Witten. Sollen die Impfzentrum für die Booster-Impfungen wieder hochgefahren werden? Kreis und Ärzteschaft sehen das sehr unterschiedlich.

Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn hat angesichts steigender Infektionszahlen eine Wiedereröffnung der Impfzentren ins Gespräch gebracht. So sollen möglichst viele Bürger möglichst schnell ihre Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus erhalten. Das Land NRW lehnt dies bislang ab. In Witten und dem Kreis gehen die Meinungen dazu auseinander.

„Richtig ist, dass die Auffrischungsimpfungen, was die Dynamik angeht, einen Schubs gebrauchen könnten“, sagt Michael Schäfer, Leiter des Krisenstabs im EN-Kreis. Die Impfzentren wieder einzubinden, könnte daher aus seiner Sicht sinnvoll sein. Vor allem, wenn es darum gehe, der Bevölkerung ein zeitnahes Angebot machen zu können. Allerdings, so Schäfer, bräuchte es dafür eine Vorgabe vom Land.

EN-Kreis könnte Impfzentrum schnell reaktivieren

Sollte es soweit kommen, wäre der Kreis dafür gut aufgestellt. Denn der Mietvertrag für den ehemaligen Aldi-Markt, in dem das stillgelegte Impfzentrum in Ennepetal untergebracht war, läuft noch bis Ende Mai. „Wir könnten es kurzfristig wieder reaktivieren“, sagt Schäfer. Aktuell arbeiten in dem Gebäude die Mitarbeiter der neuen Covid-Impfeinheit, die das Zentrum mehr oder weniger abgelöst haben und das Impf- und Infektionsgeschehen im Kreis im Auge behalten sollen.

Der Krisenstabsleiter könnte sich gut vorstellen, mit dem Impfzentrum bei den Booster-Impfungen zu unterstützen. „Es ist eine kontroverse Diskussion, ob die niedergelassenen Ärzte das hinbekommen“, sagt der 61-Jährige. Denn Haus-, Fach- und Kinderärzte haben mit dem Aus der Impfzentren Ende September das Impfen federführend übernommen. Der Krisenstab bekomme diesbezüglich unterschiedliche Rückmeldungen, nicht immer würde das Impfen reibungslos ablaufen.

ÄQW-Geschäftsführer: Wittener Praxen könnten mehr impfen

Ganz anders sieht das Dr. Arne Meinshausen, einer von drei Geschäftsführern der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten (ÄQW). Er spricht sich klar gegen eine Wiedereröffnung der Impfzentren aus, fordert die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) sogar auf, dies zu verhindern. „Es sind im Bereich der Hausarzt- und Facharztpraxen genügend Impfkapazitäten vorhanden, um alle notwendigen Impfungen kurzfristig durchzuführen“, versichert der Allgemeinmediziner.

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Eine Umfrage unter den Mitgliedern der ÄQW, zu der 90 Prozent der Wittener Haus- und Facharztpraxen gehören, habe sogar ergeben, dass die vorhandenen Impf-Kapazitäten im Moment nur sehr gering ausgelastet seien – trotz geschlossener Impfzentren. Im Herbeder Rathaus der Medizin etwa würden aktuell nur 20 Prozent der zu Hochzeiten notwendigen Impfmengen nachgefragt.

Viele über 70-Jährige in Witten sollen bereits die dritte Impfung erhalten haben

Viele über 70-Jährige seien entweder bereits drittgeimpft oder hätten schon einen Impftermin erhalten, so Meinshausen. Man sehe einer möglichen Freigabe der Booster-Impfung für alle Personen über 18 Jahre „entspannt“ entgegen, da auch die Auffrischungsimpfungen ja gestaffelt erfolgen werden.

Diese Zuversicht gelte aber nicht für alle Ärzte und andere Städte des Kreises, betont Krisenstabschef Schäfer. Ablesbar ist das zum Teil auch am Impfbus, der laut Schäfer weiterhin sehr gut angenommen werde. Dort lassen sich derzeit zwischen 80 und 120 Personen pro Halt immunisieren. Die Mitarbeiter vor Ort hätten erst kürzlich eine Abfrage unter den Impflingen gemacht, warum sie sich für den Pieks im Bus entschieden haben. „Und da haben wir öfter gehört, dass die Menschen entweder keinen Hausarzt haben oder entweder keinen oder erst sehr spät einen Termin bekommen hätten“, berichtet Schäfer.

Stiko empfiehlt Booster-Impfung für alle Ü70

Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Booster-Impfung derzeit nur für Menschen über 70 Jahre. Doch laut Bundesgesundheitsministerium können sich grundsätzlich alle Bürgerinnen und Bürger über 12 Jahre eine Auffrischungsimpfung geben lassen und haben Anspruch auf eine Übernahme der anfallenden Kosten. Mit „Skepsis und Sorge“ beobachtet der Krisenstab das derzeitige Infektionsgeschehen. „Wir sind mitten in der vierten Welle, das ist deutlich erkennbar“, so Schäfer. Binnen einer Woche ist die Ansteckungsrate, die Inzidenz, von 48,9 (26.10.) auf nun 81,4 (2.11.) gestiegen. „Die Entwicklung geht rapide nach oben.“ Daher hat der Kreis den Schulen auch empfohlen, auch weiterhin auf das Tragen einer Maske im Unterricht zu setzten, obwohl das vom Land nicht mehr vorgegeben wird.