Essen. Berthold Beitz war nicht nur ein begnadeter Manager - er war eine Institution, sein Wort hatte Gewicht. Die Beschäftigten von Thyssen-Krupp, die Menschen an der Ruhr, im ganzen Land haben einen großen Menschen, einen Freund verloren.

Der Tod von Berthold Beitz stellt eine Zäsur dar für das Unternehmen Thyssen-Krupp, die Beschäftigten, die Stadt Essen, das Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen, ja ganz Deutschland. Berthold Beitz war nicht nur ein begnadeter Manager – er war eine Institution. Sein Wort hatte Gewicht bei Staatsoberhäuptern, in der Politik, der Kultur und natürlich unter den führenden Vertretern der Wirtschaft.

Beitz war immer der Mann, der Thyssen-Krupp personifizierte. Wie oft war es der „Alte vom Hügel“, der in brenzligen Situationen durch seine unternehmerische Weitsicht, seine Verbindungen und Netzwerke, aber auch durch seine Menschlichkeit und vor allem durch seine Würde so manches Ungemach von „seinem“ Unternehmen fernhalten konnte. Ihm gelang es durch sein Charisma, gepaart mit tiefer Kenntnis der Belange von Thyssen-Krupp, auch schier ausweglose Situationen zu meistern, neue Pfade für den Konzern zu entdecken, Wege zu ebnen. Immer gepaart mit einer gelebten, sozialen Verantwortung für die Mitarbeiter.

Brücken der Verständigung gebaut

Die Beschäftigten haben mit dem Tode von Beitz einen Menschen verloren, der ihre Belange niemals ausschließlich unter Renditegesichtspunkten gesehen hat. Sein ganzer Lebensweg unterstreicht diese Einstellung. Der Mensch, das war – ebenso wie die Firma – Dreh- und Angelpunkt seines Handelns.

Berthold Beitz hat sich aber nicht nur um das Unternehmen Thyssen-Krupp verdient gemacht. Er war es auch, der in den Jahren des Kalten Krieges den Weg nach Osten, nach Polen, in die Sowjetunion suchte und dort nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg wieder erste Brücken der Verständigung baute – und gleichzeitig, zum Wohle aller, auch Geschäfte machte. Nicht nur zum Vorteil des Industriegiganten Krupp. Beitz war es, dem es gelang, Deutschland als vertrauenswürdigen Partner darzustellen. Mit Fug und Recht kann man ihn als einen der Väter der Aussöhnung, der Normalisierung, der Hinwendung zu einer neuen Ost-Politik bezeichnen.

Wie wird die Stiftung in Zukunft geführt werden?

Wie oft kam es vor, dass Politiker aus aller Welt bei Beitz um Rat fragten, seine Vermittlung suchten. Stets ehrenhaft war der Verwalter des Krupp-Erbes Mittelpunkt beim Entwirren von nahezu gordischen Knoten in Konflikten.

Selbst im hohen Alter war seine Meinung ebenso geschätzt wie gefürchtet. Vielleicht ist sein starres Einstehen für die Belange der „Krupps“ der Grund dafür, dass Thyssen-Krupp heute noch ein selbstständig agierendes Unternehmen ist und nicht unter der Majorität von Investmentkonzernen steht. Beitz hatte immer dafür gesorgt, dass die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung ausreichend Anteile am Aktienkapital hatte, um die Geschicke der Firma maßgeblich zu bestimmen.

Der Tod von Beitz reißt gerade hier eine schmerzhafte Lücke. Wie wird die Stiftung in Zukunft geführt werden? Es ist fast unmöglich zu glauben, das jemand, wie immer er auch heißen mag, dieses „Kruppsche Engagement“ leben kann. Vielleicht wäre es doch gut gewesen, wenn jetzt noch ein Mann wie Gerhard Cromme, der Jahrzehnte auf das Engste mit Beitz zusammengearbeitet hatte, aber vor kurzer Zeit gehen musste, noch für die Nachfolge zur Verfügung stünde. Die Beschäftigten von Thyssen-Krupp, die Menschen an der Ruhr, im ganzen Land haben einen großen Menschen, einen Freund verloren.