Duisburg. .
Es muss nicht immer eine Hochzeit sein: Am ersten Tag des diesjährigen Traumzeit-Festivals in Duisburg begeisterten zwei schwedische Acts die Besucher: José González und „Shout Out Louds“.
Es muss José González sein, der da etwas schüchtern die Bühne der Kraftzentrale betritt und zur Gitarre greift. Wie er aussieht wissen die wenigsten, denn seine Veröffentlichungen halten sich zurück mit der Abbildung des Künstlers. Er hat strahlende Augen, einen kurzen, aber üppigen Bart - und ist, als Sohn argentinischer Einwanderer, vom Aussehen her so unschwedisch wie sein Name. Doch als er die ersten Gitarrenakkorde anschlägt und sich die ätherische Stimmung seiner Alben in der Halle verteilt weiss man: Das hier ist José González.
Der Göteborger hat verschiedene Qualitäten: Er schreibt Songs, die komplex, aber nicht kompliziert sind und einen hohen Mitsummcharakter haben. Er hat so ziemlich alles drauf, was man als Gitarrist an Pickings und Stimmungen lernen kann, und wirkt dabei nie akademisch. Und er hat eine volle und hohe Stimme, von der man sich auch gerne Geschichten erzählen lassen würde, notfalls auch in Sprachen, die man nicht versteht.
Breit gefächerte Fangemeinde
Seine Fangemeinde ist breit gefächert: Von Indie-Kids in „Editors“-T-Shirts und Flip-Flops über langbärtige Folkfreaks bis zu unauffälligen Musikfreunden, bei denen - vermutlich - der frühe Dylan neben Billie „Prince“ einträchtig in der Plattensammlung steht, Generationen- und Genre-übergreifend.
Als nach der Ankündigung, er werde jetzt „Fold“ spielen, einer der Zuschauer einen lauten Ton der Verzückung von sich gibt, quittiert González das, unter allgemeinem Gelächter, mit „Oh, a Fan!“ Ansonsten redet er nicht viel, sitzt konzentriert auf seinem Stuhl, und die Zeiten des mächtigen Applauses nach den Stücken nutzt er, um seine Gitarre umzustimmen. Einmal, kurz vor der Zielgraden, vergreift er sich übel, kommentiert diese Kakophonie mit einem spitzbübischen „sorry“. Das Publikum applaudiert; gut zu wissen, dass ein solch perfekter Künstler auch nur ein Mensch ist.
Zwei Stunden zuvor sitzt José González unter einem Schatten spendenden Baum und nuckelt an einer Flasche Bier. Die Bemerkung, er sei wohl einer der erfolgreichsten schwedischen Musiker der letzten Jahre, beantwortet er mit einem Kopfnicken. Keine falsche Bescheidenheit: Sein Debütalbum von 2003 verkaufte bislang über 700.000 Exemplare, sein Zweitling „In Our Nature“ wurde in 30 verschiedene Länder lizensiert. Natürlich war das nicht geplant: Sein Debüt nahm der Göteburger im heimischen Wohnzimmer auf, ein schwedisches Indielabel veröffentlichte es. Wenig später war es auf Platz 2 der schwedischen Charts, „gleich hinter R.E.M“.
Ausgerechnet eine Coverversion wurde zum Überhit
Ein Stück daraus wurde in der US-Teenieserie „O.C. California“ genutzt, und der amerikanische Markt war geknackt. Dann entschied sich Sony, den Track „Heartbeats“, eine Coverversion des schwedischen Duos „The Knife“, als Werbejingle für einen ihrer neuen Fernseher weltweit einzusetzen - und González war ein „global player“. Hat sich González nicht ein bisschen geärgert, dass ausgerechnet eine Coverversion zu seinem Überhit wurde? Der Musiker schüttelt den Kopf, Gonzalez ist ein Mann, der gut teilen kann.
Finanziell unabhängig gönnt sich der 32-jährige Musiker einen Luxus: das Reisen. Er sei wahrscheinlich schon in jedem Club der USA aufgetreten, sagt er grinsend. Und fügt stolz hinzu: „Außerdem war ich auf Tour in China!“ Dubai, Beirut, González´ Tourpläne der letzten Jahre lassen kaum einen Ort aus. In Australien und Neuseeland ist er Superstar, Headliner von Festivals und ausverkauften Hallen.
Die Hits zum Schluss
Eigentlich ist das Konzert in Duisburg eine einmalige Sache, denn González ist nicht mehr solo unterwegs, sondern mit Band. Nicht mit „seiner“, sondern mit „der“. „Junip“ heisst sie, mit einem der beiden Mitmusiker spielte Gonzalez schon in einer Punkband, als beide 14 Jahre als waren.“Junip“ selbst gibt es schon, bevor González berühmt wurde. „Wir haben mal eine Single aufgenommen, dann eine EP - aber nichts richtig Ernsthaftes. Vielleicht klappt’s ja diesmal“, sagt ein Musiker, der über eine Millionen Tonträger verkauft hat und in der ganzen Welt tourt zur Zukunft seiner Band aus Kindertagen - putzig.
González hat zwei Hits, und die spielt er am Schluss: „Teardrop“ und als Zugabe „Heartbeats“, letzteres mit einer Einschränkung: „Ok, noch EINEN Song, dann gucken wir zusammen „Shout Out Louds“.
„Shout Out Louds“ spielen dankenswerter Weise draußen auf der Gasometerbühne. Sie kommen aus Stockholm. Während die Göteborger Szene eher für die Freaks zuständig ist, bedient Stockholm den Mainstream. Dabei sind „Shout Out Louds“ so international aufgestellt wie Jose Gonzalez: Erste Platten selbstveröffentlicht, Touren auch durch die kleinsten Schuppen, dann - ebenfalls - ein Track bei „O.C.California“. Die Band hat in den vergangenen Jahren alle großen Festivals bespielt. Lukrative Plattendeals in den USA, aber keine Angst vor kleinen Partnern. Das vorletzte Album erschien beim Haltern Pop-Label, das aktuelle beim Major Universal.
Die Stockholmer begeistern vor allen die Indie-Kids im Publikum. Ihr Pop ist leicht und mit 6t´s- und Surfanklängen, einer dicken Portion „The Cure“ und einer Begeisterung, zu der bis weit nach Mitternacht getanzt wurde. Zum Schluss kamen noch Duisburger Philharmoniker dazu.