Witten. Die Piraten wissen nun zwar auch die anderen Fraktionen in Witten hinter sich, wenn es um ein Rats-TV geht. Was ihre Freude trotzdem trübt.
„Und ewig grüßt das Murmeltier“: So begann Fraktionschef Stefan Borggraefe von den Piraten in Witten seinen jüngsten Vorstoß im Hauptausschuss für ein Rats-TV, das die Internetpartei schon seit Jahren erfolglos fordert. Nun aber konnte der Wahl-Wittener zufrieden feststellen, dass die anderen Fraktionen und die Stadt endlich eingelenkt haben - unter dem Druck der Corona-Krise. Allerdings könnte die Pandemie längst vorbei sein, wenn Ratssitzungen erstmals live im Internet übertragen werden.
Denn in der Verwaltungsvorlage zur neuen Geschäftsordnung des Rates findet sich ein Satz, der den Piraten erst einmal wieder den Wind aus den Segeln nimmt. Zwar heißt es dort in Paragraf 13: „Die Ratssitzungen werden unter Beachtung der geltenden Rechtslage gestreamt.“ Man beachte aber die Anmerkung mit Sternchen: „Paragraf 13 Absatz 3 Geschäftsordnung findet unverzüglich nach Fertigstellung des Umbaus des Rathauses und Wiederaufnahme der Sitzungen im Ratssaal (ca. 2023) Anwendung. Sitzungen an anderen Orten werden grundsätzlich nicht gestreamt.“
In der Klammer steht das Entscheidende und für die Piraten kaum Fassbare: keine Live-Übertragung vor dem Jahr 2023!
Pirat aus Witten spottet: „Videokonferenzen funktionieren nur in frisch renovierten Wohnungen“
Das veranlasste Borggraefe nun zu spöttischen Kommentaren auf Facebook: „Ihr kennt das sicherlich alle aus dem Alltag. Videokonferenzen funktionieren nur, wenn Ihr Eure Wohnung gerade frisch renoviert habt.“ Borggraefe hatte sich schon in der Sitzung des Hauptausschusses Anfang vergangener Woche kritisch zu der angedachten zeitlichen Realisierung geäußert, da aber offenbar noch auf weitere Gespräche zu dem Thema gesetzt. „Ich freue mich, dass unser Antrag nicht mehr auf Fundamentalgegnerschaft trifft.“ Details könne man ja noch in der interfraktionellen Runde besprechen. Die hat bisher aber nicht stattgefunden.
Kämmerer von Witten: „Erhebliche Probleme mit Licht und Akustik im Ratssaal“
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Der Pirat und Internet-Experte hatte im HFA darauf hingewiesen, dass die Übertragstechnik transportabel sei und es nicht darauf ankomme, ob der Ratssaal schon fertig sei. „Seit wann funktionieren Webcams nur in frisch sanierten Räumen?“ Kämmerer Matthias Kleinschmidt verwies auf „erhebliche Probleme“ im Ratssaal, etwa mit Licht und Akustik. „Deshalb raten wir dazu, es zu schieben“, sagte der Beigeordnete. Trotzdem werde man „nicht zu den Letzten“ gehören, die Live-Streams einführen wollten.
Grüne aus Witten: Persönlichkeitsrechte müssen genau geklärt werden
Birgit Legel-Wood von den Grünen mahnte, bis 2023 müssten Fragen etwa zu den Persönlichkeitsrechten genau ausgearbeitet werden. CDU-Fraktionschef Volker Pompetzki sagte, seine Fraktion stehe den Plänen ab 2023 sehr wohlwollend gegenüber“. Live-Übertragungen im Netz seien „wirklich zeitgemäß“, die Bürger hätten einen Anspruch auf Teilnahme. „Die Technik muss aber stimmen und alles Rechtliche geklärt werden“, sagte der Unionspolitiker. Sonst werde man den Antrag ablehnen.
In einem Änderungsantrag schlagen die Piraten nun vor, das Datum 2023 ganz rauszunehmen. „Wir wollen die Übertragungen so schnell wie möglich“, sagte Stefan Borggraefe am Montag auf Anfrage. Gerade wegen der Pandemie sei eine Kontaktreduzierung so wichtig. Das zeige allein die Ratssitzung an diesem Dienstag. „Menschen, die die Sitzung gerne verfolgen würden, etwa auch die Unterzeichner der Parkplatzpetition für die Uni, müssen sich jetzt entscheiden, ob sie an der Sitzung gar nicht teilnehmen oder sich in Gefahr begeben.“