Witten. Viele Städte schaffen ihre Karl-Marx-Plätze ab. Auch Witten? Die AfD würde ihn gern „Platz der Deutschen Einheit“ nennen. Kommt sie damit durch?
Deutschlandweit tragen immer weniger Straßen oder Plätze den Namen von Karl Marx. Der Theoretiker des Sozialismus und Kommunismus ist unpopulärer denn je, besonders bei den rechten Parteien. Und so kommt aus der AfD-Ratsfraktion der Anstoß, den Karl-Marx-Platz in Witten nach seiner geplanten Umgestaltung in „Platz der Deutschen Einheit“ umzubenennen. Mit dem Kriegerdenkmal „Germania“ in seiner Mitte? Das ist selbst Marx-Kritikern zu viel.
1869 wurde der Karl-Marx-Platz als „Königsplatz“ erbaut. Seine ursprüngliche repräsentative Anlage ist heute aber kaum noch erkennbar. Die zu ihm führenden Straßen waren nach Otto Fürst von Bismarck, Kriegsminister Albrecht von Roon und Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke benannt. Sie gelten als Gründer des Deutschen Reiches. Passend dazu wurde als zentrales Element 1877 das Kriegerdenkmal „Germania“ enthüllt. Es feiert die preußisch-deutschen Siege (1864, 1866 und 1871) und die damit gewonnene deutsche Reichseinheit.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Straßenzüge in Beethoven-, Mozart- und Uthmannstraße umbenannt. Der Platz heißt seit 1945 Karl-Marx-Platz, als „Zeugnis eines eifrigen Bemühens um Umerziehung“, schreiben Paul Brandenburg und Karl-Heinz Hildebrand in ihrem Buch „Witten – Straße, Wege und Plätze“.
Zurück zum alten Namen „Königsplatz“?
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Witten sollte „dem Urheber einer Ideologie, die zahleichen Diktaturen als geistiges Vorbild diente, keine Bühne mehr geben“, schreibt AfD-Fraktionsvorsitzender Matthias Renkel in seinem Antrag zur Umbenennung. Er schlägt „Platz der Deutschen Einheit“ vor, „um an die friedliche Revolution unseres Volkes“ zu erinnern. Wenn der Platz sowieso von der Stadt 2023 neu gestaltet wird, könne man das neue Aussehen gleich mit einem neuen Namen verknüpfen.
Auch Michael Hasenkamp (Stadtklima) fände eine Namenskorrektur angebracht, bevorzugt aber den alten Namen „Königsplatz“. Doch mit der Idee blitzen sie bei den restlichen Parteien im Haupt- und Finanzausschuss am Montagabend ab.
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Auch Diskussion um Namen „Hohenzollernviertel“
Das Viertel zwischen Gartenstraße, Widey- und Breddestraße, Nordstraße und Breite Straße mit dem Karl-Marx-Platz und dem Platz der Gedächtniskirche wird seit den 1980er Jahren „Hohenzollernviertel“ genannt. Diesen Namen etabliert haben unter anderem der Wittener Historiker Prof. Heinrich Schoppmeyer und der Verein für Orts- und Heimatgeschichte Mark. Der Begriff passt, denn die architektonische Anlage zeugt vom bürgerlich-monarchistischen Zeitgeist Mitte des 19. Jahrhunderts.
Bei der Bürgerwerkstatt zur Neugestaltung des Karl-Marx-Platzes 2018 gab es aber Diskussionen zu der Bezeichnung. Laut dem Wittener Historiker Ralph Klein stehen die Hohenzollern „für eine Monarchie, die mit gewaltsamen Mitteln die demokratischen Regungen im Deutschland des 19. Jahrhunderts bekämpfte“. Er wünschte sich, das Quartier „Breddeviertel“ zu nennen.
„Die Wittener Bürgerinnen und Bürger haben kein Problem mit diesem Namen. Das ist Ihr ideologisches Problem mit der Figur Karl Marx“, wirft Harald Kahl (Bürgerforum+) der AfD vor. „Sie negieren die Tatsache, dass ein Stadtrat nach 1945 sehr bewusst Plätze umbenannt hat, die mit dem Nationalsozialismus verflochtene Namen trugen.“
Auch Ulla Weiß (Die Linke) nennt dies „eine weise Entscheidung unserer Vorgänger, vor der man Respekt haben sollte“. Überhaupt, so Harald Kahl provokant, könne man dann gleich eine ganze Reihe an Straßen neu benennen: Die Bebelstraße in Annen, benannt nach dem SPD-Gründer und von 1940 bis 1945 als Hermann-Göring-Straße betitelt? Oder die Husemannstraße, die seit 1947 an den im KZ ermordeten Bergarbeiterführers erinnert und zwischenzeitlich Hindenburgstraße hieß?
CDU möchte weitere kritische Auseinandersetzung mit Karl Marx
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Auch die CDU lehnt eine Umbenennung in „Platz der Deutschen Einheit“ ab. Obwohl die Partei es sympathisch fände, so Fraktionschef Volker Pompetzki, mit einem Platz in Witten an die friedliche Revolution Deutschlands zu erinnern. „Und wir eine kritische Auseinandersetzung mit Karl Marx weiterhin als wichtig ansehen.“ Die CDU aber stört besonders der Kontext mit dem Kriegerdenkmal an dieser Stelle. Pompetzki: „Ein Platz der Deutschen Einheit, auf dem die Germania steht, halten wir für wenig sinnvoll.“
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