Witten. Anwohner auf dem Sonnenschein in Witten wehren sich weiterhin gegen ein geplantes Neubaugebiet. Warum sie jetzt die Politiker eingeladen haben.

Seit mittlerweile drei Jahren stemmt sich eine Gruppe Anwohner auf dem Sonnenschein in Witten gegen ein geplantes Neubaugebiet in ihrer direkten Nachbarschaft. Zwischen Zaunkönigweg und Hauptfriedhof würde ein Investor gerne bis zu 60 Häuser errichten. In der nächsten Woche diskutiert der Ausschuss für Stadtentwicklung über mögliche neue Wohnbauflächen – auch über das 3,5 Hektar große Grundstück auf dem Sonnenschein.

„Es gibt aus unserer Sicht hier viele Konfliktpotenziale“, sagt Birgit Sommersdorf von der Bürgerinitiative „Pro Sonnenschein“. Es geht vor allem um die Verkehrsanbindung des Neubaugebiets und Klimaschutz-Aspekte, die die Initiative ins Feld führt. „Dieses Grundstück hat eine absolute Insellage“, so die 57-Jährige. „Keiner macht sich bei der Planung Gedanken, wie es hier vor Ort wirklich ist.“

Anwohner: Feld in Witten ist eine Frischluftschneise für die Innenstadt

Zudem sei das Feld eine Frischluftschneise für die Innenstadt. „Alle reden über den Klimawandel. Und hier soll eine große Fläche versiegelt werden“, fasst Sommersdorf die Bedenken der Anwohner zusammen. Zudem sorge man sich vor möglichen Überschwemmungen bei Starkregen.

Daher haben die Anwohner alle Ratsfraktionen angeschrieben und laden sie dazu ein, sich – aufgrund der aktuellen Corona-Lage – einzeln vor Ort ein Bild zu machen. „Denn über ein Gebiet zu sprechen, das auf einem Blatt Papier eingezeichnet ist, ist die eine Sache. Aber zu sehen, wie es vor Ort ist, eine andere“.

Bislang führt keine Straße zum möglichen Neubaugebiet

Das in Frage kommende Bauland, bisher als Ackerfläche genutzt, liegt bislang nicht an einer Straße. Die beiden möglichen Zubringerstraßen, der Zaunkönigweg aus südlicher und der Drosselweg aus westlicher Richtung, führen beide auf den letzten Metern nur noch als schmale Fußgängerwege zu der Fläche. Die Verlängerung des Drosselwegs kreuzt zudem den Rheinischen Esel.

Ganz schön eng ist es jetzt schon auf der Straße am Sonnenschein in Witten. Seit einiger Zeit gilt dort auf einem Abschnitt Tempo 10. Anwohner fürchten einen Kollaps der Straße, wenn darüber ein weiteres Wohnbaugebiet erschlossen werden sollte.
Ganz schön eng ist es jetzt schon auf der Straße am Sonnenschein in Witten. Seit einiger Zeit gilt dort auf einem Abschnitt Tempo 10. Anwohner fürchten einen Kollaps der Straße, wenn darüber ein weiteres Wohnbaugebiet erschlossen werden sollte. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Würde der künftige zusätzliche Verkehr über diese Straßen fließen, würde das auch deutlich mehr Autos auf der Straße Sonnenschein bedeuten, fürchten die Anwohner. „Wer sagt, der Sonnenschein könne mehr Verkehr aufnehmen, der war nie hier, wenn sich hier zwei Fahrzeuge gegenüberstehen“, sagt Birgit Sommersdorf, die seit zwölf Jahren im Zaunkönigweg lebt.

Verkehrsgutachter sieht keine Probleme

Zu anderen Ergebnissen kommt ein Verkehrsgutachten des möglichen Investores Bonava, das die Stadt zur Klärung in Auftrag gegeben hatte. Demnach sei eine Erschließung über den Zaunkönigweg (und ergänzend den Drosselweg) „verträglich“, sagt Planungsamtsleiter Sebastian Paulsberg. Das hat man den Anwohnern auch auf einer Informationsveranstaltung im Juni 2019 mitgeteilt. Sie wünschen sich trotzdem eine neue Straße von der Pferdebachstraße kommend.

Bauplanung hat formal noch nicht begonnen

Noch gibt es keinen Aufstellungsbeschluss für ein Bauleitverfahren auf dem Sonnenschein – nur erste Bebauungskonzepte. Das Verfahren zur Bebauung hat also formal noch gar nicht begonnen, es gibt lediglich Vorüberlegungen. Bislang gibt es laut Planungsamt auch noch keine Analyse der klimatischen Bedeutung des Grundstücks. Eine detaillierte Bewertung sei Gegenstand eines Bauleitplanverfahrens – das aber eben noch nicht läuft. Die Stadt entwickle aber gerade ein Klimafolgenanpassungskonzept. In diesem werde auch das Gebiet um den Zaunkönigweg betrachtet.

Diese Möglichkeit sei bisher nicht detailliert untersucht worden, sagt Paulsberg. „Grundsätzlich wirft sie aber ebenfalls planerische Fragen auf, unter anderem, da die angedachte Erschließung in weiten Teilen durch den Freiraum führen würde, zwischen Kleingartenanlage und Friedhof.“

Planungen für das Grundstück ruhen seit Sommer 2019

Seit Sommer 2019 würden die konkreten Planungen für das Neubaugebiet am Zaunkönigweg ohnehin ruhen, so der Amtsleiter – auch, um „zunächst eine Gesamtstrategie für die Wohnbaulandentwicklung in Witten vorzubereiten“. Wichtiger Teil davon ist die sogenannte „Wohnbauflächenpotenzialanalyse“. Sie hat das gesamte Stadtgebiet systematisch auf geeignete Flächen für neue Wohngebiete untersucht.

„Im Rahmen dieser Untersuchung wurde auch die Fläche östlich des Zaunkönigwegs weiterhin als geeignet eingestuft“, sagt Paulsberg. Das 30.000 Quadratmeter große Grundstück ist eine von 18 Flächen, die die Stadt mit Priorität, also vorrangig, entwickeln möchte. Eine politische Diskussion dazu sei in den nächsten Wochen geplant. Die Anwohner auf dem Sonnenschein hoffen, dass sie bis dahin noch den ein oder anderen Politiker von ihrer Sicht der Dinge überzeugen können. „Denn wir wollen ja nicht einfach unseren Willen durchsetzen“, sagt Birgit Sommersdorf. „Wir haben gute, nachvollziehbare Gründe.“

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