Ruhrgebiet. Galeria wirft Tausende Beschäftigte raus, schließt 52 Häuser und droht den Gläubigern mit Total-Aus. Krasser kann ein Management kaum scheitern.
Der Traum von einer deutschen Warenhaus AG, die mit ihrer Größe und Marktmacht das „Alles-unter-einem-Dach“-Konzept am Leben hält, ist endgültig ausgeträumt. Von einst Hunderten Karstadt-Häusern und Kaufhöfen bleiben nur rund 70 übrig, im Ruhrgebiet nur noch vier der verbliebenen acht Häuser. Allerdings nicht mehr als die Kaufhäuser, wie wir sie bisher kannten, sondern als größere Modeläden mit ein paar Haushaltswaren und anderen Bereichen, aber ohne den alten Anspruch, dass die Leute nur zu Karstadt oder Kaufhof müssen, um alle ihre Einkäufe zu erledigen.
Damit ist zugleich René Benko als Retter der deutschen Warenhauslandschaft gescheitert. Der österreichische Immobilienmogul hat zwar geschafft, wovon zuvor viele geträumt haben – und die beiden Kaufhausriesen fusioniert. Dass nach wenigen Jahren beide zusammen wesentlich kleiner sind als zuvor jeder für sich, war aber nicht der Plan. Dies ist das Ergebnis krassen Managementversagens im Zusammenspiel mit einer allgemeinen Krise des Textilhandels.
Nicht die Umstände sind Schuld, sondern die Entscheider
Das aktuelle Drama noch immer mit der Corona-Krise und den schwierigen Begleitumständen sowie raffgierigen Vermietern zu erklären, zielt völlig daneben. Alle Handelsketten hatten damit zu kämpfen, viele gerieten in Schwierigkeiten und einige suchten wie Galeria den Schutzschirm des Insolvenzrechts. Doch keines erhielt derart massive Unterstützung vom Staat. Andere haben die Insolvenz genutzt, endlich ihre Onlinepräsenz zu stärken, ohne die auch Filialisten heute kaum noch eine Überlebenschance haben. Galeria tritt auf der Stelle, kam weder online noch auf der Fläche voran.
Benko hat das Staatsgeld gern mitgenommen, selbst viel zu wenig investiert und nun bereits zweimal das deutsche Insolvenzrecht genutzt, um seinen Gläubigern den allergrößten Teil ihrer Ansprüche zu nehmen. Das trifft diesmal auch den deutschen Staat, der von seinen 670 Millionen Euro kaum etwas zurückerhalten wird. Vielleicht ist das auch gut so, wenn er bei den nächsten Malen etwas besser hinsieht, wem er wie massiv hilft – und vor allem wem alles nicht.
Galeria dachte 2020, die Konkurrenz überholt zu haben
Zur Erinnerung ein O-Ton von Galeria-Chef Miguel Müllenbach nach der überstandenen Insolvenz vor zweieinhalb Jahren: „Wir werden stärker und besser aufgestellt sein als vor der Corona-Krise, die voraussichtlich schon im Herbst noch einige Unternehmen in Schieflage bringen wird, die sich, anders als wir, hoch verschuldet haben.“ Man sah sich dank der Insolvenz ganz vorn, meinte die Konkurrenz überholt zu haben. Nun wirft Galeria erneut Tausende Beschäftigte raus, schließt etliche traditionsreiche Häuser und verkleinert die restlichen, so dass auch dort die Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze bangen müssen.
Verheerender geht es kaum. Die Drohung an die Gläubiger, auch das letzte Warenhaus zu schließen, wenn sie nicht erneut auf ihr Geld verzichten, hätte bei dieser Bilanz gar nicht ausgesprochen werden müssen.
Wer kann, sollte nun auf die Galeria-Beschäftigten zugehen. Fachkräftemangel gibt es weniger in der Textilbranche, aber in vielen Branchen und auch wenigen Bereichen des Handels. Wer Beschäftigte, die seit 15 Jahren nichts anderes als Krise kennen, eine Perspektive bietet, darf sich in den meisten Fällen auf hochmotivierte Menschen freuen, die arbeiten wollen und können.