Essen. .

So hört sich also Kulturhauptstadt an. Mehr als 26 000 Sänger treten beim Chorprojekt „!Sing - Day of Song“ auf. Über 600 Auftritte in 50 Städten stehen auf dem Programm. Höhepunkt ist das Großkonzert im Schalker Stadion.

Beim Chorprojekt „!Sing - Day of Song“ werden bis zum Sonntag mehr als 760 Chöre sowie 26 000 Sängerinnen und Sänger auftreten. Über 600 Auftritte in 50 Städten stehen auf dem Programm, Höhepunkt ist am Samstagabend die Veranstaltung „!Sing Europe“ im Schalker Stadion, bei der rund 65 000 Menschen zum Mitsingen eingeladen sind. Stars wie Bobby McFerrin, Operdiva Vesselina Kasarova oder die Wise Guys werden dort auftreten.

Bereits am Samstagmittag stimmte ein großer Chor in der Region ein gemeinsames Lied an. Um 12.10 Uhr stimmten zehntausende Bürger im Ruhrgebiet das Steigerlied „Glück Auf“ und die Grönemeyer-Hymne „Komm zur Ruhr“ an.

„Singen ist Ausdruck, Freiheit und Kreativität“, sagte der Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker und Künstlerische Direktor bei der Ruhr.2010, Steven Sloane. Nach dem Schachtzeichen-Projekt, das an den Bergbau in der Region erinnerte, bringe man „jetzt unsere schönsten Stimmen und Lieder zum Klingen“, erklärte Ruhr.2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt. Das Projekt sei zudem „wahrhaftig international“, da sich 31 ausländische Chöre aus 14 Ländern daran beteiligten.

+++ Tausende Sänger in Duisburg +++

Duisburg war lange Zeit Bergbau-Standort. Das merkt man den Duisburgern an, als sie pünktlich um 12.10 Uhr das Steigerlied anstimmten. Geschätzt zwischen drei- und viertausend Menschen hatten es sich auf der Treppe des City Palais und auf dem König-Heinrich-Platz gemütlich gemacht, um zwischen Matjesfest und Bauermarkt in der Innenstadt an diesem sonnigen Tag eine kleine musikalische Auszeit zu nehmen.

„Solche Veranstaltungen gibt es bei uns in Russland auch, aber mit so vielen Teilnehmern ist das schon verblüffend“, kommentiert Elena Erastova, die Leiterin der Jungen Stimmen aus Duisburgs Partnerstadt Perm, das Spektakel. Gemeinsam mit den Sängerinnen und Sängern mehrerer Duisburger Chöre gaben sie von der Freitreppe des Theaters den Ton an.

Zwar beweisen nicht alle Duisburger an diesem Mittag ihr musikalisches Talent oder summen nur leise mit, dafür singen andere voller Inbrunst mit. Alle haben sie sich aber mitreißen lassen von diesem Spektakel in der Kulturhauptstadt. Da ist auch Kornelia Kerth-Jahn, Organisatorin des Day of Song in Duisburg, vollends zufrieden. „Alles was wir uns erhofft haben, wurde erfüllt.“ Als letztes gemeinsames Stück steht in Duisburg an diesem Mittag der Kanon „Singen macht Spaß. Singen tut gut“ auf dem Programm. Recht haben sie damit, die Duisburger.

+++ Das Steigerlied auf dem Burgplatz Essen +++

Die Essener Innenstadt – eine einzige Tonleiter aus Menschen. Schon auf dem Weg zum Burgplatz – dort soll um Punkt 12.10 Uhr „Glück auf“ angestimmt werden - wissen die Ohren nicht, wo sie zuerst hinhören sollen. Vor dem Grillo-Theater beendet ein Chor gerade sein Stück, da brandet nur wenige Meter weiter vor der Lichtburg schon Applaus für die nächste musikalische Truppe auf.

Auf dem Burgplatz ziehen sich die wenigen Minuten zum großen Finale wie Stunden. Hunderte Menschen blinzeln in der Sonne gespannt auf die Bühne, wo sich der Chor TuS Helene, der Goldschmidt-Chor, der Kirchenchor Bevern und der Goldkehlen-Nachwuchs des Gymnasiums Essen Nord-Ost bereits einstimmen. Auch Ruhr.2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt hat sich zu den Gesangs-Profis auf die Bühne gesellt. Neben Scheyyt steht Oberbürgermeister Reinhard Paß. Zumindest für einen kurzen Moment scheint auch er das RWE-Drama der vergangenen Tage zu vergessen, als die ersten Akkorde des Steiger-Liedes über den Burgplatz klingen. Jeder singt mit – einige voller Inbrunst, andere etwas verstohlen in das Lied-Heftchen drein blickend. Wie gut oder schlecht man singen kann, wie laut oder leise – das ist völlig egal. Was bleibt, ist ein gutes Gefühl – und die Gewissheit, dass ein Lied mehr sagen kann, als tausend Worte.

+++ 1800 Stimmen auf dem Bochumer Rathausplatz und Singen in der Drehscheibe +++

Eigentlich hätte sie das Grußwort singen wollen, sagte OB Ottilie Scholz kurz bevor um 12.10 Uhr das große gemeinsame Singen auf dem Rathausvorplatz anheben sollte, doch eine Erkältung habe ihre Stimme beeinträchtigt. Das hinderte sie aber nicht, anschließend in den mit gut 1800 Stimmen glänzend besetzten Bochumer Großchor einzufallen. Glückauf, Glückauf. Dirigiert wurde das akustisch und musikalisch etwas schräge Gesangsereignis von Niels Nabring, der mit wehendem weißen Hemd und ausladender Gestik viel Enthusiasmus versprühte. Doch nicht die arg fehlende Feinabstimmung des gigantischen Chores war, was zählte, sondern das Gemeinschaftserlebnis. Dem konnte auch ein etwas bärbeißig formulierte Kritik an der Intonation des „Zwitscherns“ bei „Alle Vögel sind schon da“ nichts anhaben. So sind die halt die Chorleiter. Als Pausenmusik fungierten die kleinen Sänger der „Bo-Mäuse“. Diese sangeslustigen Zwerge konnten die Zuhörer schon ab der vierten Reihe nicht mehr sehen, dafür umso lauter hören. Zu einem einfachen Beat sangen sie zunächst einen eigens komponierten Song zum Day of Song, dann ihren „Smash-Hit“ zur Kulturhauptstadt, beginnend „Hey, wisst ihr watt, wisst ihr watt, wisst ihr watt, Bochum ist Kulturhauptstadt, Kulturhauptstadt, Kulturhauptstadt“. Große Stimmung.

Musikalisch anspruchsvoller ging es zuvor in der Drehscheibe zu. Dieses samstägig trubelige Einkaufszentrum hatte sich der Philharmonische Chor für ein sehr spezielles Konzert ausgesucht. Hier im Kuppelgebäude intonierte der Klangkörper unter Dirigent Harry Curtis gleich auf mehrenen Ebenen Volkslieder, Kanons und Madrigale. Während die Rolltreppen surrten, die Wochenendeinkäufer ihre Plastiktüten schleppten, Kinderwägen durch die Menge kurvten und Menschen in Handys bellten, übernahm langsam, aber sicher der Zauber der menschlichen Stimme die Macht über dieses akustisch vortreffliche Gebäude. Am Ende waren die Sänger, die verstärkt wurden durch ihren Partnerchor aus Sheffield, ganz oben unter dem transparenten Runddach angekommen, wo sie englische Madrigale aus dem 15.Jahrhundert erklingen ließen und einen Tag verzauberten. Am Abend wird dieser Chor dann den Gefangenenchor „Va Pensiero“ aus Verdis Nabucco in der vollbesetzten Schalke-Arena singen. Was für ein Tag.

Bilder aus Bochum

+++ Sonnenaufgangskonzert in Gelsenkirchen +++

„ChorWerkRuhr“ überraschte bereits am Samstagmorgen beim Sonnenaufgangskonzert des „Day of Song“ im Gelsenkirchener Nordsternpark. Der nächtliche Blick aufs Ruhrgebiet entschädigte viele für die gewollte Disharmonie. Hier geht´s zum Text.

+++ Bergmannsklänge von Dortmunds Altem Markt +++

Auch in Dortmund kamen am Samstag arglose Passanten nicht ums Singen herum - zumal der „Day of Song“ hier mit Klangvokal noch Teil eines anderen Chorfestivals ist. Ab mittags strömten rund 4000 Sänger in die Fußgängerzone, um sich auf zwölf Bühnen und Kirchen zu verteilen. Zudem waren zahlreiche „Sing-Haltestellen“ eingerichtet, an denen auch Kurzentschlossene Sänger spontan aktiv werden konnten. Kinderchöre, Chorakademie, Männergesangvereine, Schulklassen - viele der Sänger hatten zuvor um 12.10 Uhr gemeinsam das Steiger-Lied auf dem Alten Markt geschmettert - dem historischen Zentrum der Stadt. Und weil es mit der Radioübertragung des Startzeichens nicht so recht klappte, fingen die Dortmunder einfach mal als erste an. Auf der Bühne standen die Jeki-Kinder der Dortmunder Grundschulen, die am Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ teilnehmen. Die Zuschauer auf dem Markt hielten sich beim Mitsingen allerdings trotz einfrig verteilter Textzettel eher zurück. Bilder aus Dortmund.

Fotostrecke zum Day of Song mit Bildern aus verschiedenen Städten.

(we/ddp)