Dortmund. Auf der Suche nach sich selbst: Mario Götze schaute sich das Fußballmuseum an. Beim BVB fehlt ihm bisher noch die Unbeschwertheit früherer Tage.
Der Weg zu sich selbst kann ein weiter sein. Mario Götze – schwarze Jeans, schwarzer Pullover, schwarze Schuhe – führt er am Mittwoch vorbei an dem Spielball, den Helmut Rahn 1954 zum deutschen WM-Triumph ins Tor der Ungarn beförderte.
Vorbei an Bildern von Gerd Müller, wie er 1974 den Siegtreffer erzielt. Vorbei an jenem Stück Rasen Roms, von dem aus Andreas Brehme 1990 per Elfmeter traf.
Drei deutsche WM-Titel. Drei Schützen. Drei Helden.
Der vierte, der von 2014, ein Mann namens Mario Götze, schaut und schweigt. Einer, der neben ihm steht, sagt: Mit diesem Tor hast du dich unsterblich gemacht. Götze lächelt, als habe jemand einen Witz gemacht.
Es ist eine Zeitreise, die der Nationalspieler von Borussia Dortmund an diesem Tag für einen Sponsor unternimmt. Erst die Fahrt in die Kindheit. Hombruch, erster Fußballplatz, Asche. Dann ein paar Kilometer stadteinwärts ins Deutsche Fußballmuseum. Die Kameras laufen. Ansonsten gilt: keine Fragen. Nur gucken, nicht anfassen. Elias fragt trotzdem. Es ist sein Geburtstag, zehn wird er. Er trägt kein Trikot, sondern einen grünen Pullover. Autogramm drauf mit Filzstift. Elias ist Borusse, Gladbacher Borusse.
Mario Götze hat sich tatsächlich unsterblich gemacht, er wird immer ein besonderer Spieler in der Geschichte des deutschen Fußballs sein. Einer, an den man sich auch in hundert Jahren noch erinnert. Das ist eine beachtliche Leistung für einen, der erst 24 Jahre alt ist, der eigentlich mehr vor sich als hinter sich hat. Aber ist das wirklich so? Was kommt da noch? Eine Frage, die nicht nur in Dortmund eifrig diskutiert wird.
„Das, was bisher geschehen ist, ist großartig. Ich hoffe, es kommt auch noch mehr“, sagt Götze.
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Derzeit fühlt sich das Fußballer-Leben des früheren Müncheners etwas angestrengt an. Die erste Saisonhälfte mit dem BVB verlief für ihn durchwachsen, einen Bundesligatreffer erzielte der offensive Mittelfeldspieler. Im neuen Jahr verzichtete Vereinstrainer Thomas Tuchel zu Beginn der beiden Partien auf Götze. Gut 20 Minuten durfte er von 180 bestreiten. Mitten in einer bedeutsamen Saisonphase, in der der BVB gute Ergebnisse benötigt. Ultimative Wertschätzung sieht anders aus. Götze ist auf der Suche nach sich. Oder zumindest: nach einem Teil von sich.
Er hat das schon ein paar Mal zu erklären versucht, dass er nicht mehr der gleiche ist wie damals, als er so unbeschwert und zauberhaft Fußball spielte und Dortmund mit ihm die bis heute letzten Titel gewann. Als er ging, gingen die Erfolge. In München fand er drei Jahre lang kein sportliches Zuhause, aber noch ist es auch bei Schwarz-Gelb nicht einfach für ihn.
Ach, wäre die Suche nach sich selbst doch nur so einfach wie im Museum. Da ist der Raum, in dem der Gegenwarts-Mario auf den Geschichts-Mario trifft. Sein Schuh aus dem Finale, der Schuh, der das Tor brachte, liegt dort dreckverklumpt hinter Glas. Das Licht erlischt. Götze sieht die Bilder auf einer Leinwand: blutender Schweinsteiger, fliegender Neuer, flankender Schürrle.
„Mach iiiiiiihhhhn“, schallt es aus den Lautsprechern. Der Originalkommentar.
Er sieht sein Tor und lächelt
Er macht ihn. WM-Titel. Fußball-Geschichte.
Götze schaut Götze ungerührt dabei zu. In seinen schwarzen Klamotten ist er in der Dunkelheit fast unsichtbar. Dann lächelt er.
„Ich habe das Tor oft gesehen, aber nicht in dieser Umgebung, mit dieser Geschichte“, sagt er: „Da bekommt man noch mal ein anderes Gefühl dafür.“ Das Gefühl dafür, was er da geleistet hat. Das Gefühl, was er zu leisten imstande ist. Vielleicht ist es ein Gefühl, das ihm hilft zu finden, was er sucht.