Bochum. Opel-Betriebsräte und IG Metall haben für Donnerstag in allen Werken Warnstreiks und Demonstrationen der europaweit 55.000 Mitarbeiter angekündigt. Um 14 Uhr ist eine Kundgebung auf dem Werksgelände in Bochum geplant. Die Entscheidung von GM, Opel nicht zu verkaufen, sorgt für Entsetzen.
Mit Arbeitsniederlegungen und Massenprotesten wollen die 25.000 deutschen Opel-Beschäftigten am Donnerstag gegen den US-Konzern General Motors demonstrieren. Kundgebungen sind an den Standorten Bochum, Eisenach, Kaiserslautern und Rüsselsheim geplant, wo Opel große Werke unterhält. Für den frühen Nachmittag (14 Uhr) ist eine Informationsveranstaltung geplant, auf der die Belegschaft über die aktuelle Entwicklung unterrichtet wird. Zu der Veranstaltung werden auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD), der Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, Oliver Burkhard, und SPD-Landeschefin Hannelore Kraft erwartet.
Die Belegschaft am Opel-Werk fürchtet, dass durch den Verbleib bei GM massive Einschnitte an dem Bochumer Standort drohen. IG Metall und Betriebsrat pochen darauf, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen sowie Werkschließungen in Europa gibt. Der Verwaltungsrat von GM hatte sich in seiner Sitzung am Dienstag gegen den Verkauf von Opel an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna ausgesprochen. GM will nun Opel und die britische Schwestermarke Vauxhall in Eigenregie sanieren. Der Opel-Betriebsrat lehnt unter diesen Umständen Lohnzugeständnisse ab. GM drohte daraufhin damit, Opel in die Insolvenz zu schicken.
"Mit Magna wäre Opel auf die Siegerstraße gegangen"
Nach der Entscheidung, Opel nicht zu verkaufen, hat die IG Metall den US-Konzern General Motors scharf kritisiert: «General Motors disqualifiziert sich selbst und handelt verantwortungslos», sagte der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter und Opel-Aufsichtsratsmitglied Armin Schild der in Hannover erscheinenden «Neue Presse». «Wir sind sehr enttäuscht. Es gab eine Alternative. Mit Magna wäre Opel auf die Siegerstraße gegangen. Jetzt wird es anders kommen. Opel wird substanziell und existenziell gefährdet. Das wird viele tausend Menschen den Job kosten», sagte Schild.
Opel sei für GM nur so lange gut, wie das Unternehmen Geld einbringe und nicht großartig investiert werden müsse. Dem sinkenden Marktanteil werde «hinterhergespart», solange der Markenname etwas wert sei. Schild: «Jetzt droht die Fortsetzung genau jenes Kurses, der General Motors in die Insolvenz geführt und Opel an den Rand der Insolvenz gebracht hat.»
Das ist offenbar der Stil, den man in Detroit anpackt
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) kritisierte die Vorgehensweise von General Motors bei der Absage des Opel-Verkaufs an Magna. Der Minister sagte bei der Verleihung des Goldenen Lenkrads von «Bild am Sonntag» und «Auto Bild»: «Soziale Marktwirtschaft lebt auch von Fairness und vom Umgang miteinander.» Brüderle verwies darauf, dass die Kanzlerin auf dem Rückweg aus den USA, nach einer bemerkenswerten Rede, erfahren habe, dass der von ihr befürwortete Verkauf von Opel an Magna nicht zustande kommen werde. «Stil hat man oder hat man nicht. Das ist offenbar der Stil, den man in Detroit anpackt», sagte der Minister während der Veranstaltung im Verlagshaus von Axel Springer.
Brüderle machte keinen Hehl daraus, dass er das Magna-Konzept vor seinem Amtsantritt «sehr skeptisch» beurteilt habe und es auch weiterhin kritisch sehe. Jetzt sei der weitere Fortgang völlig offen.
"Falsche Verkaufsstrategie"
Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn gibt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine Mitschuld am Scheitern des Opel-Geschäfts. «Heute bestätigt sich die falsche Verkaufsstrategie, die insbesondere Steinmeier und Merkel, aber auch Opel-Betriebsratschef Klaus Franz organisiert haben», sagte Hahn der »Frankfurter Rundschau". Hahn, der stellvertretender hessischer Ministerpräsident ist, bestritt, dass Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zu den treibenden Kräften zur Unterstützung des Opel-Verkaufs an Magna gehört habe.
Der Chef der Ford-Werke GmbH in Köln, Bernhard Mattes, warnt nach dem Scheitern des Magna-Deals vor neuen Hilfen für Opel. «Es muss sichergestellt sein, dass die Wettbewerbschancen durch die Unterstützung einzelner Unternehmen nicht eingeschränkt werden», sagte Mattes der «Rheinischen Post». Er wolle die Entscheidung von GM zwar nicht kommentieren, aber: «Der Zugang für Unternehmen zu direkter finanzieller Unterstützung muss auf nationaler Ebene für alle Hersteller gleichermaßen gegeben sein.»
Verheugen warnt vor «Bieterwettbewerb» um Opel-Standorte
Nach dem geplatzten Opel-Verkauf hat EU-Industriekommissar Günter Verheugen die Europäer zu einem gemeinsamen Vorgehen aufgerufen. «Die Entscheidung von GM für seine europäischen Standorte ist eine Chance», sagte Verheugen dem «Hamburger Abendblatt». Allerdings komme es jetzt darauf an, einen Bieterwettbewerb unter den EU-Staaten mit Opel-Standorten zu vermeiden. «Wenn jeder für sich mit Detroit verhandelt, werden sich die Amerikaner die besten Angebote aussuchen können. Ob das die wirtschaftlich tragfähigsten wären, stünde in den Sternen.»
Verheugen richtete einen eindringlichen Appell an GM: «Ich erwarte vom neuen und alten Eigentümer, dass er seiner Verantwortung in Europa gerecht wird und seiner europäischen Tochter den notwendigen finanziellen und technischen Freiraum lässt.»
Die Haltung der letzten Bundesregierung verdiene Respekt, lobte Verheugen. «Ohne die Bereitschaft der Deutschen, für GM Europa eine Übergangslösung zu finden und dafür Darlehen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zur Verf��gung zu stellen, wären die europäischen GM-Standorte allesamt im Frühjahr in Insolvenz gegangen. Was daraus entstanden wäre, weiß niemand.» Die Rückzahlung der 1,5 Milliarden sei «ohne größere Probleme möglich».
Verheugen räumte ein, dass die jetzige Situation ohne das Eingreifen der EU-Wettbewerbsbehörde nicht entstanden wäre, doch sei dieses nicht von ungefähr gekommen. «Die meisten EU-Länder mit GM-Standorten haben der deutschen Festlegung auf Magna sehr skeptisch gegenübergestanden und ökonomischen Nationalismus beklagt», sagte der EU-Kommissar.
Auto-Experte Diez begrüßt Opel-Verbleib bei GM
Der Verbleib des Autobauers Opel beim Mutterkonzern General Motors stößt bei Experten durchaus auch auf Zustimmung. «Für mich ist das eine gute Nachricht», sagte Willi Dietz, Professor am Institut für Automobilwirtschaft, der «Frankfurter Rundschau. «General Motors wird in Zukunft viel abhängiger von Opels Know-How sein und dieses mehr abrufen, weil die Zeit der Dinosaurier-Autos in den USA vorbei ist.» Opel könne so «die grüne Zelle von General Motors» werden.»
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Der Verbleib im Konzern sei sinnvoller als ein Verkauf an Magna, sagte Dietz. «Opel ist zu klein, um selbst auf dem Weltmarkt zu überleben, aber Opel kann die Perle im GM-Konzern werden.» Auch der Generalsekretär des Rats für nachhaltige Entwicklung, Günther Bachmann, sieht die Entscheidung positiv: «Die Obama-Administration hat erheblichen Druck auf GM aufgebaut, neue Modelle zu entwickeln», sagte er. «Jetzt behält GM das Rüsselsheimer Innovationszentrum - das ist ein Zeichen hin zu grüner Technik.» Um die Zukunft zu meistern, brauche der US-Konzern qualifizierte Facharbeiter und Ingenieure, die gebe es bei Opel. «GM wollte keinen High-Tech-Standort an Mitbewerber verlieren», erklärte Bachmann.
Opel-Treuhandmitglied Pfeil ist positiv gestimmt
Dirk Pfeil, Mitglied des Opel Treuhandbeirates, hat den Verbleib des Autoherstellers Opel bei der amerikanischen Muttergesellschaft General Motors (GM) begrüßt. «Mich stimmt positiv, das GM das Unternehmen weitaus besser kennt als Magna», sagte der FDP-Politiker am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. Der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna habe derzeit selbst Schwierigkeiten und verzeichne Umsatz- und Ertragsrückgänge.
Er habe schon vor Monaten gesagt, dass «Magna für mich die schlechteste Lösung ist», fügte das von den Bundesländern entsandte Beiratsmitglied hinzu. Pfeil hatte im September seine Stimme für den Verkauf von Opel an Magna verweigert und sich enthalten. Die Zukunft von Autobauers sieht er offenbar positiv: «Man muss ja feststellen, dass die Marke Opel inzwischen mit vielen marktgängigen Modellen konsequent ausgebaut wurde». Ein Unternehmen, das ein Produkt habe, das nachgefragt werde, sei rettbar. Deshalb halte er die Chancen für Opel, am Markt zu bleiben für «außerordentlich gut». (ddp/ap)