Witten. Wittens Vorgärten sollen wieder grün werden: Wer neu baut, kann künftig keinen Steingarten mehr anlegen. Auch Stellplätze werden eingeschränkt.

Ein Haufen Kiesel, gepflasterte Stellflächen für Autos, Mülltonnen und Fahrräder und vereinzelt ein Lavendel oder Bambusstrauch: Dieses pflegeleichte Vorgartenmodell soll aussterben. Witten verbietet Stein- und Schottergärten, deren ökologischer Wert bekanntlich gen null tendiert. Die umweltfreundliche Gestaltung von Vorgärten wird in Bebauungsplänen zukünftig festgesetzt.

Damit folgt Witten der im Sommer 2021 in Kraft getretenen Landesbauordnung, nach der nicht überbaute Flächen zu begrünen und wasseraufnahmefähig zu gestalten sind. Der Wittener Stadtrat schloss sich nun einem Antrag von Grünen und SPD an – der anderen Wittener Politikern zu weit geht.

Schwemme an Anfragen zu bienenfreundlicher Bepflanzung

Schottergärten bieten Insekten, Vögeln oder Reptilien kaum Nahrung oder einen Unterschlupf. Im Sommer heizt sich der Schotter stark auf, nachts kühlt er nur langsam wieder ab. Es gibt keine Pflanzen, die den Staub filtern, Wasser kann nur schwer versickern und der Lärm der vorbeifahrenden Autos wird durch den Schotter verstärkt. Wie problematisch Schottergärten sind, ist bekannt, dennoch finden sich immer mehr Steingärten in Witten, vor allem in Neubaugebieten. Ein beispielhafter Blick ins Mausegatt in Rüdinghausen zeigt: In dieser Steinwüste hätte keine Maus Spaß. Doch Steingärten gelten nun mal als pflegeleicht und modern.

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Der Zeitgeist aber wandele sich. „Die ökologische Aufwertung auch kleinster Flächen ist vielen Bürgern ein Herzensanliegen“, weiß Ralf Schulz, fachpolitischer Sprecher für Umweltschutz bei den Wittener Grünen, und NaWit-Mitglied. „Der ehrenamtliche Naturschutz wird in Witten mit Anfragen zu bienen- oder insektenfreundlichen Bepflanzung von Rasenflächen, Gärten oder auch nur Balkonkästen geradezu überschwemmt.“ Immer häufiger hörten die Ehrenamtlichen auch Klagen, dass zugepflasterte Nachbargrundstücke die Überhitzung der eigenen Scholle befördern. „Es beeinträchtigt unser Lebensgefühl, wenn die Wohngegend in der Asphalthitze bullert“, formuliert es Schulz.

Rasengittersteine vorgeschrieben

Braucht es eine „Vorgartenpolizei“?

Warum werden Schottergärten nicht generell verboten? Auch andere Städte in NRW legen ein Verbot nur für Neubauten, als Bestandteil des Baugenehmigungsverfahrens, fest. Der Grund: Es ist schwierig zu überprüfen, ob ein Vorgarten tatsächlich begrünt ist. Gängige Praxis ist, dass Neubauten – sobald fertiggestellt – abgenommen werden, damit Eigentümer oder Mieter möglichst schnell einziehen können. Werden dagegen bereits bestehende Freiflächen neu gestaltet, bekommt die Bauaufsicht nicht einmal Wind davon. Eigentümer müssen es der Stadt nicht anzeigen. Um zu erfahren, dass jemand Verbotenes tut, bedürfe es streng genommen einer „Vorgartenpolizei“ oder aufmerksamer Nachbarn. Auch dann müssten Verstöße verfolgt und sanktioniert werden.

Bereits im Januar 2020 hatte die Politik das Thema auf dem Schirm. Damals ließen SPD, Grüne und CDU die Verwaltung eine „Begrünungsvorschrift in Bebauungsplänen“ formulieren, angepasst an die Vorgaben der Landesbauordnung. Die Wittener Ratsentscheidung geht aber über ein Verbot von Schottergärten hinaus. Denn darin wird auch „die Einrichtung von Lager‐ und Stellplatzflächen auf eine minimale Fläche begrenzt sowie die Verwendung von ökologisch vertretbaren Materialien (z.B. Rasengittersteinen)“ vorgeschrieben. Vorgärten seien „vollflächig mit Vegetation zu begrünen und dauerhaft zu erhalten. Befestigte Flächen sind nur für die erforderlichen Zufahrten/Stellplätze, Zuwege und Müllstandplätze zulässig“. Fahrradabstellboxen werden im Einzelfall zugelassen, wenn sie nachweislich nur im Vorgartenbereich untergebracht werden können.

Die CDU wollte einer „so engen Auslegung der Landesbauordnung“ nicht folgen. „Wir hätten uns kein striktes Verbot gewünscht, sondern einen Antrag mit Lenkungswirkung“, so CDU-Fraktionschef Volker Pompetzki. Eine Spielfläche im Vorgarten ist jetzt kaum noch umsetzbar. Versiegelte Flächen hätte man mit einer zusätzlichen Abwassergebühr belegen können.