Essen. Der CDU gelingt eine Überraschung, die FDP wird für ihre Corona-Politik abgestraft. Entscheidend werden jetzt die Grünen sein. Ein Kommentar.
Die CDU mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Mona Neubaur sind die großen Gewinner der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Dass die Grünen ein sehr gutes Ergebnis erzielen und der künftigen Regierung angehören werden, war von vornherein klar. Dass sich die CDU aber so klar von der SPD absetzt, gehört zu den großen Überraschungen des Wahltages. Wüst ist es offenbar gelungen, die Stammwählerschaft seiner Partei zu mobilisieren, ein bemerkenswerter Erfolg.
Die Sozialdemokraten sind mit ihrem Vorhaben gescheitert, ein klares Signal Richtung Regierungsbildung zu setzen. Gegenüber der Wahlniederlage von 2017 büßten sie sogar noch einmal deutlich Stimmen ein, entsprechend groß ist die Enttäuschung. Alles sah im Vorfeld nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus, so dass bei SPD und Grünen viele mit einer Wiederauflage ihrer vor fünf Jahren abgewählten Koalition liebäugelten - notfalls ergänzt durch die FDP, wenn es zu zweit nicht reichen sollte. Eine Ampelkoalition hätte auch den Segen der Parteioberen in Berlin.
Die Grünen werden über die neue NRW-Regierung entscheiden
Und nun? Die Grünen werden, wie erwartet, über die neue NRW-Regierung entscheiden. Aber nach welchen Kriterien? Die Karten liegen jetzt auf dem Tisch: Rot-Grün war die bevorzugte Kombination der Parteibasis und der Parteispitzen im Bund, ist rechnerisch aber wohl nicht mehr möglich. Nun mag es die Versuchung geben, es zumindest mit einer Ampel zu versuchen.
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Aber so einfach ist die Lage nicht. Die Grünen legten einen sauberen Wahlkampf hin, zeigten sich geschlossen und nutzten auch den Rückenwind aus Berlin, wo die Parteispitze mit Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck zu den Leistungsträgern der Bundesregierung gehört.
Grünen-Spitzenkandidatin hat die moralische Latte sehr hoch gelegt
Andererseits muss sich NRW-Chefin Neubaur auch an ihren Worten messen lassen. Mehrfach bekannte sie sich im Wahlkampf zur Stärkung der Demokratie, indem sie den Wählerwillen umsetzen wolle. Doch wie werden die Grünen jetzt diesen Wählerwillen definieren? Für Schwarz-Grün spricht der große Vorsprung der CDU, der zweifelsohne als Auftrag der Wählerinnen und Wähler an Hendrik Wüst zur Regierungsbildung zu verstehen ist.
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Das heißt umgekehrt: Kann Thomas Kutschaty Ministerpräsident werden, obwohl die SPD die Wahl verloren hat? Klar, er könnte schon, wenn er die Mehrheit im Landtag hinter sich vereinigt. Aber das wäre kaum vermittelbar. Am Ende geht es um Macht und Zahlen, um den Druck aus den Parteien und aus Berlin. Um eine Richtungsentscheidung. Aber es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Grünen, deren Spitzenkandidatin die moralische Latte sehr hoch gelegt hat. Ausgang vorerst offen.
Die Liberalen müssen schnell zur Ursachenforschung übergehen
Zu den großen Verlierern gehört auch die bisherige Regierungspartei FDP. Die Liberalen müssen nach diesem Debakel sehr schnell zur Ursachenforschung übergehen – auch mit Blick auf das Handeln in Berlin, wo sie bekanntlich Teil der Regierungskoalition sind. Auf jeden Fall sollten sie sich kritisch fragen, ob sie das Aufsetzen einer Maske oder ein Tempolimit auf Autobahnen weiterhin als das Ende der freien Gesellschaft proklamieren wollen.
In NRW wurde die FDP vor allem für ihre Corona-Politik abgestraft. Zur Wahrheit gehört zwar, dass die Liberalen mit dem Familien- und dem Schulministerium zwei Ressorts verantworteten, in denen man während der Corona-Zeit nichts gewinnen konnte. Andererseits zog sich insbesondere Schulministerin Gebauer durch ihre umstrittenen Entscheidungen und ihre schlechte Kommunikation so viel Unmut von Großeltern, Eltern, Lehrern und Kindern zu, dass die FDP die Quittung an den Wahlurnen bekam.
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Bemerkenswert ist nach diesem Wahlergebnis ferner, dass es am linken und am rechten Rand der NRW-Landespolitik derzeit nichts zu holen gibt. Die Linken setzten ihre bundesweiten Misserfolge fort und verpassten erneut den Einzug ins Parlament, die AfD schaffte zwar knapp den Einzug, spielt politisch aber weiterhin keine Rolle. Eine klare Absage der Menschen in NRW an eine radikalisierte Politik.