Witten. Szenen aus der Passionsgeschichte haben drei Frauen in der Johanniskirche in Witten aufgebaut – mit viel Mühe und ganz besonderen Figuren.

Eine kleine Ecke rechts vom Eingang der Johanniskirche in Witten haben drei Frauen aus der Gemeinde vorösterlich gestaltet. Weil Gottesdienste in diesen Zeiten zwar umso wichtiger wären, aber trotzdem nicht stattfinden sollen, wollten sie den Gläubigen eine Alternative bieten – einfach zum Anschauen oder um ein stilles Gebet davor zu sprechen. Zu sehen sind Szenen der Passionsgeschichte, dargestellt mit biblischen Erzählfiguren, die sie selbst gemacht haben.

Nett sehen sie aus, die Püppchen auf dem mit Tüchern, Steinen und Pflanzen dekorierten Tisch. Doch halt, diesen Ausdruck kann auch nur ein Laie verwenden. „Puppe darf man dazu auf keinen Fall sagen“, stellt Anni Malms (86) umgehend klar. „Das sind Egli-Figuren und sie kommen ursprünglich aus der Schweiz“, erklärt die ehemalige Pastorin der Johannisgemeinde, die 1997 pensioniert wurde und die Gestaltung der Figuren zu ihrem „Rentnerhobby“ erkoren hat.

Wittener Pastorin: Rund acht Stunden Arbeit stecken in jeder einzelnen Figur

Einen Boom hätten die Egli-Figuren übrigens nach der Maueröffnung erlebt. „Als dann in Ostdeutschland christlicher Religionsunterricht stattfand, haben sie häufig als pädagogisches Anschauungsmaterial gedient“, weiß Anni Malms.

Rund acht Stunden Arbeit stecken in jeder einzelnen Figur. Sie sind etwa 30 Zentimeter groß und haben kein Gesicht. Dennoch besitzt jede ihren eigenen Charakter. „Man kann ihnen selbst einen bestimmten Ausdruck verleihen, indem man das Material, eine Art feines Styropor, entsprechend modelliert“, so Malms. Alles, woraus die Figuren bestehen, gebe es nur bei speziellen Firmen – so auch die Bleifüße, die der Standfestigkeit dienen, oder den Sisalkörper, in dem sich innen Draht befindet.

Küsterin Blazenka Weber-Lorenz (li.) und Anni Malms (r.), ehemalige Pastorin der Johannisgemeinde, haben gemeinsam mit Barbara Kruse diese Abendmahl-Szene gestaltet. Auch die Figuren sind selbst gemacht.
Küsterin Blazenka Weber-Lorenz (li.) und Anni Malms (r.), ehemalige Pastorin der Johannisgemeinde, haben gemeinsam mit Barbara Kruse diese Abendmahl-Szene gestaltet. Auch die Figuren sind selbst gemacht. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Weil die Figuren beweglich sind, kann man sie in jede erdenkliche Position bringen. „Wir haben beim Aufbau der Szenen lange rumprobiert und selbst Modell gestanden, bis alles in der richtigen Position war“, erinnert sich Blazenka Weber-Lorenz (60) an so manche lustige Verrenkung dabei. Sie ist Küsterin, Hausmeisterin und Gemeindeschwester und fertigt ebenfalls Egli-Figuren. Die dritte im Bunde ist Barbara Kruse, ebenfalls Gemeindeschwester, außerdem Diakonisse und Erzieherin.

Vom Abendmahl bis zur Kreuzigung

Mit 17 Figuren hat das Trio mehrere Szenen der Passion, also den Leidensweg Jesu, dargestellt. Es beginnt mit dem Abendmahl. Dann folgt die Nacht im Garten Gethsemane, wo Jesus die Jünger in Todesangst anfleht, bei ihm zu bleiben. Doch während seine Freunde schlafen, naht bereits die Gefahr in Form zweier Soldaten. Im Vordergrund kniet Jesus tief gebeugt an einen Felsen – allein. „Wir wollten vermitteln, wie verlassen er ist“, sagt Anni Malms. Die zentrale Szene zeigt Jesus unterwegs mit dem Kreuz. Zuletzt folgt das Karfreitagsbild: Maria und Johannes, wie sie vor dem Kreuz stehen. Doch daran hängt keine Figur. „Das war uns zu kitschig.“

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Öffnungszeiten der Johanniskirche

Die Johanniskirche ist derzeit immer donnerstags und sonntags von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Ab Gründonnerstag (1.4.) bis Ostermontag wird sie dann an allen fünf Tagen von 10 bis 12 Uhr geöffnet sein.So können Gläubige auch ohne Gottesdienst die Kirche besuchen und ein stilles Gebet sprechen. In der Regel sind aber auch Seelsorger bei Bedarf als Ansprechpartner vor Ort.

Platz für die gesamte Geschichte haben sie in der Johanniskirche nicht. Deshalb bleiben diese Szenen nur bis Karfreitag stehen. Dann bauen die drei Frauen wieder alles um und erzählen die Ostergeschichte natürlich weiter. Sie tun es für die Gemeindemitglieder, denen die Gottesdienste so sehr fehlen. An den Tagen, an denen die Johanniskirche zumindest mal zwei Stunden geöffnet ist, kämen bis zu 30 Menschen, sagt Blazenka Weber-Lorenz. Dann seien auch zwei bis drei Seelsorger vor Ort. Denn Gesprächsbedarf gebe es immer. „Viele Ältere fühlen sich gerade sehr einsam.“ Vielleicht, sagt sie, finden sie sich in den Szenen der Passion wieder.

Zur Weihnachtszeit haben die Frauen die Figuren ebenfalls schon oft genutzt. Denn natürlich gibt es auch Ochs und Esel. Alles ist möglich. Anni Malms: „Sie können Engel oder Teufel erschaffen.“