestattet, der dazu beiträgt, dass wir nicht aussterben und uns in Beziehungen führt.

Eine Liebesbeziehung wünschen sich fast alle Menschen, außer vielleicht jenen, die nicht mehr glauben wollen, dass sie gut und erfüllend werden könnte. Interessanterweise ist laut Umfragen für die meisten Menschen Treue das Wichtigste beim Partner. Und es gibt doch nichts Schöneres, als wenn in einem Liebesfilm oder in einem Roman zwei Liebende zusammenfinden und wir glauben möchten, dieses Paar lebt glücklich bis zum Lebensende. Dieser Wunsch nach andauerndem Liebesglück in einer Liebesbeziehung wirft natürlich die Frage auf. Wie kann es gut gehen?

Eine Kraft von enormer sozialer Sprengkraft

Sexualität ist eine Kraft, die enormen sozialen Sprengstoff in sich birgt. In den meisten Gesellschaftsformen werden Wege gefunden, diesen Trieb zu zügeln und zu kanalisieren. Jede Frau und jeder Mann ist ein sexuelles Wesen ohne jede Beziehung. Lust ist nicht abhängig von einer Liebesbeziehung. Bei einer Heirat versprechen sich Frau und Mann Treue und zusammen durch schlechte Zeiten gehen zu wollen. Dies macht durchaus großen Sinn, wenn eine Beziehung auf lange Dauer angelegt sein soll.

Aus meinen Erfahrungen in der Paartherapie kann ich sagen, dass sexuelle Untreue massive Wirkungen auf die Beziehung, den Partner und die eigene Einstellung zur Beziehung hat. Der Fortbestand der Beziehung wird massiv verunsichert und bewirkt eine Zurückhaltung, die dem Liebesglück schadet. Der betrogene Partner wird in seinem Selbstwertgefühl beschädigt und traut sich nicht mehr, wesentliche Bedürfnisse nach Schutz und Rücksichtnahme zu äußern.

Der Partner mit Außenbeziehungen sucht die Verwirklichung wichtiger Bedürfnisse nicht mehr in erster Linie in der Beziehung und schafft eine Beliebigkeit, die Haltlosigkeit und Orientierungslosigkeit mit sich bringt. Natürlich gibt es auch Beziehungen, die durch eine Außenbeziehung aufgeweckt werden und diese Krise als Chance nutzen, ihre Schwierigkeiten anzugehen, wobei die Verletzung und der Vertrauensverlust auch bei bestem Willen schwere Bürden sind.

Ich würde jedem Paar empfehlen, frühzeitig und gemeinsam nach persönlich gut erlebten Antworten für die Sexualität innerhalb der Beziehung zu suchen, nicht nur wegen des Risikos für die Beziehung, sondern auch, weil es eine Möglichkeit ist, Nähe und Vertrauen auf vielen menschlichen Ebenen herzustellen - und das eine Quelle großen gemeinsamen Vergnügens sein kann.