Essen. Bei der EM in Polen stehen die deutschen Handballer im Halbfinale. Trotz der schwierigen Umstände. Deshalb haben sie sich Lob verdient. Ein Kommentar.

Wer irgendwann den Begriff „Herzschlagfinale“ erfunden hat, muss gerade ein Handballspiel gesehen haben. Wer etwas anderes behauptet, kann noch keinen Handball-Thriller gesehen haben. Für den Einzug der jungen deutschen Mannschaft in das EM-Halbfinale ist – auch in Zeiten, da Superlative inflationär gebraucht werden – kein Lob groß genug.

Weinhold ist der tragische Held

Es war paradox. Dass die Deutschen am Mittwoch überhaupt um den Einzug ins Halbfinale der EM spielen durften, hatten sie nicht zuletzt einer waghalsigen Abwehraktion ihres Kapitäns Steffen Weinhold zu verdanken, der damit den 30:29-Sieg über Russland rettete. Weil der Kieler sich dabei aber schwer verletzte und seinem Team im entscheidenden Duell gegen Dänemark fehlte, schwante den meisten Handballfans Böses. Nach dem Motto: Wie gewonnen, so zerronnen.

Schließlich hatte sich auch noch Rückraumspieler Christian Dissinger verletzt, so dass die eh schon ersatzgeschwächte Auswahl des isländischen Trainers Dagur Sigurdsson nach dem einhelligen Urteil der Experten vor einer schier unlösbaren Aufgabe stand. Wie sie sich ihr stellte, war – zumal aus Sicht der besiegten Dänen – überwältigend. Ein Sieg des Willens!

Kein Klagen, kein Jammern

Respekt hatten sich die – für die breite Öffentlichkeit eher namenlose – Spieler und ihr in jeder Phase souverän wirkender Coach allein dafür verdient, dass sie sich vor dem Turnier nicht in Selbstmitleid ergaben, als nicht weniger als vier Stammkräfte ausgefallen waren. Von Dagur Sigurdsson war kein Klagen und Jammern zu hören. Stattdessen: Starkreden seiner überwiegend unerfahrenen Youngster. Welch ein Unterschied zum Fußball. Dort gilt in der Regel: Ausfälle = Ausreden.

Ein Blick noch voraus: Schafft die deutsche Mannschaft die Qualifikation für Rio (über den EM-Titel oder ein Qualifikationsturnier im April), hat sie das Potenzial, bei den Olympischen Spielen für Handball-Fieber in der Heimat zu sorgen.