Essen/Duisburg. Seit Dienstag halten Studierende die zentralen Hörsäle der Universität in Duisburg und Essen besetzt. Damit sind sie nicht allein. In Österreich begannen die Aktionen und schwappten nun über die Grenze. Der Rektor der Uni Duisburg-Essen stellte den Studenten jetzt ein Ultimatum.
Die erste Nacht haben sie hinter sich. Schlafsäcke liegen noch auf dem Podium des Audimax der Universität Essen, ein kleines Zelt steht da. 30 bis 40 Leute haben die Nacht hier verbracht. An der Tür klebt ein handgemaltes Schild: „Audimax besetzt. Alle Vorlesungen fallen aus.” Einige hundert Studenten sind im Saal und verfolgen, was wechselnde Sprecher vorne ins Mikrofon rufen: „Wir haben ein Problem damit, Bildung als Ware zu betrachten und dafür zu bezahlen”, ruft jemand ins Mikrofon und erntet dafür kräftigen Applaus.
Seit Dienstag halten Studierende die zentralen Hörsäle der Universität in Duisburg und Essen besetzt. Damit sind sie nicht allein. An Universitäten in Österreich begannen die Aktionen und schwappten nun über die Grenze. An der Uni Wien halten Studierende seit dem 22. Oktober einen Hörsaal besetzt, Tausende gingen auf die Straße.
Protestwelle quer durch die Republik
Auch in der Schweiz, an der Uni Basel, begannen Proteste. Nach Angaben der Aktivisten gibt es zurzeit Aktionen und Besetzungen an insgesamt 20 Hochschulen. Die Protestwelle läuft quer durch die Republik: Greifswald, Dresden, Potsdam, Heidelberg, Marburg, Mainz, München, Münster und andere sind betroffen.
Bereits im Juni gingen Studenten und Schüler im „Bildungsstreik” auf die Straße. Ihre Forderungen sind dieselben geblieben: Freier Zugang zur Bildung, Abschaffung der Studiengebühren und der Bologna-Reform, weg mit dem „Turbo-Abi” (G8) und den Kopfnoten, kleinere Klassen und mehr Lehrkräfte.
Nach Angaben der Studenten sind die Aktionen nicht zentral organisiert, „jede Uni agiert autonom”, sagt der Essener Student Daniel Lucas. Doch sind die Studierenden über das Internet (www.unsereunis.de) gut vernetzt. Von den Ereignissen an den Universitäten überrollt wurden die Planungen verschiedener Schüler- und Studentengruppen zu einem bundesweiten Streiktag am 17. November. Dieser Tag sollte eigentlich der Startschuss sein für eine Neuauflage des Bildungsstreiks an mehr als 100 Hochschulorten.
Die Universität Duisburg-Essen wird die Besetzung ihrer Hörsäle nicht mehr lange hinnehmen. Früher oder später werde es auf eine Räumung hinauslaufen, heißt es. Prof. Ulrich Radtke, Rektor der Uni, kündigte schließlich am Mittwochnachmittag an, dass protestierende Studenten die besetzten Hörsäle an beiden Standorten bis Freitagabend zu räumen hätten.
Die Forderungen der Studierenden seien nicht zu erfüllen. Ganz unberechtigt sei der Unmut indes nicht. „Die Seminare sind zu groß, Studiengänge mit Stoff überfrachtet”, räumt Uni-Sprecherin Beate Kostka ein. Wegen übervoller Hörsäle seien bereits Räume in einem Bürokomplex angemietet worden. Die Uni spielt den Ball nach Düsseldorf: „Wir brauchen vom Land mehr Mittel für vernünftige Studienbedingungen.”
Unterstützung von Gewerkschaften
Unterstützung erhalten die Schüler und Studenten von den Gewerkschaften Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verdi. „Wir brauche eine Kehrtwende in der Bildungspolitik”, forderte der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne. Es fehlten im Bildungsbereich 40 Milliarden Euro pro Jahr.
Das Geld müsse vor allem in den Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen sowie in die Förderung von Kindern aus sozial schwächeren Familien investiert werden. Im Bologna-Prozess fordert er einen „radikalen Kurswechsel”. Klaus Böhme von Verdi sagte: „Das Bildungssystem ist in seiner Gesamtheit desolat geblieben.”