Witten. Händler klagen über massive Lieferengpässe in der Radbranche. Auch Wittener müssen bis zu anderthalb Jahre auf ihre Ware warten. Daran liegt es.

Endlich meldet eine Branche entgegen dem Trend und trotz der Pandemie eine hohe Kundennachfrage. „Der Boom, den Analysten der Fahrradbranche im Herbst 2019 voraussagten, ist tatsächlich eingetreten und wurde sogar noch von der Pandemie befeuert“, erzählt Thorsten Ebenfeld von Ebis Fahrradservice. Als Grund vermutet er die lange geschlossenen Fitnessstudios. „Viele wollten sich daraufhin als Alternative ein Fahrrad kaufen, um sich in der Natur zu bewegen.“

Wittener Fahrradhändlern fehlt es auch an Ersatzteilen

Praktisch alle Fahrrad-Ersatzteile werden in Asien produziert und an Fahrrad-Hersteller weltweit verschifft. Das Problem: „Wegen Corona wurden viele dieser Produktionsfirmen in Asien zeitweise geschlossen, europäischen Herstellern fehlen durch die Problematik Teile für die Produktion“, berichtet Ebenfeld, „und die Transportkosten pro Container haben sich in etwa verzehnfacht.“

Auch Schaltwerke sind schwer zu bekommen. Das Shimano-Werk in Malaysia ist seit Wochen geschlossen
Auch Schaltwerke sind schwer zu bekommen. Das Shimano-Werk in Malaysia ist seit Wochen geschlossen © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Die Folgen spüren auch die Wittener: „Viele Kunden bekommen zur Zeit weder ihre bestellten Fahrräder und E-Bikes pünktlich ausgeliefert, noch laufen die Fahrradreparaturen problemlos.“ Denn auch den kleinen Fahrradservice-Betrieben fehlten die Ersatzteile: „Insbesondere an Verschleißteilen wie Bremsen, Zahnkränzen und Ketten mangelt es.“ Betroffen seien dabei übrigens alle Fabrikate und Produktkategorien.

Fahrräder wurden nach anderthalb Jahren geliefert

„Ich muss deshalb ständig Kunden vertrösten“, erzählt der 46-Jährige, „ich versuche immer, eine gute Alternative anzubieten.“ Zumindest hätten seine Kunden bis auf wenige Ausnahmen Verständnis für die Situation. „Manche beschweren sich aber auch, dass Teile, Räder oder E-Bikes im Internet erhältlich seien – da ist nämlich leider oft erst nach dem Kauf sichtbar, dass die genauso wenig liefern können wie der stationäre Handel.“

Diese Lieferengpässe habe mittlerweile absurde Maße angenommen: „Ich habe zum Beispiel im März 2020 Fahrräder bestellt, die sechs Monate später geliefert werden sollten – sie kamen gestern mit einem Jahr Verspätung an.“ Aber es geht noch schlimmer: „Bestelle ich heute ein nicht so gängiges Zahnkränze-Modell, wird mir als Liefertermin Herbst 2023 angezeigt!“ Die erhöhte Nachfrage bei verknapptem Angebot und stark erhöhten Transportkosten per Container, hat zudem zu einer Preissteigerung beim Endverbraucher geführt.

Preise für Räder sind deutlich erhöht worden

„Bei einem durchschnittlichen E-Bike zu 2800 Euro liegt die Preiserhöhung aktuell bei 250 Euro, bei Fahrrädern um die 800 Euro muss man ungefähr hundert Euro drauf rechnen.“ Fahrrad- und E-Bike-Hersteller sagten, dass sich die Situation ab März 2023 wieder entspannen würde – verlassen wolle er sich aber nicht darauf, sagt Ebenfeld. Die jetzige Situation schaffe derweil bereits einschneidende Veränderungen für ihn persönlich: „Aufgrund dieser nicht planbaren Lieferungen benötigen wir mehr Platz, um Ersatzteile, Fahrräder und E-Bikes lagern zu können, wenn sie denn mal geliefert werden, deshalb ziehen wir nun mit dem Laden um.“

Entspannung kommt erst 2023

Analysten der Branche hatten vor dem Boom bereits im Herbst 2019 gewarnt, Lieferengpässe bestehen seit dem Frühjahr 2020. Hersteller vermuten, dass sich die Situation ab 2023 entspannt.Ebis Fahrradservice befindet sich derzeit noch auf der Hauptstraße 30 und zieht demnächst zur Hauptstraße 48 um. Das Geschäft Fahrrad Fielicke liegt an der Ardeystraße 38.

Auf die jetzige Situation habe er sich zwar vorausschauend vorbereiten wollen, das habe aber nicht funktioniert. „Ich habe im Herbst 2019 auf den Rat des Einkaufsverbands gehört und weit über meinen Bedarf hinaus geordert, ich habe aber nicht mal unseren Bedarf geliefert bekommen.“

Werk in Malaysia seit zwei Wochen geschlossen

Auch Uwe Fielicke, Inhaber von Fahrrad Fielicke, hat 2019 auf die Empfehlungen des Einkaufsverbands gehört und ordentlich über seinen Bedarf hinaus geordert – mit demselben Ergebnis wie Thorsten Ebenfeld. Plausible Gründe für die Verknappung am Markt sind auch Fielicke zu Ohren gekommen: „Ich habe gehört, dass in Asien viele Häfen nicht angelaufen werden dürfen, wenn nicht alle Besatzungsmitglieder geimpft sind, dazu ist seit mehr als zwei Wochen das Shimano-Werk in Malaysia geschlossen“, erzählt der 64-Jährige.

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Beide Wittener hoffen nun auf baldige, bedarfsdeckende Lieferungen – damit könnte dann der Boom der Branche endlich zu einer wirklich guten Nachricht werden.