Frankfurt/M. Die Aktienkurse sind wieder im Aufwind, der Dax nimmt Anlauf, die 5000-Punkte-Hürde zu überspringen. Unter Analysten und Strategen in den Banken gibt es indes erhebliche Zweifel, ob die konjunkturellen Aussichten schon eine solch deutliche Kurserholung tatsächlich rechtfertigen

Für die Anleger an Europas Börsen ist die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise seit 80 Jahren allem Anschein nach bereits Vergangenheit. Die Aktienkurse steigen zügig und liegen bereits deutlich über ihren Tiefs von Anfang März. So ist beispielsweise der Deutsche Aktienindex seither um fast 40 Prozent gestiegen. Mittlerweile pendelt der Dax um die 5000-Punkte-Marke. Auch der Londoner FTSE-100 („Footsie“), der Züricher SMI, der Pariser CAC 40, der Madrider Ibex 35 und der Amsterdamer AEX haben in den vergangenen zweieinhalb Monaten kräftig zugelegt – jeder Börsenplatz um 30 bis 40 Prozent. In Mailand liegt das Börsenbarometer Mibtel sogar mehr als 50 Prozent höher als noch im März.

Selbst verstärkende Effekte

Unter Analysten und Strategen in den Banken gibt es indes erhebliche Zweifel, ob die konjunkturellen Aussichten schon eine solch deutliche Kurserholung tatsächlich rechtfertigen – oder ob es sich nicht wieder einmal um einen selbst verstärkenden Effekt handelt, weil Trittbrettfahrer auf einen fahrenden Zug aufspringen. „Da ist auf jeden Fall viel Hoffnung eingepreist“, meint Dirk Gojny, Aktienexperte der HSH Nordbank. Schließlich könne niemand davon ausgehen, dass „in einem rezessiven Umfeld schon bald wieder die Unternehmensgewinne sprudeln“. Vor diesem Hintergrund seien die Aktien beim derzeitigen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13 bis 14 nicht gerade Schnäppchen.

Auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, warnt vor Euphorie. Es gebe zwar Indizien, dass „ein Ende des steilen Konjunkturabsturzes ansteht“, aber „noch keinen Grund, von einem Aufschwung zu faseln“. Statt einer schnellen Erholung – ausgedrückt in einem „V“ der Konjunkturkurve – dürfte wohl eher mit einem „U“ oder gar mit einem „W“ zu rechnen sein. Nach dem tiefen „Ab“ befinde sich die Konjunktur derzeit in einem kleinen „Auf“, werde aber durch schwachen Arbeitsmarkt und Konsum bald noch einmal nach unten gezwungen, bevor es dann später tatsächlich wieder einen Aufschwung gebe.

Auch Manfred Bucher, Aktienstratege bei der BayernLB, erkennt noch gewichtige Risiken, die einen Rückschlag auslösen könnten – insbesondere im nach wie vor fragilen Finanzsystem. Allerdings hält er die aktuellen Kurssprünge trotzdem für gerechtfertigt, da sich die realwirtschaftlichen Daten stabilisierten und das Vertrauen der Banken untereinander wieder wachse. Bis Jahresende hält er sogar weitere Kursgewinne für realistisch.