Witten. Segensverbot für Schwule, der Umgang mit dem Missbrauch – auch in Witten verzweifeln immer mehr Menschen an ihrer Kirche. Jetzt reden Pfarrer.
In den katholischen Gemeinden brodelt es. Der Umgang mit den Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln und das Verbot des Vatikans, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, sorgen vor Ort für Unverständnis und sogar Wut, berichten Pfarrer. Sie selbst empfinden ähnlich.
Paaren, die in „gleichgeschlechtlicher Verbundenheit“ leben wollen, sei mit derselben Hochachtung und Herzlichkeit zu begegnen wie Menschen in heterosexuellen Beziehungen, heißt es in einer Stellungnahme, die Holger Schmitz (49), Pfarrer des Bistums Essen in Herbede, mit dem Schwelmer Stadtdechanten Norbert Dudek und Hattinger Pfarrer Andreas Lamm verfasst hat. Sie berufen sich auf Bischof Overbeck, der sich für eine ethische und theologische Neubewertung von Homosexualität ausspreche. Dazu gehöre es, liturgische Formen zu finden, die „am Beginn eines solchen gemeinsamen Weges stehen“.
„Wo Menschen sich lieben, finden wir Möglichkeiten, Wege des Segens zu gehen“, sagt Andreas Lamm von St. Peter und Paul in Hattingen. Dies gelte auch für Geschiedene und Wiederverheiratete. Natürlich werden sich die Pfarrer nicht über das Kirchenrecht hinwegsetzen. „Trotzdem können wir Freiräume für eine Segensfeier nutzen“, sagt Pastor Holger Schmitz. Die Segnung von Schwulen wäre eine Premiere in der katholischen Kirche in Herbede.
„Pastoraler Raum“ in Witten: Aufarbeitung von Missbrauchsfällen darf sich nicht auf Gutachten beschränken
Vertreter der anderen katholischen Gemeinden in Witten, die zum Erzbistum Paderborn gehören, erinnern neben dem Segensverbot an die Missbrauchsfälle und deren Aufarbeitung. „In den vergangenen Tagen haben wir als Seelsorger eine Reihe intensiver Gespräche mit Menschen geführt, die trotz ihrer Verbundenheit mit der Kirche nach und nach an ihr verzweifeln“, erklärt Pfarrer Friedrich Barkey, der den „Pastoralen Raum“ und dessen Team vertritt „Wir empfinden ähnlich und vieles macht uns rat- und sprachlos.“
Kirche dürfe keine Angst vor Veränderung haben, beruft sich Barkey auf den Papst. Die sexuelle Gewalt müsse weiter aufgearbeitet werden. Sie dürfe sich nicht auf juristische Gutachten beschränken. Ursachen müssten benannt und verändert werden. Viele Bistümer, „auch wir in Paderborn“, seien auf einem ehrlichen und guten Weg. „Das macht Hoffnung.“
Pfarrer Barkey aus Witten: „Liebe ist niemals Sünde“
Barkey zitiert auch den Bischof von Essen, die Lehre der Kirche benötige dringend eine erweiterte Sichtweise auf die menschliche Sexualität. „Dass Rom die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren und aller Beziehungen außerhalb der katholischen Ehe mit mittelalterlichen Argumenten ablehnt, zeigt die Entfremdung von der Lebenswirklichkeit. Liebe ist niemals Sünde und ein Segen ist immer die Zusage Gottes zur Liebe“, so der Pfarrer aus St. Marien. Deutschlandweit hätten schon mehr als 2000 Seelsorger gegen den Brief der Glaubenskongregation protestiert. Barkey: „Das macht Mut.“