Düsseldorf. Die Grünen als wahre Gewinner, die SPD am Boden, die CDU als Nummer eins, die AfD unter ferner liefen. Was das alles zu bedeutet hat.
Als der junge Armin Laschet Ende der 80er Jahre neu in den Aachener Stadtrat gewählt wurde, erlebte er den ersten Dammbruch in der lange so tiefschwarzen Bischofsstadt. Die Grünen machten sich damals breit und punkteten über die Jahrzehnte immer stärker im akademischen Milieu, bei jungen Leuten, bald in der gesamten bewusst lebenden Mittelschicht. Seit diesem Wahlsonntag sind sie erstmals stärkste Kraft in Aachen und haben beste Aussichten, in 14 Tagen mit Sybille Keupen die Oberbürgermeisterin zu stellen. Schaut man nach Köln, Bonn, Wuppertal oder ins ehemals tiefrote Ruhrgebiet erkennt man ähnliche Tendenzen.
Die Grünen blicken in NRW nun in 23 Städten und 31 Kreisen auf zweistellige Ergebnisse. Sie sind der eigentliche Gewinner dieser Kommunalwahl. Seit ihrem Absturz bei der Landtagswahl 2017 haben sie vielerorts die richtigen Lehren gezogen: Die Mitte gewinnt man nicht mit öko-pädagogischem Sektierertum. Sie haben vielmehr geschickt die Segel so gesetzt, dass der Wind der Veränderung hineinblasen kann. Klimawandel, Verkehrswende, bezahlbares Wohnen, nachhaltiges Leben – vielen Menschen ist das heute wichtig, selbst wenn die Corona-Krise alles zu überschatten schien. Hinzu kommt in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft das gute Gefühl, mit einem Kreuz bei den Grünen irgendwie auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen.
„Positive Trendumkehr“? Die SPD redet sich das Debakel schön
Die SPD mag sich das historische Kommunalwahl-Debakel als „positive Trendwende“ schön reden, in Wahrheit muss sie einsehen: Gemessen an den Ansprüchen in der „Herzkammer“ ist das Ergebnis viel zu wenig, um bundesweit auf die Beine zu kommen. Längst haben sich die Grünen dort etabliert, wo die SPD über Jahrzehnte unschlagbar schien. Die Sozialdemokratie hat in NRW kulturelle Hegemonie und Themen-Hoheit verloren. Stark ist sie nur noch dort, wo zupackende Stadtmanager Probleme der einstigen Kernklientel lösen, statt immerzu über einen „Linkskurs“ und „Hartz IV“ zu lamentieren.
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Laschets CDU reicht das schlechteste Kommunalwahl-Ergebnis ihrer Geschichte, um klare Nummer eins in NRW zu bleiben. In einer sich rasant verändernden Parteienlandschaft ist es keine Selbstverständlichkeit mehr, gut 34 Prozent zu gewinnen. Doch fulminante Siege wie in Essen verdecken, dass auch die CDU in den Großstädten den Anschluss an den Zeitgeist zu verlieren droht. Die große Kunst der letzten Volkspartei wird es sein, Erfolgsrezepte der ländlichen Hochburgen mit den neuen Ansprüchen junger urbaner Wähler zu versöhnen. Eine CDU-Sehnsucht nach Rhetorik und Rezepten der 90er Jahre jedenfalls wird das Problem verschärfen.
Wie die AfD in NRW klein gehalten wurde
Laschet reklamiert für sich, Jung und Alt, Stadt und Land, Unternehmen und Gewerkschaften zusammenführen zu können. Ob seine Bundespartei es ihm glaubt, wird man Ende des Jahres sehen. Ein Laschet-Malus wegen seines Corona-Krisenmanagements lässt sich jedenfalls nicht länger herbei analysieren.
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Wer „die AfD halbieren“ will, sollte überdies einen Blick nach NRW wagen. Vom Ziel der Zweistelligkeit sind die Rechtspopulisten mit kümmerlichen 5 Prozent weit entfernt. Gewiss, der multikulturelle Schmelztiegel NRW ist weniger anfällig für deren Parolen. Hilfreich erscheinen aber auch: Konsequenz in der inneren Sicherheit, keine Sprachtabus und eine gesunde Portion Gleichgültigkeit gegenüber Provokationen von Rechtsaußen.