Witten. Der Wittener Unternehmer Wilfried Neuhaus-Galladé tritt in Kürze als Kammer-Präsident ab. Wir sprachen mit ihm über große Herausforderungen.
Im März 2017 ist Wilfried Neuhaus-Galladé zum Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet gewählt worden. Der Wittener Unternehmer folgte in diesem Ehrenamt auf den Bochumer Brauerei-Chef Jürgen Fiege. Anfang des neuen Jahres, nach fünf Jahren, will der jetzt 64-Jährige als IHK-Präsident Platz für Jüngere machen. Ein Gespräch mit dem Chef des Hevener Traditionsunternehmens J.D.Neuhaus über seine Firma, die Pandemie und die Herausforderungen, vor die Corona die Wirtschaft in der Region stellt.
Sie konnten im vergangenen Jahr auf eine 275-jährige Firmengeschichte zurückblicken. Sie sind Weltmarktführer bei der Produktion von hydraulischen und pneumatischen Hebezeugen und Krananlagen und exportieren in die ganze Welt. Welche Folgen hat Corona für Ihr Unternehmen?
Wilfried Neuhaus-Galladé (WNG): Unser Unternehmen hat wie viele andere vor allem im vergangenen Jahr unter der Corona-Situation leiden müssen. Ausbleibende Aufträge führten dazu, dass wir unsere Produktion gerade im Sommer 2020 zeitweise an zwei Tagen pro Woche schließen mussten. Die Kurzarbeit wurde in dieser Phase in unserem Unternehmen genutzt. Das Jahr schlossen wir dann mit einem Umsatzverlust im Vergleich zum Vorjahr von zirka 25 Prozent ab. In dieser schwierigen Situation haben wir keine Mitarbeiter entlassen, da uns klar war, dass wir jeden in der Zukunft benötigen werden. In diesem Jahr konnten wir die Kurzarbeit ab Mai beenden, da sich für unsere Produkte eine gute Nachfrage ab dem zweiten Quartal entwickelt hat. Wir sind im Moment gut ausgelastet.
Wittener Unternehmer rechnet für 2022 mit Problemen bei den Materialzulieferungen
Was erhoffen Sie sich wirtschaftlich für das neue Jahr?
WNG: Wir hoffen, dass sich unsere Situation weiter verbessert. Wir stellen aber eine gehörige weltweite Unsicherheit unserer Kunden ob der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung fest. Da wir unsere Vorprodukte im Wesentlichen in Deutschland und umliegenden europäischen Ländern einkaufen, hat uns die Materialverknappung bisher noch nicht in einem hohen Maße erreicht. Wohl aber deftige Preiserhöhungen für die verschiedenen Einkaufsmaterialien. Im neuen Jahr werden wir wie viele andere Unternehmen gehörige Probleme mit den Materialzulieferungen bekommen.
Die Frage an den IHK-Präsidenten: Welche Risiken birgt eine so lange Pandemie für Firmen, von der man nicht weiß, wann sie enden wird?
WNG: Natürlich sind der Einzelhandel, die Gastronomie und das Veranstaltungs- und Hotelwesen leider sehr stark betroffen. Auch die Frage der Rückzahlung von Corona-Hilfsgeldern belastet die Unternehmen. Eigentlich kann aber keine Branche weitgehend normal arbeiten, weil auch in nicht von Schließungen betroffenen Branchen, wie dem produzierenden Gewerbe, immer wieder neue Herausforderungen kommen – etwa Lieferengpässe oder immer wieder notwendige Anpassungen im Hygienekonzept.
Der Chef hofft, dass sich ungeimpfte Kolleginnen und Kollegen noch impfen lassen
Was halten Sie von der 3G-Regel am Arbeitsplatz, die seit dem 24. November gilt?
WNG: Wir haben in unserem Unternehmen schon seit dem Beginn der Pandemie gemeinsam mit unserem Betriebsrat umfangreiche Hygienepläne erarbeitet und umgesetzt. So bitten wir unsere Mitarbeiter seit vielen Monaten vor dem Eintritt in das Unternehmen um die Messung der Körpertemperatur. Wir sind glücklich, dass wir schon sehr frühzeitig das Angebot zur Impfung der Belegschaft von der Qualitätsgemeinschaft der Wittener Ärzte bekommen haben. Dadurch sind etwa 90 Prozent unserer Beschäftigten geimpft. Allen Mitarbeitern übergeben wir seit vielen Monaten zwei Selbsttests pro Woche. Ich hoffe im Sinne unserer Betriebsgemeinschaft, dass unsere ungeimpften Kolleginnen und Kollegen sich impfen lassen.
Sie treten - nach fünf Jahren - 2022 nicht erneut zur Wahl des IHK-Präsidenten an. Was freut Sie, wenn Sie an die Region denken?
WNG: Ich nehme für mich mit, dass unsere Region weiterhin auf einem tollen Weg des Wandels ist. Einen Beleg dafür sehe ich zum Beispiel beim ehemaligen Opelgelände in Bochum. Vor sieben Jahren wurde dort der letzte Opel Zafira produziert. Seit dem Ende der Automobilproduktion entsteht dort ein hochmoderner Industrie-, Gewerbe- und Technologiepark. Er wird bald mehr Arbeitsplätze bieten als die Automobilproduktion in ihren letzten Jahren an diesem Standort.
Ich bin gerne der Präsident unserer IHK Mittleres Ruhrgebiet. Da ich meine Präsidentschaft von Anfang an für eine Amtszeit geplant habe, freue ich mich nun, das Amt im Februar nächsten Jahres an meinen Nachfolger, meine Nachfolgerin übergeben zu dürfen. Die Mitglieder unserer IHK haben gerade die neue IHK-Vollversammlung, das Parlament der heimischen Wirtschaft, gewählt. Im Rahmen ihrer konstituierenden Sitzung im Februar wird dann aus der Mitte der neugewählten Vollversammlung ein neues IHK-Präsidium und die neue IHK-Präsidentin oder der IHK-Präsident gewählt.
Gitta Neuhaus-Galladé (26) soll sich künftig um Mitarbeiter kümmern
Sie sind seit 276 Jahren ein Wittener Familienunternehmen. Sie sind 64 Jahre, haben eine Tochter und zwei Söhne. Kommt eines Ihrer Kinder zu Ihnen in die Firma?
Neuwahl im Februar
Am 14. Februar wird der neue Präsident, die neue Präsidentin der IHK Mittleres Ruhrgebiet gewählt. Die Industrie- und Handelskammer hat über 30.000 Mitgliedsunternehmen aus den Städten Witten, Hattingen, Bochum und Herne. Zu den Aufgaben der IHK gehört die Förderung der gewerblichen Wirtschaft sowie die Wahrnehmung der Interessen der Gewerbetreibenden aus der Region, die Regelung der kaufmännischen und regionalen Berufsausbildung, außerdem die Durchführung von Abschlussprüfungen nach Aus-, Fort- und Weiterbildungen.
WNG: Ja, Anfang des neuen Jahres wird unsere Tochter Gitta, sie ist 26, in das Unternehmen eintreten, nachdem Sie nach ihrem Studium einige Jahre in anderen Unternehmen Erfahrungen sammeln konnte. Sie hat bei Porsche und BMW gearbeitet, über zwei Jahre auch in der Software-Branche. Sie soll sich bei uns um das Thema Nachhaltigkeit kümmern. Das ist für mich ein Herzensthema. Außerdem wird sie für das Personal-Management zuständig sein. Sie wird Schulungen organisieren, die betriebliche Weiterbildung ist für uns ein großes Thema. Wir möchten Mitarbeiter fördern, damit sie in unserem Unternehmen den nächsten Karriere-Schritt machen können.
Spüren auch Sie den Fachkräftemangel?
Neue Fachkräfte zu finden, das ist für uns ein Riesenthema. In diesem Jahr haben wir händeringend Azubis gesucht und konnten nicht jede Stelle besetzen. Mitarbeiter aus der Babyboomer-Generation sind bei uns eine tragende Säule. Das sind Menschen mit viel beruflicher Erfahrung, die aber in den nächsten sechs bis sieben Jahren in den Ruhestand gehen werden. Das Thema betrifft nicht nur uns. Darauf muss sich jedes Unternehmen einstellen.
Neuhaus-Galladé: „Es gibt die Familie und es gibt das Unternehmen“
Wie lange möchten Sie noch selbst das Familienunternehmen steuern?
WNG: Ich freue mich darauf, gemeinsam mit unseren Mitarbeitern und der achten Neuhaus-Familien-Generation unsere spannende Vision umzusetzen: „Wir helfen Menschen, Lasten in einer digitalisierten, nachhaltigen Welt zu bewegen.“ Ich werde dann für mich selber feststellen, wann ich gehen sollte. Meine Tochter hat sich auf ihre Position in der Firma beworben. So etwas entscheide ich nicht alleine, es gibt bei uns einen dreiköpfigen Beirat. Sie ist nicht genommen worden, weil sie meine Tochter ist. Das wird bei uns getrennt: Es gibt die Familie und es gibt das Unternehmen. Beim Thema Nachfolge geht es ums Wollen und Können!