Essen. In Israel ermordet die Hamas Kinder – und in Duisburg verteidigen Pro-Palästina-Aktivisten die Terroristen. Das muss und das wird enden.

Es ist wieder eine Zeit, in der man es vermeiden sollte, dass Kinder zusehen, wenn die „Tagesschau“ läuft. Viele Bilder sind so verstörend, dass schon wir Erwachsenen damit kaum zurechtkommen. Trotzdem hat mein Zehnjähriger jetzt wieder etwas aufgeschnappt. „Führen die in Israel Krieg?“, fragte er mich unvermittelt. „Ja, das ist leider so“, antwortete ich. „Wer sind denn die Guten und wer die Bösen?“, setzte er nach. Ich stockte kurz und gab dann eine typische Erwachsenenantwort: „Es ist kompliziert.“ Ich sah meinem Sohn sofort an, dass er sich damit nicht zufrieden geben wollte, und schob hinterher: „Der Konflikt im Nahen Osten ist jahrzehntealt und flammt immer wieder auf.“

Doch dann, als der Kleine sich anderen Dingen zuwandte, kam ich ins Grübeln. Hatte ich ihm eine korrekte Antwort gegeben? Ist es jetzt, gerade jetzt, wirklich so kompliziert, Gut und Böse auseinanderzuhalten?

Die Hamas hat ihren Terror gefilmt

Da gibt es eine Terrororganisation, die auf bestialische Weise Zivilisten überfällt und tötet. Frauen werden erst vergewaltigt und dann regelrecht abgeschlachtet; Kindern wird der Kopf abgeschlagen; Säuglinge werden, in ihren Bettchen liegend, erschossen. Das alles ist gut dokumentiert, denn die Mörder halten ihre Gräueltaten per Smartphone fest und brüsten sich dann damit in den sozialen Netzwerken, um die Wirkung ihres Terrors noch zu verstärken. Da gibt es nichts, wirklich gar nichts zu relativieren. Die Hamas ist, für jeden vernunftbegabten Menschen erkennbar, eine widerliche, menschenverachtende Organisation, deren Aktivisten gnadenlos barbarisch agieren. Selten zeigt sich das Böse so klar und eindeutig.

Mindestens 100 Bewohnerinnen und Bewohner jedes Alters wurden allein in dem kleinen Kibuzz Kfar Aza ermordet. Die Angreifer zündeten die Häuser an, um die Bewohner ins Freie zu jagen. Dort schossen die Hamas-Terroristen dann mit Maschinengewehren auf die wehrlosen Männer, Frauen und Kinder. Wie niederträchtig, wie abgebrüht, wie feige muss man sein für ein solches Verbrechen? Wer immer sagt, Krieg sei eben Terror und Terror sei Krieg, dem muss man entschieden widersprechen. Im Krieg gibt es Regeln, bestimmte Reste zivilisierten Verhaltens. Kämpfer kämpfen gegen Kämpfer. Babys zu erschießen, Kinder zu enthaupten – das hat eine andere Dimension. Es gibt so etwas wie ein Kriegsvölkerrecht. Im Krieg ist eben nicht alles erlaubt.

Kfar Aza ist das nächste Butscha

Leider kennen wir das schon. Kfar Aza erinnert fatal an das Massaker von Butscha, jenem Vorort von Kiew, in dem russische Militärangehörige schlimmste Kriegsverbrechen begannen. Wird so etwas jetzt zum Standard in den Auseinandersetzungen des 21. Jahrhunderts? Die Antwort lautet: Wir dürfen uns daran nicht gewöhnen. Wir dürfen nicht aufgeben, was das Wesen des Menschseins ausmacht: seine Würde. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Es gibt für diesen Satz, mit dem unser Grundgesetz beginnt und der die universell geltenden Menschenrechte auf nahezu geniale Weise auf den Punkt bringt, keine Ausnahmen, keine Relativierungen.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, sehr geehrter Herr Leon Wystrychowski. Gerne schicke ich Ihnen ein Exemplar unseres Grundgesetzes zu, damit Sie sich künftig nicht nur auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit berufen, wenn Sie ausgerechnet kurz nach den Massakern von Kfar Aza und anderen Orten in Israel eine propalästinensische Demonstration in Duisburg anmelden. Lesen Sie Artikel 1 unserer Verfassung, bis Sie es verstanden haben, und wenn Sie schon dabei sind, gerne auch den Paragrafen 140 unseres Strafgesetzbuches. Der verbietet die Billigung von Straftaten, wenn dies „in einer Weise“ geschieht, „die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“.

Duisburger verteidigt die Hamas

Zur Erläuterung: Der Duisburger Leon Wystrychowski will Islamwissenschaftler und Historiker sein. Die Gewalt der Palästinenser verurteilt er aber auch auf Nachfrage nicht. Die Terrorakte der Hamas nennt er „militärischen Widerstand“. Die Entführung zahlreicher Israelis nach Gaza nennt er sogar „Verhaftungen“. Wenn er vom „sogenannten“ Existenzrecht des Staates Israel spricht, dann will er Israel genau das absprechen: sein Existenzrecht. Perfider geht es kaum.

Lieber Herr Wystrychowski, wie viele Tassen müssen einem im Schrank fehlen, um derart verblendete Stellungnahmen abzugeben? Sie bewegen sich meiner Meinung nach nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Was aber noch wichtiger ist: Sie sind relativ isoliert mit Ihren radikalen Freundinnen und Freunden. Sie wollten mit Ihrem Aufmarsch vom Montag zeigen, dass Duisburg – Zitat – „hochpalästinensisch“ ist. Am Ende hat die Polizei gerade mal rund 110 Teilnehmer gezählt. In die Tagesschau geschafft haben Sie es mit Ihrer empörenden Aktion aber leider trotzdem – und ja, auch in die WAZ und in diese Kolumne.

Grenzen der Meinungsfreiheit

Warum wir uns mit Ihnen auseinandersetzen müssen? Ganz einfach: Die Demo in Duisburg muss ebenso wie die entsprechende Skandal-Demo in Berlin politische und rechtliche Konsequenzen haben. Die Meinungsfreiheit, ein hohes Gut, muss bei der Verherrlichung von Gewalt enden. Versammlungen, bei denen zu Hass oder Gewalt aufgestachelt wird, müssen verboten werden. Die Versammlungsgesetze vieler Bundesländer geben das bereits her. Die NRW-Landesregierung steht in der Pflicht, auch bei uns über eine Verschärfung nachzudenken.

Immerhin hat die Bundesregierung nun die richtige Konsequenz gezogen und will ein Betätigungsverbot für die Hamas in Deutschland erlassen sowie den Verein „Samidoun“ verbieten. Der Verein, der sich „Gefangenensolidaritätsnetzwerk“ nennt und den der Berliner Verfassungsschutz als antisemitisch und israelfeindlich einstuft, hatte am Samstag den blutigen Terror in Israel bejubelt, indem er auf einer Demo Süßigkeiten in Berlin-Neukölln verteilte.

„Solidarität mit Samidoun“

Prompt hat nun eine weibliche Privatperson bei der Polizei eine „Spontanversammlung“ für Donnerstagabend (12. Oktober) in Duisburg angekündigt. Motto: „Solidarität mit Samidoun“. Zu der erneuten Demonstration erwartete die Anmelderin der Polizei zufolge etwa 20 bis 30 Personen vor der Pauluskirche in Hochfeld. Tatsächlich kamen ganze zehn Aktivisten. Die Zahl der Polizistinnen und Polizisten lag deutlich höher. Von wegen, Duisburg sei „hochpalästinensisch“ ...

Ein Verbot des Vereins „Samidoun“ mit seiner Nähe zur als Terrororganisation eingestuften „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ würde es den deutschen Behörden erleichtern, solche Demonstranten künftig komplett aus dem Berliner und auch dem Duisburger Verkehr zu ziehen. Der Druck, dies zu tun, wächst.

Die Bundestagspräsidentin und SPD-Abgeordnete für Duisburg, Bärbel Bas, hat die pro-palästinensischen Demonstrationen inzwischen scharf verurteilt. „Wir dürfen in unserer Stadt keinerlei Unterstützung oder Relativierung dieser feigen und widerwärtigen Verbrechen akzeptieren“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Das ist Klartext

Klare Kante, klare Meinung – das ist Klartext, die kommentierende Kolumne von Alexander Marinos, stellvertretender Chefredakteur der WAZ. Hier werden aktuelle politische Themen aufgegriffen und subjektiv-zugespitzt eingeordnet. Dabei handelt es sich um ein Meinungsangebot zum An- oder Ablehnen, An- oder Aufregen.Alle Folgen der Kolumne finden Sie hier.Klartext als Newsletter? Hier anmelden.

Auf bald.