Ein Oscar für Kim Jong-Un: Nordkoreas Diktator ist das schrägste Schurkenstück des Jahres gelungen: Ein Despot als Kinoblockwart.

Bizarrster politischer Spezialeffekt - leider hat die „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“ diese Disziplin nicht im Programm, wenn in acht Wochen zum 87. Mal die „Oscars“ verliehen werden. Dabei hätte Kim Jong-Un wirklich einen verdient. Wie Nordkoreas Diktator und seine mobilen Cyber-Orks Hollywood ins Boxhorn gejagt und Amerikas Meinungsfreiheits-Apostel gedemütigt haben, das hätte sich kein Drehbuchschreiber ausgedacht.

Mit der erpressten Rücknahme des Films „The Interview“ ist dem für martialisch-hysterische Drohungen gegen den Westen, kühne Mittelscheitel und die Affenliebe zu einem abgehalfterten Ex-NBA-Basketballer bekannten Machthaber das schrägste Schurkenstück des Jahres gelungen: Ein Despot als Kinoblockwart.

Ohne dass auch nur eine Minute der nur rudimentär amüsanten Klamotte gezeigt worden wäre, in der ein fiktiver Kim pathetisch aus dem Verkehr gezogen wird, liegen fast nur Schwerverletzte auf dem öffentlichen Schlachtfeld. Aber niemand redet mehr über das, was Nordkorea wirklich ausmacht: Totalitarismus, Folter, Unterdrückung, Hunger, atomare Gefahr.

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Da ist der Sony-Konzern, der töricht leichtfertig war. Wer seine kreative Playstation im Zeitalter des digitalen Datenraubs derart angreifbar lässt, lädt Kriminelle geradezu ein. Der Mega-Einbruch beim Unterhaltungsriesen sollte als letzte Warnung vor dem ersten Supergau durch Manipulationen via Internet verstanden werden.

Da ist Hollywoods Versagen, sich als Industrie geschlossen gegen die Erpressung zu wehren, verängstigten Kinoketten Rückendeckung zu geben und so der Freiheit der Kunst zu ihrem Recht zu verhelfen. Anstatt sich wie die Verlags-Gilde bei Salman Rushdies „Satanischen Versen“ unterzuhaken und gegen Zensurgelüste iranischer Ajatollahs zu verwahren, machten sich die meisten längst auf asiatische Absatzmärkte schielenden Studiobosse in die Hose. Der unangenehme Geruch von vorauseilender Feigheit wird sich nicht so bald verziehen.

Da ist eine Regierung in Washington, die der Ausstrahlung des Filmes tapfer das Wort redet und das Wegducken vor anonymen Drohungen unamerikanisch nennt. Merkwürdig, Sony war seit Sommer in der Bredouille. Damals herrschte Schweigen. Die nachträgliche Demonstration von Courage ist darum billig. Und angesichts der paranoiden Übervorsichtigkeit, die Amerika jedes Mal flächendeckend ergreift, wenn irgendwer die Keule schwingt, auf der „11. September 2001“ eingeritzt ist, unglaubwürdig.

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