Berlin. .

Christian Wulff ist neuer Bundespräsident. Im dritten Wahlgang der Bundesversammlung erhielt er die notwendigen Stimmen. Aber die schwarz-gelbe Koalition ging aus dem Abstimmungskrimi angeschlagen hervor.

Christian Wulff ist zehnter deutscher Bundespräsident. Die schwarz-gelbe Koalition setzte ihren Kandidaten für das höchste Staatsamt am Mittwoch allerdings erst im dritten Wahlgang in der Bundesversammlung durch und stürzte das Bündnis damit in eine neue Krise. Trotz satter schwarz-gelber Mehrheit und eindringlicher Appelle von Bundeskanzlerin Angela Merkel verweigerten zahlreiche Delegierte dem niedersächsischen Ministerpräsidenten zweimal die Zustimmung und votierten teilweise für den Gegenkandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck.

Wie Merkel schworen auch andere Spitzenpolitiker der Koalition vor der letzten Abstimmungsrunde die Delegierten auf die Wahl Wulffs ein. Es gehe um mehr als einen Wahlgang, zitierten Teilnehmer CSU-Chef Horst Seehofer. Merkel beschwor die Verantwortung für das Land. Auch Koalitionspolitiker räumten eine weitere Schwächung des seit Monaten zerstrittenen Regierungsbündnisses ein und sprachen von einem Denkzettel gegen die Regierung Merkel. Allerdings konnte sich auch die Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Die Linkspartei zog zwar vor dem dritten Wahlgang ihre Kandidatin Luc Jochimsen zurück, erklärte aber auch zugleich Gauck für nicht wählbar.

Bis zuletzt Stimmen aus dem Regierungslager für Gauck

Im dritten Wahlgang errreichte Wulff doch noch eine absolute Mehrheit. Nach Angaben von Bundestagspräsident Norbert Lammert erhielt er 625 Stimmen und damit zwei mehr als zur absoluten Mehrheit erforderlich, allerdings auch 19 Stimmen weniger, als Regierungslager mit 644 Delegierten stellte. „Sehr geehrter Herr Präsident, ich nehme die Wahl außerordentlich gerne und aus Überzeugung an und freue mich auf die verantwortungsvolle Aufgabe“, sagte Wulff nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. In einer kurzen Ansprache würdigte er Gauck und seinen Vorgänger Horst Köhler, der mit seinem Engagement Maßstäbe gesetzt habe.

Trotz rechnerischer Mehrheit von 21 Stimmen war Wulff zuvor zweimal gescheitert, weil ihm in beiden Durchgängen Stimmen aus dem eigenen Lager fehlten. Der Kandidat von SPD und Grünen, der frühere DDR-Bürgerrechtler Gauck, erhielt in allen Wahlgängen auch Stimmen aus anderen Parteien. Für ihn votierten zuletzt 494 Delegierte und damit 34 mehr als von Rot-Grün in der Bundesversammlung anwesend waren. 121 Delegierte, meist von der Linkspartei, enthielten sich.

Dramatische Appelle

Mit der Wahl Wulffs erst in der dritten Runde konnte die Koalition abermals nicht das Signal der Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit nach monatelangem politischen Streit senden, das sie sich von der Nominierung Wulffs erhofft hatte. Um ein Scheitern mit unabsehbaren Folgen für das Bündnis zu verhindern, warb die Koalitionsspitze in teilweise dramatischen Worten um Zustimmung für Wulff. Die gewählte Regierung habe eine Verpflichtung, in den schweren Zeit für Stabilität zu sorgen, sagte Merkel. „Wir würden mehr verlieren als nur den dritten Wahlgang“, mahnte Seehofer. Beide warnten, dass die Abweichler letztlich der Linkspartei die Möglichkeiten gäben, über den Präsident zu entscheiden. In einer mit starkem Applaus bedachten Rede wandte sich Hessens Ministerpräsident Roland Koch direkt an die Abweichler. „Aus Angst vor dem Tod Selbstmord zu begehen, ist der falsche Weg“, sagte er nach Angaben von Teilnehmern.

Einige Koalitionspolitiker kritisierten die Regierung offen. Von Geschlossenheit der Koalition oder einem Neustart könne er nichts spüren, sagte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach. „Man sollte die Lage nicht beschönigen.“ Mehrere Abgeordnete der Koalition sprachen von einer Denkzettel-Wahl nach dem monatelangen Streit im Bündnis. „Einige haben offensichtlich das Gefühl, dass etwas in der Koalition nicht stimmt“, sagte FDP-Fraktionsvize Jürgen Koppelin. „Das Management muss besser werden.“ Die FDP wies eine Mitverantwortung für das Scheitern Wulffs in zwei Wahlgängen zurück. Die Fraktion habe mit großer Geschlossenheit für ihn gestimmt, sagte Parteichef Guido Westerwelle. Allerdings hatten unter anderem auch vier FDP-Wahlleute aus Sachsen angekündigt, für Gauck stimmen zu wollen, den sie als Ex-Bürgerrechtler und wortgewaltigen Intellektuellen schätzten.

Die Opposition bleibt zerstritten

Die Opposition konnte sich bei der Präsidenten-Wahl einmal mehr nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen durchringen. Damit wurde wieder die Möglichkeit einer Mehrheit links vom liberal-konservativen Lager vergeben. SPD und Grüne umwarben die Linkspartei zunächst, ihren Kandidaten im entscheidenden Wahlgang zu unterstützen. Der Vorschlag von Linken-Chefin Gesine Lötzsch, einen neuen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen, lehnten die anderen Parteien ab. Nach dem Rückzug Jochimsens enthielten sich die meisten Links-Delegierten.

Mit 51 Jahren wird Wulff jüngstes Staatsoberhaupt in der deutschen Geschichte. Er regierte seit 2003 an der Spitze einer schwarz-gelben Koalition in Niedersachsen und war als Ministerpräsident und CDU-Vize auch ein potenzieller Rivale Merkels. Der in Osnabrück geborene Katholik Wulff ist in zweiter Ehe verheiratet. Er löst Horst Köhler ab, der vor einem Monat überraschend zurückgetreten war und dies mit Kritik an einem Interview begründete, die einen Mangel an Respekt für das Amt bezeuge. Er hatte nach einem Afghanistan-Besuch erklärt, dass die Bundeswehr auch zur Durchsetzung deutscher Handelsinteressen im Ausland eingesetzt werden könne.