Essen/Duisburg. .
Bei der Loveparade in den Ruhrgebietsstädten Essen, Dortmund und Duisburg wurden falsche Teilnehmerzahlen veröffentlicht. Das geht aus einem Bericht vor, der DerWesten vorliegt. Der Veranstalter wollte damit sein Image aufpolieren.
Die veröffentlichten Zahlen der Loveparade-Teilnehmer im Ruhrgebiet wurden nach Recherchen der WAZ-Mediengruppe von Beginn an falsch angegeben. So hieß es, in Essen seien vor drei Jahren 1,2 Millionen Menschen auf dem Techno-Event gewesen. Nach Dortmund sollen vor zwei Jahren 1,6 Millionen gekommen sein, in Duisburg sprach man von 1,4 Millionen Menschen.
Keine dieser Zahlen ist korrekt, alle sind maßlos übertrieben, wie aus einem „streng vertraulichen“ Dokument des Loveparade-Veranstalters Lopavent hervorgeht. In dem 34 Seiten starken Papier, das DerWesten vorliegt, heißt es, die tatsächlichen Zahlen hätten „keinen Bezug zur offiziellen Besucherzahl für mediale Zwecke“.
„Andere Kriterien“ als die Wirklichkeit
Die „öffentliche Besucherzahl“ werde „nach anderen Kriterien“ als die Wirklichkeit ermittelt. Wie es in dem Papier weiter heißt, werde zur Ermittlung der „öffentlichen Besucherzahl“ die Zahl der tatsächlich erwarteten Besucher verdreifacht. Die tatsächliche Zahl der Loveparade-Besucher wurde damit von allen Stellen bewusst verschwiegen und die Öffentlichkeit mit falschen Zahlen versorgt.
Mit anderen Worten: Die tatsächliche Zahl der Loveparade-Besucher wird bewusst verschwiegen und stattdessen mit falschen Zahlen gearbeitet. Und die Verwaltung weiß das.
Konfrontiert mit dieser Aussage hält die Stadt Dortmund an der damals veröffentlichten Zahl von 1,6 Millionen Teilnehmern fest, wie ein Stadtsprecher sagte. Aus dem Geheimdokument der Lopavent geht allerdings hervor, dass die zur Verfügung stehenden Flächen in Dortmund noch kleiner waren als in Duisburg. Dort hatten weniger als 250 000 Menschen Platz. Folgt man der Analyse der Party-Macher, sind über den Tag verteilt höchstens 480 000 Besucher bei den Westfalenhallen erwartet worden – bei Sonnenschein. In Dortmund regnete es aber heftig.
Auch in Essen nahm man es mit der Wahrheit nicht so genau
Intern heißt es bei der Polizei, die Zahlen in Dortmund hätten auf Wunsch der Stadt höher als in Essen liegen sollen. Offiziell heißt es, man habe einen satten „Sicherheitsaufschlag“ auf die Essener Zahlen gemacht und sich deswegen auf 1,6 Millionen Besucher vorbereitet. Diese Zahl wurde später als tatsächliche Teilnehmerzahl genannt.
Auch in Essen hielt man es mit der Wahrheit nicht so genau. Offiziell ist die Rede von 1,2 Millionen Teilnehmern. Allerdings sei man sich im Klaren, dass dies falsche Zahlen sein könnten. „Wir wissen, dass auch die Berliner Zahlen nicht der Realität entsprechen konnten“, sagte eine Sprecherin der Stadt. „Es ist nicht möglich, die Zahlen korrekt zu ermitteln.“ In Duisburg beschworen die Loveparade-Macher die Verantwortlichen der Stadt, die tatsächlichen Angaben unter allen Umständen geheim zu halten: „Eine Veröffentlichung dieser Zahlen könnte dem öffentlichen Ansehen der Veranstaltung immensen Schaden zuführen, was sicher weder im Interesse des Veranstalters liegt noch im Interesse der Stadt Duisburg.“
Das Dokument wurde von der Verwaltung tatsächlich unter Verschluss genommen. In dem Papier heißt es, dass in Spitzenzeiten mit maximal 235 000 Zuschauern gerechnet wurde, die sich auf den Platz drängen würden. Über den Tag verteilt sollten höchstens 485 000 Besucher kommen. Davon sollten maximal 330 000 Menschen per Bahn anreisen, heißt es. Dies sei die maximale Kapazität des Öffentlichen Nahverkehrs, der die Veranstaltung natürlich begrenzen würde. Mit dem eigenen Auto würden höchstens 50 000 Menschen erwartet. Der Rest sollte aus Duisburg und Umgebung kommen.
Vage Angaben gemacht
Anfragen nach den Besuchern und dem Fassungsvermögen des Geländes wurden von der Duisburger Verwaltung vor dem Desaster nicht der Wahrheit gemäß beantwortet. Stattdessen wurden nur vage Angaben gemacht.
Selbst wenn in den Stadträten fälschlicherweise von über einer Million erwarteter Besucher geredet wurde, korrigierte weder in Duisburg noch in anderen Städten jemand die Aussagen. Die Behörden führten in Kenntnis der Wirklichkeit die Menschen im Interesse der Loveparade-Macher in die Irre.
Nach seriösen Schätzungen der Polizei kamen am Samstag rund 300 000 Besucher nach Duisburg. Nur für diese sei eine Versicherungsprämie gezahlt worden.