Dortmund. Auf der Rangliste tabuisierter Themen rangiert Selbsttötung weit oben. Über erste Anzeichen und Handlungsmöglichkeiten sprachen Johannes Ketteler und Stephan Siebert vom Dortmunder Krisenzentrum mit DerWesten-Redakteurin Corinna Weiß.

Woran erkennt der Betroffene, dass er in einer Krise steckt?

Johannes Ketteler, Leiter des Krisenzentrums. Foto: Helmuth Vossgraff, WAZ
Johannes Ketteler, Leiter des Krisenzentrums. Foto: Helmuth Vossgraff, WAZ © WAZ

Ketteler: Wenn man immer wieder mit den gleichen Instrumenten versucht, ein Problem zu lösen. Dann aber auch feststellen muss, dass diese Instrumente nicht helfen, und man dadurch immer hoffnungs- und antriebsloser wird.

Wie ernst sollte man seine eigenen Gedanken an Selbsttötung nehmen?

Ketteler: Wenn ich das Gefühl habe, ich denke immer wieder nur mal so darüber nach und kann die Gedanken auch wieder zur Seite stellen, dann ist die Gefährdung nicht so groß. Wenn sich die Selbsttötungs-Gedanken aber mehr und mehr passiv aufdrängen, dann ist das eher eine gefährliche Situation.

Wann muss gehandelt werden?

Ketteler: Wenn diese Gedanken immer attraktiver werden und ich schon darüber nachdenke, wie ich es machen könnte. Dann ist es besser, sich zu äußern und mit Freunden oder Angehörigen zu sprechen. Oder auch mit professionellen Beratern.

Die Hemmschwelle ist häufig hoch. Wie erkennen Angehörige, dass jemand über Suizid nachdenkt?

Stephan Siebert, Psychologe am Krisenzentrum Dortmund. Foto: Helmuth Vossgraff, WAZ
Stephan Siebert, Psychologe am Krisenzentrum Dortmund. Foto: Helmuth Vossgraff, WAZ © WAZ

Siebert: Ein erster Hinweis ist, wenn es jemandem über einen längeren Zeitraum nicht gut geht. Manchmal sagen Betroffene es aber auch direkt: Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr. Ansonsten sollten Angehörige sich nicht scheuen nachzufragen, zum Beispiel, wenn jemand philosophisch über den Tod zu sprechen beginnt oder plötzlich freigiebig alle seine Sachen verschenkt.

Was kann das Umfeld unternehmen?

Siebert: Ganz wichtig ist, dass Angehörige sich Hilfe suchen, wenn ihnen jemand - auch unter dem Siegel der Vertraulichkeit - von Selbsttötungs-Gedanken erzählt. Niemand muss da allein Verantwortung übernehmen. Bei akuter Gefahr sollten Angehörige aber auch zu Zwangseinweisungen bereit sein.

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