Essen.

Das Orkantief „Xynthia“ stürzt NRW ins Chaos. Die Deutsche Bahn hat ihren Verkehr in NRW komplett bis in die frühen Morgenstunden eingestellt - am Duisburger Hauptbahnhof sind Hunderte verzweifelt. In Pulheim wurde eine Joggerin von einem Baum erschlagen, in Ascheberg starb eine Autofahrerin.

Sturmtief „Xynthia“ fegt jetzt auch durch Nordrhein-Westfalen. Die Deutsche Bahn stellte den Zugverkehr vorsorglich in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen vorübergehend ein. Die Bahnhöfe in Frankfurt am Main und Stuttgart konnte nicht mehr von ICE- und InterCity-Zügen angefahren werden. In Nordrhein-Westfalen waren vor allem die Strecken zwischen Dortmund und Hamm sowie Köln und Bonn betroffen. In der Nacht werde kein Zug (weder Regional- noch Fernverkehr) in NRW mehr fahren, so ein Bahnsprecher auf DerWesten-Anfrage. Nur Züge, die bereits unterwegs sind, sollen noch ihren Zielort anfahren. In den Morgenstunden will die Deutsche Bahn die Situation neu bewerten. Aber ohne eine genaue Übersicht über die Schäden, wollte der Bahnsprecher keine Prognose abgeben, wann wieder Züge fahren.

Verzweiflung am Duisburger Hauptbahnhof

Derweil herrscht etwa am Sonntagabend am Duisburger Hauptbahnhof das Chaos. Weil kein Zug mehr rausgeht, wissen Hunderte Menschen nicht mehr weiter und fragen „Wo sollen wir hin?“ Alle haben ihr Handy am Ohr. Frauen versuchen ihre Kinder zu beruhigen, Männer telefonieren, dass sie nicht nach Hause kommen. Die Bahnhofshalle ist randvoll. Aber immer noch keine offizielle Durchsage. Ein Zeichen, dass nichts geht: Die Anzeigentafel ist leer, die Menschen stehen immer noch in Schlangen vor dem Info-Center. Dabei würde eine Auskunft reichen: nichts geht mehr. Die Stimmung ist eine Mischung aus Fatalismus und Verzweiflung.

Polizei und Feuerwehr sind gleichwohl im Dauereinsatz. Insgesamt habe es 4906 „sturmbedingte Einsätze“ gegeben, teilte die Polizei in Duisburg in einer ersten Bilanz mit. Zwei Menschen kamen zu Tode, 28 wurden leicht verletzt. Ferner gab es nach Angaben der Polizei 120 Verkehrsunfälle, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Sturm standen. In vielen Gemeinden Nordrhein-Westfalens wurden Gebäude und Fahrzeuge beschädigt. Die Polizei kämpfte mit umgestürzten Bäumen, Baustelleneinrichtungen, Verkehrszeichen und ähnlichem sowie herabfallenden Dachteilen. Eine Vielzahl von Bundesautobahnen, Bundes-, Land, Kreis- und Gemeindestraßen im gesamten Landesgebiet mussten teils langfristig gesperrt werden.

Zwei Tote durch Sturm

Das Orkantief hat nun in Nordrhein-Westfalen ein Todesopfer gefordert. Eine 40- bis 50-jährige Frau wurde am Sonntag beim Joggen in einem Wald in Pulheim (Rhein-Erft-Kreis) von einem umstürzenden Baum erschlagen, wie die Polizei mitteilte. Landesweit wurden mindestens sechs Menschen verletzt.

In Ascheberg (Westfalen) fiel ein Baum auf ein fahrendes Auto. Das Fahrzeug kam von der Fahrbahn ab und rutschte in den Graben. Die Aschebergerin wurde in ihrem Auto eingeklemmt und musste mit einer Rettungsschere befreit werden. Sie erlag noch am Unfallort ihren schweren Verletzungen.

Am Düsseldorfer Flughafen konnten bisher alle Flüge planmäßig abheben, so ein Sprecher auf DerWesten-Anfrage. Allerdings kamen 30 Flieger aus Deutschland und Nachbarländern nicht in Düsseldorf an, da sie wegen des Orkans an ihren Heimatflughäfen nicht abheben konnten.

Ziegel fliegen von den Dächern

In Essen hat die Feuerwehr gegen 18.30 Uhr bereits 200 Einsätze hinter sich. Davon ist etwa ein Drittel noch nicht erledigt, weil keine akute Gefahr bestehe, sie werden im Laufe des Abends und der Nacht abgearbeitet, versichert die Feuerwehr. „Lose Dachziegel, abgeknickte Äste, umgestürzte Bäume, mit Planen abgehängte Baugerüste, Baustellenabsperrungen und Baustellenschilder, kurz gesagt, alles, was nicht niet- und nagelfest ist, droht umzustürzen, ist bereits umgestürzt oder fliegt durch die Gegend“, heißt es in einer Pressemitteilung.

So auch an einer Kirche an der Töpferstraße. Dort haben sich in etwa 80 Meter Höhe große Kupferplatten gelöst, einige sind bereits davon gesegelt, im Moment ist unklar, wo sie gelandet sind und welche Schäden sie bei der Landung angerichtet haben. Derzeit (18.00 Uhr) sind Höhenretter der Feuerwehr vor Ort und versuchen, die übrigen Bleche zu sichern. Die Straßen im gesamten Stadtgebiet sind vorübergehend durch quer liegende Bäume gesperrt,

Zahlreiche Sperrungen

Zeitweise Sperrungen gab es am Sonntag auf der A1 in Höhe in Wuppertal, der A 540 in Jüchen, die A61 bei Bedburg und die A4 bei Aachen. Die B8 zwischen Kaiserswerth und der Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf war ebenfalls wegen umgestürzter Bäume gesperrt. In Köln hatte die Polizei bereits über 200 Einsätze. Unter anderem ist die Domplatte gesperrt.

Durch das über Deutschland hinwegziehende Sturmtief Xynthia kommt es zu zahlreichen Behinderungen im Bahnverkehr. Durch Äste in den Oberleitungen und umgefallene Bäume gebe es „zahlreiche kurzzeitige und mehrstündige Streckensperrungen“, teilte die Deutsche Bahn am Sonntag auf ihrer Internetseite mit. Dadurch seien in ganz Deutschland Verspätungen und Zugausfälle zu erwarten. In Nordrhein-Westfalen ist durch den Sturm der Fernverkehr besonders auf den Strecken zwischen Dortmund und Hamm in Westfalen sowie Köln und Bonn betroffen. Ein schwerer Oberleitungsschaden im Raum Duisburg führt am Nachmittag zu starken Beeinträchtigungen im Bahnverkehr im Ruhrgebiet.

Die Bahn informiert Reisende im Internet unter www.bahn.de/aktuell über die Störungen. Allerdings scheint der Server überlastet bzw. nur schwer erreichbar. Zudem konnten sich Zugreisende unter der kostenlosen Service-Nummer 0800-0996633 über die aktuelle Situation informieren.

Umgestürzte Bäume auf Fahrbahnen

Im gesamten Bereich Wittgenstein sind Bäume auf die Fahrbahnen gestürzt. Es besteht die Gefahr, dass Pkw-Fahrer zwischen Bäumen eingeschlossen werden bzw. dass Bäume auf Fahrzeuge stürzen. Im gesamten Kreis besteht die Gefahr, dass Dachabdeckungen von den Dächern geweht werden. Die Polizei empfiehlt dringend, unnötigen Fahrten zu vermeiden.

In Düren stürzte ein Kirchturm ein, hierbei kam es zu erheblichem Sachschaden.

Das angekündigte Sturmtief Xynthia fegt zur Zeit mit Windgeschwindigkeiten von teilweise 90 Km/h über das Ratinger Stadtgebiet hinweg. Die Feuerwehr Ratingen bearbeitet aktuell 27 Einsätze mit derzeit 20 Fahrzeugen und 125 Einsatzkräften - unter anderem wegen umher fliegender Ziegel. Ein Baum stürzte auf eine Ampelanlage.

Seit ca. 14:30 Uhr ist die Freiwillige Feuerwehr Sprockhövel im Einsatz. Sie kümmern sich um Bäume, die auf Häuser oder Oberleitungen gestürzt sind.

In Dortmund kam es zwischen 13 und 20 Uhr zu insgesamt 289 witterungsbedingten Einsätzen. Darin enthalten sind sechs Verkehrsunfälle mit Sachschäden von ca. 22.000 €. Ein eingestürzter Dachstuhlkamin in Dortmund-Mitte, Rosental 23 verursachte gegen 16:10 Uhr einen Sachschaden in Höhe von 27.500 €. Die obere Wohnung des Mehrfamilienhauses ist zur Zeit nicht mehr bewohnbar.

Im Dauereinsatz befindet sich nach eigenen Angaben die Feuerwehr in Herdecke. Die Feuerwehr Herdecke ist seit 13:43 Uhr mit 32 Kräften im Dauereinsatz. Bisher wurden fünf Einsätze abgearbeitet. Umgestürzte Bäume wurden mit Motorsägen entfernt. Zudem fielen auch schon Dachziegel auf die Straßen. In den Abendstunden wird noch mit starken Regenfällen gerechnet (15 bis 30 L pro m²). Die Orkanwarnung gilt noch laut Deutschem Wetterdienst bis 0 Uhr.

In Hattingen musste die Feuerwehr ausrücken, weil ein umgestürzter Baum auf der Fahrbahn der lag. Die Rettungskräfte zersägten die Verkehrsbehinderung mit einer Motorsäge und räumten den Baum bei Seite. Nach einer halben Stunde war der Einsatz beendet. Doch der Sturm lässt die Wehrleute nicht zur Ruhe kommen. Es gab bereits weitere Einsätze.

In Hennef fielen zwei Bäume bedingt durch Sturmböen aus einem Waldstück auf die Fahrbahn der B 8 und begruben zwei Autos unter sich. Hierdurch wurden die beiden Fahrer leicht verletzt. Ein siebenjähriges Mädchen aus dem zweiten Pkw wurde vorsoglich zur Untersuchung in ein Krankenhaus verbracht. Die beiden neuwertigen Wagen sind ein Totalschaden, so dass ein Sachschaden von insgesamt 120.000 Euro entstand. Da noch weitere Bäume drohten zu kippen, wurde die B 8 für mehrere Stunden gesperrt.

Äste und umgefallene Bäume auf Oberleitungen

Besonders betroffen ist demnach die Region um Frankfurt am Main. Gesperrt wurde auch die A 3 in Höhe des Flughafens in beide Richtungen, da dort eine größere Plakatwand auf die Fahrbahn zu stürzen drohte. Geschlossen wurden auch sämtliche Parkanlagen im Stadtgebiet. Im gesamten Stadtgebiet bestehen erhebliche Gefahren durch umherfliegende Gegenstände, umstürzende Schilder usw. Auch der Personennahverkehr ist von dem Unwetter betroffen. So musste der ICE-Bahnhof gesperrt werden, da Teile der Glaskuppel durch den Sturm erheblich beschädigt wurden. Ebenfalls geschlossen wurde vorübergehend auch der Hauptbahnhof.

Bis voraussichtlich zum frühen Abend sei der Fernbahnhof Frankfurt Flughafen gesperrt. ICE-Züge verkehren den Angaben zufolge weitgehend über den Regionalbahnhof am Flughafen oder halten gar nicht an dem Airport. Auf den Strecken zwischen Frankfurt und Gießen sowie Frankfurt und Mainz verkehrende IC- und ICE-Züge warten laut Bahn in den Bahnhöfen ab, bis eine Weiterfahrt möglich ist. Dies gelte auch für die Strecke zwischen Fulda und Hanau.

Wegen Bäumen im Gleis ist die Moselstrecke zwischen Koblenz und Trier voraussichtlich bis zum Betriebsschluss am Sonntagabend gesperrt. „Ein Schienenersatzverkehr kann auf Grund der Straßenverhältnisse nicht eingerichtet werden“, teilte die Bahn mit. „Wir empfehlen, geplante Reisen zu verschieben.“ Zudem ist nach Bahnangaben die Strecke Stuttgart-Singen zwischen Horb und Oberndorf gesperrt. Außerdem könnten zahlreiche ICE- und IC-Züge den Stuttgarter Hauptbahnhof nicht anfahren, teilte die Bahn am Nachmittag mit.

Bis zum Nachmittag wurden nach Angaben von Fraport am Frankfurter Flughafen bereits 35 Starts und Landungen annulliert. Bei den gestrichenen Flügen handele es sich zum Großteil um Flüge innerhalb Europas, sagte eine Sprecherin auf ddp-Anfrage. Viele Passagiere seien auf die Bahn umgestiegen. Die meisten Flüge hätten wegen der hohen Windgeschwindigkeiten zwischen 30 und 90 Minuten Verspätung.

Todesopfer in Baden-Württemberg

Der Sturm hat am Sonntagmittag in Baden-Württemberg ein erstes Todesopfer gefordert. Aufgrund orkanartiger Böen stürzte auf der Bundesstraße 500 in Feldberg-Bärental ein Baum auf ein Auto, wie die Polizei mitteilte. Beide Insassen wurden in dem Fahrzeug eingeklemmt. Der 74 Jahre alte Fahrer starb noch an der Unfallstelle, seine 69-jährige Ehefrau wurde schwer verletzt. Sie wurde mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus gebracht.

Ein vom Sturm gefällter Baum hat am Sonntagnachmittag einen Wanderer im hessischen Taunusstein-Neuhof erschlagen. Der 69-jährige Rentner aus der Nähe von Frankfurt war mit einer Gruppe von 20 Wanderern im Wald unterwegs, wie die Polizei in Bad Schwalbach berichtete. Die anderen blieben anscheinend unverletzt, als der Baum gegen 14.45 Uhr umfiel. Die Polizei brachte die Gruppe in Sicherheit. Im Taunus stürzten nach Polizeiangaben zahlreiche Bäume wegen des Sturms um. Warum die Wanderer dennoch unterwegs waren, ist unklar.

Darüber hinaus führte der Sturm zu ersten Schäden an Gebäuden. Die Böen hätten Ziegel von Dächern gerissen, sagte ein Polizeisprecher auf ddp-Anfrage. Auch einige umgestürzte Bäume seien gemeldet worden.Wegen starker Orkanböen wurden am Frankfurter Flughafen zahlreiche Flüge gestrichen. Bis zum Nachmittag gab es nach Angaben von Fraport 35 annullierte Starts und Landungen. Zudem gab es zahlreiche Verspätungen. Bei den gestrichenen Flügen handele es sich zum Großteil um Flüge innerhalb Europas, sagte eine Sprecherin auf ddp-Anfrage. Viele Passagiere seien auf die Bahn umgestiegen. Die meisten Flüge hätten wegen der hohen Windgeschwindigkeiten zwischen 30 und 90 Minuten Verspätung.

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Der Deutsche Wetterdienst warnte zuvor vor Böen mit Spitzengeschwindigkeiten von 110 bis 130 Stundenkilometern. Das Orkantief „Xynthia“ zieht Richtung Deutschland. Der Sturm könnte Bäume entwurzeln, zudem könnten von Häusern Dachziegel und andere Gegenstände herabstürzen, sagte ein DWD-Sprecher in Offenbach. Es müsse auch mit Behinderungen auf Straßen und Gleisen gerechnet werden.

Unwetterwarnung auch für NRW

Unwetterwarnungen wurden ausgegeben für ganz Rheinland-Pfalz und das Saarland, für große Gebiete Hessens und Nordrhein-Westfalens, sowie Teile von Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachen, außerdem noch die Harz-Höhenlagen in Sachsen-Anhalt. Auf seinem Weg nach Deutschland hat das Sturmtief Xynthia in Westeuropa mit Orkanböen und Regengüssen starke Schäden verursacht und mindestens 23 Menschen in den Tod gerissen.

Nahe der baden-württembergischen Gemeinde Feldberg wurde ein Mann am Sonntagmittag in seinem Auto durch einen umstürzenden Baum erschlagen, wie die Polizei in Freiburg mitteilte. Die Ehefrau des Opfers sei schwer verletzt geborgen und mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus gebracht worden. Xynthia hatte sich vor der Atlantik-Küste Portugals zu einem Sturmtief aufgebaut und fegte am Sonntag auch über Deutschland her.

Xynthia ist einer der schwersten Stürme seit dem Orkan „Lothar“ Weihnachten 1999. Der Orkan war damals von der Biskaya kommend über Frankreich, die Schweiz und Süddeutschland hinweggezogen und hatte einen Schaden von etwa fünf Milliarden Euro angerichtet. Rund hundert Menschen wurden europaweit durch den „Jahrhundertsturm“ getötet. (mit afp/ddp/ap)