Thyssenkrupp trennt sich von Kerkhoff, Chefaufseherin Merz übernimmt das Ruder. Warum das nur eine möglichst kurze Übergangslösung sein sollte.

Der Zeitpunkt überrascht, die Entscheidung selbst nicht: Guido Kerkhoff muss seinen Chefsessel beim dauerkriselnden Traditionskonzern Thyssenkrupp nach gut einem Jahr schon wieder räumen. Zwei radikale Strategieschwenks in dieser kurzen Zeit waren dann doch einer zuviel. Der Aufsichtsrat traut Kerkhoff nicht mehr zu, den Dax-Absteiger wieder nach oben zu bringen. Argumente dafür gibt es genug, es fragt sich nur: warum jetzt? Und warum diese höchst ungewöhnliche und nicht ideale Übergangslösung mit der Kontrolleurin Martina Merz als Interimschefin?

Kerkhoff hat Überzeugungskraft verloren

Kerkhoff ist eingesprungen, als sein Vorgänger Heinrich Hiesinger und der damalige Aufsichtsratschef Ulrich Lehner das Weite gesucht und den Konzern über Nacht in eine Führungskrise gestürzt haben. Er wurde Interimschef und sollte alsbald Platz für einen Neuen machen. Weil aber kein Manager-Schwergewicht das Ruder beim schwer angeschlagenen Industrietanker übernehmen wollte, durfte Kerkhoff weitermachen. Und das tat er mit viel Energie und neuem Kurs. Nach der Stahlfusion mit Tata wollte er Thyssenkrupp zweiteilen, eine beliebte Strategie – siehe Eon, RWE, Metro und so weiter. Doch die Rückendeckung, die er dafür von Großaktionären und Aufsichtsrat erhielt, bekam schon bald erste Risse.

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Als die EU die Stahlfusion untersagte, warf Kerkhoff seine Strategie, für die er zum Vorstandschef befördert wurde, in den Müll und vollzog die nächste radikale Wende: Er sagte die Teilung ab, machte den ungeliebten Stahl wieder zum Kerngeschäft und stellte die Aufzüge als Gewinngaranten zum Verkauf, gerne nur zum Teil, zur Not aber auch ganz. Weil Thyssenkrupp dringend frisches Geld braucht, spricht vieles für diesen neuen Kurs, trotzdem wäre dies der richtige Zeitpunkt für eine Trennung gewesen. Einfach, weil jeder Manager mit einer zweiten 180-Grad-Wende seine Überzeugungskraft verliert, noch der Richtige für diesen Job zu sein.

Der Aufsichtsrat hat den richtigen Zeitpunkt verpasst

Der Aufsichtsrat ließ ihn weitermachen und muss sich nun vorwerfen lassen, wertvolle Zeit verschwendet zu haben. Dass Chefkontrolleurin Merz selbst einspringt, bis der im letzten Sommer vergeblich gesuchte Retter gefunden wird, ist mehr als ungewöhnlich. Will sie nun das Krisenmanagement endlich so gestalten, wie sie und ihre Mitaufseher es schon lange wollten? Warum hat der Aufsichtsrat Kerkhoff dann nicht früher in die gewünschte Richtung gelenkt? Es ist schließlich seine wichtigste Aufgabe, Unzufriedenheit mit Vorstand diesem dann auch klar zu äußern.

Thyssenkrupp kommt so einfach nicht zur Ruhe. Nun ist Ruhe in einem Krisen-Konzern kein Wert an sich. Aber eine gewisse Kontinuität sollte schon erkennbar sein – ein gutes Jahr nach der Zuspitzung der Krise. Nicht nur die Aktionäre, auch die 160.000 Mitarbeiter würden sich gerne darauf verlassen können, bestmöglich geführt zu werden. Bei Thyssenkrupp bedeutet das, endlich einen Weg aufzuzeigen, der aus der seit Jahren bedrohlichen Lage absehbar herausführen kann.

Wie will der Aufsichtsrat seine Vorsitzende kontrollieren?

Mit Martina Merz als Interimschefin, die anschließend zurück an die Spitze des Kontrollgremiums gehen soll, hat nun der Aufsichtsrat nicht nur die Kontrolle, sondern auch die Geschäfte übernommen. Damit steht er weit mehr im Rampenlicht als üblich – und Merz in der Pflicht, die entscheidenden Weichen zu stellen: (Teil-)Verkauf der Aufzugssparte, Partnersuche für Autoteile und Anlagenbau, Sanierung der Stahlsparte. Dem Konzern täte es gut, diese Übergangslösung nicht allzu lange aushalten zu müssen. Denn die Distanz der Kontrolleure zu Martina Merz, die ihre Vorsitzende ist und nach ihrem Vorstandsintermezzo wieder sein wird, kann niemals so groß sein, wie sie sein sollte.