Bochum-Wattenscheid. Die Alzheimergesellschaft und das Pflegebüro Wattenscheid der Caritas starten Rundfahrten mit der Rikscha. Senioren werden zu Hause abgeholt.

Dieses Gefährt vermittelt ein bisschen Flair von Urlaub oder Kurpromenade. Knallrot kommt die Fahrrad-Rikscha daher, mit der sich Senioren nun zu den ausgesuchten Ecken in Wattenscheid „kutschieren“ lassen können, ganz ohne Kurtaxe. Zwei Fahrgäste haben bequem Platz auf dem Akku-unterstützten Dreirad, das die Alzheimer-Gesellschaft für das Projekt „Freude im Alltag – Mit der Rikscha mobil in Wattenscheid“ auf Rundtour schickt.

Möglich gemacht hat das der Verfügungsfonds der Sozialen Stadt, der damit dem Begriff „WAT bewegen“ zusätzlichen Schwung gibt. Allerdings hat dann die Pandemie auch hier die Planung gehörig durcheinander gewirbelt, denn eigentlich sollte die Fahrrad-Rikscha schon seit gut einem Jahr in Wattenscheid unterwegs sein. Der „Fahrradboom“, den Corona auslöste, hat die Lieferliste auf dem Sektor enorm verlängert.

Jutta Meder, Alzheimer-Gesellschaft: „Eine ganz tolle Erfahrung“.
Jutta Meder, Alzheimer-Gesellschaft: „Eine ganz tolle Erfahrung“. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Immerhin, über das Stadtteilbüro wurden die Anschaffungskosten finanziert und ist die Miete für ein Jahr für die Garage gesichert. „Für die Zeit danach wird noch ein Unterstellplatz gesucht“, schildert Johannes Bielawa vom Seniorenbüro der Caritas (Kontakt und Info: johannes.bielawa@caritas-bochum.de oder info@wat-bewegen.de).

Garage und „Piloten“ in Bochum werden noch gesucht

Gesucht werden außerdem noch „Piloten“, wie Trainer Ralf Grigo lächelnd unterstreicht. Nein, Flugschein braucht es nicht hinter dem Lenker, und übermäßig trainiert sein müssen die Waden auch nicht, der Akku gibt Unterstützung. Allerdings bekommen die Piloten schon eine eigene Einweisung auf ihre künftigen Fahrgäste.

„Sie müssen schon wissen, was sie erwartet, wenn sie Gäste mit Demenz fahren“, erklärt Jutta Meder von der Alzheimer Gesellschaft, „sie sollen die Hemmungen verlieren und Sicherheit bekommen“. Das strahlende Lächeln, das sie bei vielen Demenzkranken nach einer solchen Rundfahrt zu oft altbekannten Stellen in ihrem Stadtteil erlebt hat, mache alles wett.

„Und das Lächeln bei den Angehörigen“, erzählt sie begeistert von den Erfahrungen aus anderen Bezirken, „diese Freude überträgt sich ganz schnell auch auf unsere Helfer“.

Gerade in Wattenscheid zu den Menschen kommen

Johannes Bielawa vom Seniorenbüro der Caritas in Wattenscheid vermittelt bei den Rikscha-Fahrten.
Johannes Bielawa vom Seniorenbüro der Caritas in Wattenscheid vermittelt bei den Rikscha-Fahrten. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Wir sind mit dem Rikscha-Angebot vor allem von dem überkommenen, geradezu elitären Denken weg, die Patienten und die betroffenen Angehörigen müssten zu ihren Beratern, zu uns kommen. Andersherum funktioniert das viel besser“, beschreibt sie.

Gerade in Wattenscheid müssten die Menschen buchstäblich von zu Hause abgeholt werden. So entsteht dann auch der Kontakt zu den Fallberatern der Stadt Bochum, wenn das nötig ist, „statt die Menschen zu den Stellen herumzuschicken“.

Stadtteil-Verfügungsfonds

„Wattenscheid ist zu den Veranstaltungen, Workshops und Festen zurückgekehrt, nachdem vieles nur online stattfinden konnte“, freut sich Daniela Schaefers vom Stadtteilbüro. Der Verfügungsfonds hat allein in jüngster Zeit einiges gefördert: den sagenhaften Spaziergang und die Gertruden-Schoki der Eine-Welt-Gruppe, die WAT-Kulturnacht, die Airtrack-Matte für Watt’n Zirkus, die WAT-Gesundheitswochen.Außerdem Workshops „Wir mischen uns WAT ein“, wie etwa Graffiti an Stromkästen oder für Taschen, oder das Begegnungsfest des Vereins Ronak auf dem Centrumplatz für den interkulturellen Dialog.Aktuell sind ein Spieletreff für Alt und Jung, Tauschpartys und der Aufbau einer Nachbarschaftshilfe sowie eine Reihe „60 Jahre Bond-Filme“ des Bond-Clubs WAT in Arbeit.

Jutta Meder hatte zunächst gar nicht gedacht, dass die Alzheimer Gesellschaft Bochum auch noch einen Ableger in Wattenscheid übernehmen könnte, „wir hatten ja nur ein paar Leute“.

„Dan gab es aber immer wieder Anfragen aus Wattenscheid. Wir wussten wirklich nicht, ob wir das stemmen könnten. Und jetzt sind das tatsächlich schon 26 Jahre allein bei mir“, meint sie lächelnd. Was dafür spricht, dass der Bedarf unbedingt da ist.

Erfahrung aus einer Urlaubsfahrt

Den Anstoß für das Rikscha-Projekt gab die Erfahrung aus einer Urlaubsfahrt, die für Interessierte mit einem an Demenz erkrankten Partner organisiert werden. „Ich hätte nie geglaubt, was so eine gemeinsame Fahrt mit der Fahrrad-Rikscha mit den Menschen machen kann“, erzählt Meder immer noch völlig verblüfft. „Da haben wir uns gedacht: Das brauchen wir hier auch, gerade in Wattenscheid, und haben den Projektantrag für den Stadtteil-Verfügungsfonds gestellt.“

Mehr bei der Alzheimer Gesellschaft unter 0234 / 337772 und im Seniorenbüro Wattenscheid, Propst-Hellmich-Promenade 29, 02327 / 946126.

Für die „ersten Runden“ der künftigen „Piloten“ hat Trainer Ralf Grigo auch einige Toruen parat: „Hier gibt’s schöne Strecken, so über fünf Kilometer, über eine halbe oder ganze Stunde.“