Berlin. .
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle stößt mit seinem Vorschlag eines Begrüßungsgeldes für ausländische Facharbeiter auf breite Ablehnung. Hier gibt’s die wichtigsten Fragen und Antworten zum wachsenden Fachkräftemangel in Deutschland.
Gehen der Wirtschaft tatsächlich die Fachkräfte aus?
Fakt ist, dass zunehmend ältere Spezialisten aus dem Berufsleben ausscheiden und nicht genügend junge Hochschul- oder Fachhochschulabsolventen in das Berufsleben einsteigen. Im letzten Aufschwung 2008 waren nach Berechnungen des Branchenverbands Bitkom alleine in der Informationstechnologie 45 000 Stellen unbesetzt. Und der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) geht davon aus, dass derzeit 36 000 Ingenieure fehlen. „Der Fachkräftemangel wird sich aufgrund der demografischen Entwicklung weiter verschärfen“, warnt VDI-Direktor Willi Fuchs. Jeder fünfte Ingenieur in Deutschland ist älter als 56 Jahre. Der Verlust weiterer Experten ist also absehbar.
Kann dieses Problem bei über drei Millionen Arbeitslosen nicht ohne Zuwanderung gelöst werden?
Die Arbeitslosen können die freien Stellen aufgrund fehlender Qualifikationen zu-meist nicht besetzen. Das ist die eine Wahrheit. Die andere ist unangenehmer. Denn die Altersentwicklung ist schon lange bekannt. „Der Fachkräftemangel ist nicht vom Himmel gefallen“, kritisiert DGB-Bildungsexperte Thomas Giessler die Politik der letzten Jahrzehnte und die zu geringen Qualifizierungsanstrengungen vieler Betriebe. Nach Ansicht der Gewerkschaften kann ein massiver Ausbau der Bildungs- und Weiterbildungsangebote den Bedarf an ausländischen Experten vermindern. Giessler verweist auf 1,5 Millionen junge Leute, die nicht einmal einen Berufsabschluss haben. Die benötigten Spezialisten will der DGB aus den Reihen der Facharbeiter gewinnen, in dem ihnen der Zugang zu Hochschulen erleichtert wird. Auch der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank Jürgen Weise, will erst einmal die eigenen Kräfte mobilisieren. „Wir können nicht zulassen, dass Menschen in Arbeitslosigkeit sind, nur weil ihre Talente nicht genutzt werden“, sagt Weise. Er wirft auch den Unternehmen vor, dass sie möglichen Kandidaten zu wenig bieten, zum Beispiel an familienfreundlichen Arbeitsbedingungen. Die meisten Bildungsexperten bezweifeln jedoch, dass der Mangel ausschließlich aus eigener Kraft behoben werden kann, weil es einfach nicht genügend Hochbegabte gibt.
Wie ist der Zuzug von Spezialisten derzeit geregelt?
Die Einwanderung von begehrten Arbeitskräften wurde zwar nach und nach gelockert, wird aber immer noch streng gehandhabt. Eine Arbeitsgenehmigung erhält nur, wenn das Jahressalär für die Stelle wenigstens 66 000 Euro beträgt. Das ist viel mehr Geld, als beispielsweise viele Hochschulprofessoren verdienen. Ansonsten bekommen ausländische Experten nur einen Job, wenn die Arbeitsagentur drei Monate lang vergeblich nach einem geeigneten deutschen Bewerber Ausschau gehalten hat.
Wie erfolgreich war die Greencard?
Die Greencard wurde im August 2000 eingeführt. Sie sollte den Expertenmangel in der Computerbranche beheben. Deren Branchenverband Bitkom zieht jetzt eine positive Bilanz. „Seitdem sind 33 000 IT-Experten auf diesem Weg nach Deutschland gekommen“, berichtet Verbands-Chef August-Wilhelm Scheer. Allerdings seien die Regelungen noch immer zu restriktiv, kritisiert Scheer und fordert eine Lockerung des Zuzugs.
Welche Verbesserungsvorschläge gibt es?
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hat eine Lockprämie für besonders gesuchte Fachleute ins Spiel gebracht. Das Begrüßungsgeld soll aber allein von der Wirtschaft aufgebracht werden.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) denkt über eine Absenkung des Mindestgehalts für einen problemlosen Zuzug auf nur noch 40 000 Euro im Jahr nach. Bitkom schlägt vor, dass die Arbeitsagenturen bei Engpässen in einzelnen Berufsgruppen auf die monatelange Suche nach deutschen Kandidaten verzichten. Außerdem plädiert der Verband für die Gründung einer Kommission, die Kriterien für die erwünschte Zuwanderung ausarbeitet. Das könnten beispielsweise berufliche Fähigkeiten oder Sprachkenntnisse sein, die mit Punkten bewertet werden. Wer genügend Punkte hat, darf dann nach Deutschland kommen.