München. Der Anschlag auf den Passauer Polizeichef Mannichl zeigte erneut: Bayern ist für die rechtsextreme Szene verlockend. Hier leben und arbeiten führende Neonazis. Eine Umfrage ergab kürzlich: Rechte Parolen finden hier mehr Anhänger als in ostdeutschen Ländern.

Rechts von der CSU dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben, lautet ein häufiges Zitat von Franz Josef Strauß. Seine Nachfolger holten das Motto immer wieder als Rechtfertigung aus der Schublade, wenn sie der rechten Klientel mit ausländerfeindlichen Parolen deftiges Futter geben wollten.

20 Jahre nach Straußens Tod sind die rechtsradikalen „Republikaner”, viele Jahre eine reale Bedrohung für die CSU, zur Splittergruppe geschrumpft. Ein Teil der Partei, gegründet vom ehemaligen BR-Journalisten Franz Schönhuber, wanderte zur NPD, deren konstante Mitgliederzahl in Bayern bei 1000 liegt. Das entspricht einem stolzen Siebtel der bundesweit registrierten Zahl.

Das Internet ist eine beliebte Plattform für Neonazi-Gruppen

Weitgehend unbemerkt entstanden in den letzten Jahren aber neue Gruppen, Kameradschaft Süd oder Nationaler Widerstand nennen sie sich. Rechtsextreme Zirkel, über deren Gesinnung meist schon der Name Aufschluss gibt. Manche kommen auch getarnt daher, wie die Burschenschaft Danubia, die Gesellschaft für Freie Publizistik oder der Freundeskreis Demokratie direkt in München. Das Internet ist zur hoch willkommenen Plattform geworden und Bayern zum beliebten Standort.

Hier wohnt der Neonazi-Vordenker Horst Mahler, der den Holocaust leugnet, der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, der Chef der Deutschen Volksunion DVU Gerhard Frey und eine ganze Reihe von Personen, für die Neonazi-Szene agieren, nicht nur in Bayern. Zur Ausbildung des Nachwuchses wechselte Norman Bordin von NRW nach Bayern seinen Wohnsitz, ein Import aus Mecklenburg-Vorpommern heißt Martin Wiese, der mit seiner Kameradschaft Süd das Sprengstoffattentat auf die Synagoge Münchens plante.

Mitgefühl ist nicht angesagt

Dass ausgerechnet Bayern, in den 20er Jahren mit München als Hauptstadt der Bewegung und später mit Nürnberg als Stadt der Reichsparteitage für Neonazis attraktiv sei, stellen die Innenbehörden in Abrede und verweisen auf den Osten. Antidemokratisches Gedankengut jenseits von rechtsextremem Bekennertum ist nicht ihr Gebiet. Sprüche wie „härter hinlangen ist bayerische Art”, wie der frühere CSU-Regierungschef Max Streibl Anfang der 90er Jahre fand, finden in Bayern hingegen Applaus. Mitgefühl für Ausländer ist nicht angesagt. Ein zähes Ringen ging der verspäteten Einrichtung einer Härtefallkommission voraus, die über Einzelschicksale von Ausländern entscheidet.

Dass die Sehschärfe auf dem rechten Auge noch nie sehr ausgeprägt war, zeigen Details um das Attentat gegen den Passauer Polizeichef Alois Mannichl. Trotz der Schmähungen auf Internetseiten gegen Mannichl schritt das Innenministerium nicht ein und ergriff für seinen Polizeichef nicht Partei. Nein, Mannichl musste sich privat einen Anwalt nehmen.

In Bayern mehr Sympathisanten als im Osten

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriele Fograscher meint: „Die CSU unternimmt viel zu wenig gegen Rechts.” Es gebe in Bayern weder einen Lehrstuhl zur Erforschung des Rechtsextremismus, noch Schulungen für Polizei- und Justizbeamte. Die Abgeordnete monierte, dass für Aussteigerprogramme kaum Geld da sei und Opfer von rechter Gewalt keine Unterstützung erhielten.

Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung fand in einer Repräsentativumfrage heraus, dass rechtsextremes Denken in Bayern mehr Sympathieträger hat als in ostdeutschen Ländern. Zustimmung für ausländerfeindliche Tendenzen gebe es in Bayern zu 39,1 Prozent, damit liegt der Freistaat knapp hinter Sachsen-Anhalt. Auch Antisemitismus wurde demnach zu 16,6 Prozent befürwortet. Der Reflex der CSU war, die Studie sei nicht seriös, Bayern werde schlecht geredet.

"Die Szene verschwimmt"

Zwar sitzen im bayerischen Parlament keine Neonazis, wohl aber in den Kommunalparlamenten von München und Nürnberg über Listen, die „Ausländerstopp” im Namen tragen. Aufmärsche martialischer Jungspunde gibt es in Bayern mindestens ein Mal im Monat. Etliche Kommunen wehren sich mit Bürgerinitiativen gegen das braune Aufgebot. Im unterfränkischen Miltenberg läutete ein Pfarrer so lange die Kirchenglocken, bis die NPD-Jugend abzog. Dem Pfarrer brachte die Aktion erst einmal viel Ärger ein, jetzt ist er Weihbischof.

Auch wenn Bayern mit 1400 gewaltbereiten Neonazis und 3400 registrierten Rechtsextremisten bundesweit nicht vorn liegt, wie die Polizei beteuert, so ist die Lage doch ziemlich unübersichtlich. „Die Szene verschwimmt”, sagte ein Sprecher des Verfassungsschutzes der WAZ. Es gebe junge Burschen, die Schülern ihre Hilfe anböten, Müll wegräumten und sich als nette Kerle tarnten. Und dann sind da jene Schlägertypen, die aggressiv aufträten. Auffallend sei eine erhebliche Verjüngung und eine zunehmende Gewaltbereitschaft, so der Verfassungsschutzbeamte: „Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen den Homepages und dem, was die wirklich machen.” Im bayerischen Verfassungsschutzbericht sind sie aufgelistet als Kameradschaften und Funktionärsgruppen, als Verlage, Freundeskreise, Bündnisse. 32 sind es insgesamt, Tendenz steigend.

"Immer dreister und selbstbewusster"

Dass Bayern für die rechtsextreme Szene eine große Faszination hat, ist schwer zu widerlegen. Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, beobachtete, dass die Neonazis immer dreister und selbstbewusster aufträten. Franken gilt als brauner Hort, Passau bekam schon vor fast 20 Jahren seinen Ruf weg, als die Abiturientin Anna Rosmus für eine Schularbeit recherchierte und herausfand, dass viele „ehrenwerte” Bürger aktive Nationalsozialisten waren. Der Regisseur Michael Verhoeven verfilmte die Geschichte unter dem Titel „Das schreckliche Mädchen”.

Das fehlgeschlagene Messerattentat ist der vorläufige Höhepunkt blutigen Treibens der Neonazi-Szene. Seitdem überschlägt sich die bayerische Staatsregierung in Warnungen und Vorschlägen. 29 Fälle von Körperverletzungen mit rechtsextremem Hintergrund seien dieses Jahr zu verzeichnen, eine Steigerung von 140 Prozent, hieß es plötzlich. Ermittlungen bei Straftaten gegen Ausländer seien um 30 Prozent gestiegen. Regierungschef Horst Seehofer ging in die Offensive. Er wolle genau wissen, wie das im Fall Mannichl gelaufen sei.

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