Essen. Pünktlich zum Bildungsgipfel von Bund und Ländern am Mittwoch erscheinen zwei Untersuchungen, die den Streit um die Studienfinanzierung anheizen dürften. Demnach verzichtet ein Drittel der Studienberechtigten auf die Hochschule, weil Geldsorgen und die Angst vor Studiengebühren zu groß sind.
Bundespräsident Horst Köhler hat den verantwortlichen Politikern eine Mängelliste präsentiert und sie aufgefordert, für Abhilfe zu sorgen. Das mag gefruchtet haben, werden die Minister der Länder und die Bundesregierung bei ihrem Treffen am Mittwoch doch überlegen, wie der Bund den Ländern helfen darf, die Ausgaben auf sieben Prozent des Bruttoinlandproduktes im Jahre 2015 zu erhöhen – trotz der inzwischen allseits als hinderlich erkannten Bildungshoheit der Länder („Kooperationsverbot”).
300 Euro für Begabte
So will Berlin einen Beitrag dazu leisten, die Schieflage bei vielen Bachelor-Studiengängen zu beenden. Überdies schlägt die Bundesregierung den Ländern eine Erhöhung der Bafög-Fördersätze um zwei Prozent vor, zudem soll es Verbesserungen für Studenten mit Kindern geben. Auch ein nationales Stipendiensystem nach NRW-Vorbild, das Begabte mit 300 Euro pro Monat unterstützt, soll kommen.
Nur zwei Tage nach dem Bildungsgipfel wird im Bundesrat über das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz” abgestimmt, das die Länder knapp vier Milliarden Euro kosten kann. Zwar dürfe es keinen „Kuhhandel” geben, heißt es, doch sei eine stärkere Beteiligung der Länder an der Mehrwertsteuer des Bundes denkbar, schlägt die FDP vor. Dieses Geld sollte in die Bildung fließen – was, im Falle einer Zustimmung der Länder zur Steuerreform, immerhin eine schöne Kompensation wäre.
Angst vor Schulden
Mitten in die auch durch die Uni-Proteste aufgeheizte Debatte fallen die Studien hochschulpolitischer Denkfabriken, die eher unverdächtig sind, sich mit Hörsalbesetzern gemein zu machen. Eine Befragung von über 6000 Schulabgängern durch das Hochschulinformations-System (HIS) ergab, dass etwa ein Drittel der Studienberechtigten auf ein Studium verzichtet, als Hauptgründe wurden Geldsorgen und Angst vor Studiengebühren und Darlehensschulden genannt. Damit korrespondiert eine Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, die einen Zusammenhang zwischen den Studiengebühren und dem Wanderungsverhalten von Studierenden im Wintersemester 2007/08 erkannt haben will. Zwar könnten sich die Länder mit Gebühren immer noch über zusätzliche Erstsemester aus anderen Bundesländern freuen, doch würden die Länder ohne Gebühren sichtbar aufholen. Der Abstand habe sich fast geschlossen, so die Wissenschaftler. Die gebührenfreien ostdeutschen Flächenländer hätten ihre „Wanderungsbilanz” erheblich verbessert. Eine Ausnahme ist Bayern, das 30 Prozent mehr Erstsemester gewinnt als verliert, obwohl es Gebühren verlangt. Die Forscher vermuten, dass Bayern vom Nachbarn Baden-Württemberg profitiert, das auch Gebühren kassiert, aber bei der Reputation der Hochschulen nicht mithalten könne.
Die zweite Studie fordert vor dem Bildungsgipfel eine radikale Bafög-Reform. Die Förderung habe mit dem Umbau des Hochschulsystems nicht Schritt gehalten, sagt Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Er empfiehlt einen „Basissatz” für jeden Studierenden von 200 Euro, plus individuelle Zuschüsse. Unter dem Dach des „neuen Bafög” sollten alle bislang getrennten Finanzinstrumente – Studienkredite, Darlehen und Stipendien – zusammengefasst werden. Die starre Altersgrenze von derzeit 30 Jahren sowie die zeitliche Befristung der Förderung müsse fallen. Überdies sollte das Bafög gezielt eingesetzt werden können, etwa um die Wahl bestimmter Fächer zu fördern oder Kinder mit Migrationshintergrund stärker zu unterstützen.