Essen. .

Die Abwrackprämie darf nicht auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden. Das hat das Landessozialgericht in Essen am Freitag entschieden. 2009 waren die Richter dort anderer Meinung. Nun wird das Bundessozialgericht das Chaos beseitigen müssen.

Vor etwa sieben Monaten ist die Abwrackprämie für alte Autos ausgelaufen, doch noch immer hält sie Gerichte und Hartz-IV-Empfänger auf Trab. Denn bis zum heutigen Tag ist nicht verbindlich und höchtstrichterlich geklärt, ob die staatliche Umweltprämie auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden darf. Schon etliche Hartz-IV-Empfänger sind vor die Sozialgerichte gezogen, nachdem ihnen die Arge mitgeteilt hatte, dass die Abwrackprämie ihr Arbeitslosengeld II drückt. Der Erfolg war unterschiedlich: Mal urteilten die Gerichte zugunsten der Hartz-IV-Empfänger, mal zugunsten der Behörde.

Dabei kann die Rechtsprechung sogar an einem einzigen Gericht uneinheitlich sein. Aktuelles Beispiel ist das Landessozialgericht in Essen: Ein Bochumer Hartz-IV-Empfänger hatte im vergangenen Jahr per Eil-Rechtsschutz, einer Besonderheit des Sozialgerichtsverfahrens, erfahren wollen, ob die Abwrackprämie auf seine Bezüge angerechnet werde, wenn er sich ein Auto kaufe. Nachdem das Sozialgericht Dortmund die Klärung einer solch abstrakten Rechtsfrage abgelehnt hatte, legte er beim Landessozialgericht in Essen Beschwerde ein. Ohne Erfolg. Die Richter argumentierten, dass die Abwrackprämie bei Arbeitslosengeld-II-Beziehern als Einkommen in mehrfacher Höhe einer monatlichen Regelleistung zu bewerten sei. Das Geld könne so für den privaten Konsum verwendet werden, wofür aber bereits die staatlichen Hartz-IV-Leistungen bestimmt seien. Dabei sei es nicht entscheidend, erklärten die Richter, ob die Abwrackprämie eine zweckbestimmte Einnahme sei - was sie im Übrigen offen ließen.

Am 30. August will das Bundessozialgericht über die umstrittene Frage entscheiden.
Am 30. August will das Bundessozialgericht über die umstrittene Frage entscheiden. © ddp

Wie die Richter den neuerlichen Beschluss begründeten

Genau vom Gegenteil sind am Landessozialgericht aber die Richter überzeugt, die am heutigen Freitag ihren Beschluss zu der gleichen Frage bekannt gegeben haben. Eine 43-jährige alleinerziehende Mutter aus Iserlohn hatte nach ihrem Autokauf von der Arge mitgeteilt bekommen, dass wegen der Abwrackprämie ihre Hartz-IV-Leistungen gekürzt werden. Das Dortmunder Sozialgericht, das sich am letztjährigen Beschluss des Essener Gerichts orientierte, gab der Behörde Recht. Doch das gilt nun nicht mehr: Der neue Senat am Landessozialgericht in Essen entschied, dass die Abwrackprämie in Höhe von 2500 Euro nicht auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden dürfe, weil sie unter „anrechnungsfreie und zweckbestimmte Einnahmen“ falle. Das Geld stehe dem Hilfeempfänger nicht nach freiem Ermessen für den privaten Konsum zur Verfügung, sondern dürfe nur zum Kauf eines neuen Autos beziehungsweise eines neuen Jahreswagens eingesetzt werden, was auch überprüft werde.

Doch wie kommen solche unterschiedlichen Beschlüsse zustande? „Wir haben in der Justiz die richterliche Unabhängigkeit, und hier am Landessozialgericht haben zwei unterschiedliche Senate über die zwei Fälle entschieden“, sagt Gerichtssprecher Dr. Matthias Röhl.

Was bedeuten nun die unterschiedlichen Entscheidungen für die zwei betroffenen Hartz-IV-Empfänger? „Den Fall aus dem letzten Jahr haben wir nicht weiter verfolgt. Ob der Mann sich nun mit Hilfe der Abwrackprämie ein Auto gekauft hat, wissen wir nicht“, sagt Röhl. „Wenn nein, ist die Sache für ihn abgeschlossen. Selbst wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung geben sollte, dass die Abwrackprämie nicht angerechnet wird, bringt es ihm nichts mehr. Denn neue Anträge auf die Prämie sind schließlich nicht möglich.“

Wie es jetzt weitergeht

Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum.
Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum.

Die Frau aus Iserlohn muss abwarten. Nach dem Bescheid der Arge, dass ihr Arbeitslosengeld II gekürzt werde, hatte sie einen Eil-Rechtsschutz beantragt. Damit verhinderte sie, dass die Arge das Geld sofort einbehielt. Hätte die Iserlohnerin nämlich sofort einen ordentlichen Prozess angestrengt, wäre ihre Hartz-IV-Leistung zunächst gekürzt worden. Erst bei einem Erfolg vor Gericht hätte sie das Geld wieder zurückbekommen.

Nach dem Beschluss der Essener Richter liegt der Kürzungsbescheid der Arge weiter auf Eis. Um ihn endgültig aufheben zu lassen, muss sich die 43-jährige Mutter nun auf den ordentlichen Klageweg begeben, der sich über drei Instanzen erstrecken kann.

Doch ihr kommt offenbar schon jemand zuvor, der den Klageweg beschritten hat und bereits beim Bundessozialgericht als dritter Instanz angelangt ist. Voraussichtlich am 30. August wird das höchste Sozialgericht verbindlich darüber entscheiden, ob die Abwrackprämie zweckgebunden ist oder zu Kürzungen bei Hartz IV führt. Diesen Termin hat sich das Erwerbslosenforum Deutschland schon dick im Kalender markiert. „Es ist zwar ein Lotteriespiel“, sagt Vorsitzender Martin Behrsing, „aber nach allem, was man so hört, glaube ich, dass das Bundessozialgericht zugunsten der Hartz-IV-Empfänger urteilt und die Abwrackprämie nicht anrechnet.“