Düsseldorf. Merkel kritisiert Laschets Corona-Management zur besten Sendezeit. Damit fügt sie dem CDU-Chef weiteren Schaden zu. Markus Söder gefällt das.

Armin Laschet versuchte sich noch einmal in seiner Paraderolle als Versöhner. „Es hilft uns auch nicht weiter, wenn Bund und Länder sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben“, sagte der NRW-Ministerpräsident und CDU-Bundesvorsitzende am Montag in einer eilig anberaumten Pressekonferenz in Berlin. „Und es hilft erst recht nicht weiter, wenn Ministerpräsidenten über andere Länder und über andere Kolleginnen und Kollegen urteilen“, so Laschet weiter.

Es war die Reaktion auf einen Sonntagabend, der ihm so gerade noch gefehlt hatte. Laschet ringt sechs Monate vor der Bundestagswahl mit einem beispiellosen Umfrage-Absturz und einem Corona-Krisenmanagement, das von vielen Bürgern als wenig Vertrauen erweckender Zickzack-Kurs wahrgenommen wird. In dieser heiklen Phase ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einem weiteren Anschlag auf seine Autorität als Parteichef zur besten Sendezeit aufhorchen.

Merkel wirft Laschet Bruch der Bund-Länder-Beschlüsse vor

Tobias Blasius
Tobias Blasius © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Merkel setzt sich nur in den Talksessel bei „Anne Will“, wenn die Hütte wirklich brennt – wie in der Flüchtlingskrise oder jetzt in der gefährlichen dritten Welle der Pandemie. Dann hört die Nation natürlich ganz genau hin. Diesmal wusch sie den Ministerpräsidenten im Allgemeinen und Laschet im Besonderen kräftig den Kopf: Dass in den Ländern nach dem „Osterruhe“-Debakel trotz galoppierender Infektionszahlen die Zeichen eher auf Lockerungen stehen, will Merkel nicht länger mitansehen. Laschet warf sie verklausuliert sogar den Bruch der Bund-Länder-Beschlüsse zur „Notbremse“ vor; mindestens aber eine fahrlässige Interpretation derselben.

In NRW wird die Corona-Notbremse seit Montag nur in Kommunen und Kreisen angewendet, die drei Werktage hintereinander eine Inzidenz von mehr als 100 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner verzeichnen. Selbst dort kann man sie mit einem negativen Corona-Test umgehen und weiter shoppen gehen. Was Merkel riskant findet, verteidigte Laschet am Montag ausdrücklich. Es sei wichtig, den Bürgern einen „Anreiz“ zum Schnelltesten zu bieten.

Vertrauen in Merkel ist höher als das Zutrauen zu Laschet

In den Gremien der CDU hat Laschet vorerst wenig zu befürchten, da der strenge Corona-Kurs der Kanzlerin auch von anderen Länderchefs mit Rücksicht auf wirtschaftliche und soziale Kollateralschäden systematisch unterlaufen wird. Dass veritable Ministerpräsidenten öffentlich in den Senkel gestellt werden, könnte bei den Spitzenfunktionären sogar eher zu einer Solidarisierung mit Laschet führen. Andererseits: Die Kanzlerin mag im Spätherbst ihrer Karriere an Nimbus eingebüßt haben, doch das Vertrauen der Deutschen in ihre Führungsfähigkeiten ist noch immer deutlich höher als das Zutrauen zu Laschet.

Deshalb kommt dieser Anne-Will-Auftritt für den neuen CDU-Chef kurz vor der geplanten Selbstausrufung als Kanzlerkandidat der Union zur Unzeit. Lange galt er als rheinisches „Weiter so“ der Merkel-Zeit. Die Kanzlerin hatte ihn aus seinem ersten Corona-Sommer des Missvergnügens 2020 befreit, indem sie dem „Lockerer“ Laschet bei einem NRW-Besuch „ein Rüstzeug von Gewicht“ für das höchste Regierungsamt bescheinigte. Und nun?

Erste CDU-Abgeordnete machen sich für Söder als Kanzler stark

Kurz nach Merkels Talkshow-Auftritt präsentierte sich in der ARD ein anderer als Erbe und Verteidiger des strengen Kanzleramts-Kurses: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der sich selbst ebenfalls zum „Team Vorsicht“ in der Pandemie-Bekämpfung rechnet. Der CSU-Chef macht seit Tagen keinen Hehl daraus, dass ihm der „Kamillentee-Modus“ Laschets in einer dramatischen Lage für Union als viel zu behäbig erscheint.

Am Montag riefen die ersten CDU-Bundestagsabgeordneten, die im September ihre Wahlkreise verteidigen müssen, den in allen Umfragen notorisch unpopulären Laschet dazu auf, alsbald dem deutlich beliebteren und kantigeren Chef der kleinen Schwesterpartei die Kanzlerkandidatur anzutragen.

Der CDU-Vorsitzende denkt gar nicht daran. Während das Land gegen die Überlastung des Gesundheitssystems kämpft, will Laschet am Dienstag stoisch mit einer Rede über „Dein Deutschland, Deine Ideen“ einen Beteiligungsprozess für das Bundestagswahlprogramm starten. Möglichst schnell nach Ostern will er sich als Kanzlerkandidat nominieren, bevor die Umfragen weiter abstürzen und der Söder-Chor in der CDU weiter anschwillt. Allerdings ist er nicht allein Herr des Verfahrens: Die CSU muss zustimmen – und Söder hat schon deutlich gemacht, dass er keine Eile hat.