Neviges. Ob Discofox oder Walzer: Einmal im Monat gibt‘s kein Halten im großen Saal des Restaurants. Danach ist auch Entertainer Gabriel zwei Tage lang groggy.

Ada bringt es auf den Punkt: „50 Frauen und drei Männer. Und alle haben Spaß“. Ada ist 82 und heilfroh, dass ihre neue Hüfte alles so gut mitmacht. Wo sie doch schon „seit mindestens 20 Jahren“ herkommt und ausgerechnet heute nicht beim Friseur war. Den kann man mal ausfallen lassen, aber nicht den Tanztee in Velberts „Haus Sondermann“. Einmal im Monat ist die Traditionsgaststätte an der Siebeneicker Straße Treffpunkt für Paare, Singles, Cliquen. Alleinstehende Männer sind zwar seltene Exemplare, was den Spaß aber nicht im Geringsten schmälert. „Betreutes Tanzen, betreutes Kegeln, wir machen alles zusammen“, meint Hetti. Da sich beim Tanztee alle duzen, werden auf Wunsch der Gäste auch hier im Text nur die Vornamen genannt.

Lesen Sie auch

Haben jede Menge Spaß: Maritta im roten Glitzerdress und Freundin Renate, Spenderin der Sektrunde.
Haben jede Menge Spaß: Maritta im roten Glitzerdress und Freundin Renate, Spenderin der Sektrunde. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Hetti, 77, stärkt sich erst einmal mit einem Grillteller für alles, was da heute noch kommen mag. Sie könnte sich auch in jeder Disco sehen lassen: Leo-Pulli mit Snoopy auf der Brust, farblich passende Federn als Ohrringe und wer sagt eigentlich, dass man in bronzefarbenen Boots – „die sind total bequem“ – nicht abzappeln kann? Für das Tanzvergnügen im Haus Sondermann kommt Margret, die zur Clique gehört, mit Bus und Bahn extra aus Essen-Steele. „Das Alter ist doch nur eine Zahl“, meint ihre Freundin Hanne (87), die sich jedes Mal auf den letzten Donnerstag im Monat freut: „Man kommt mal wieder vor die Tür.“

Beste Stimmung in Velberts Haus Sondermann

Gut gelaunt im Takt: Heidi und Achim machen auf dem Parkett eine gute Figur.
Gut gelaunt im Takt: Heidi und Achim machen auf dem Parkett eine gute Figur. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Man schon, aber Mann eher nicht, wie Ulrike wieder mal feststellt: „Wenn die Männer erst mal alleine sind, bleiben die nur auf dem Sofa hocken.“ Was für ihren Ferdinand nicht gilt, aber der ist ja auch nicht mehr alleine: „Wir haben uns vor einiger Zeit wieder getroffen, er war damals mein erster Freund, da war ich 14.“ Spätes Glück, jetzt schweben die Zwei, er mit 83 Jahren und sie mit 80, formvollendet beim langsamen Walzer übers Parkett. „Ich komme schon ewig her, die Musik ist einfach gut, für jeden etwas.“ Die Zwei sind nicht das einzige Paar an diesem großen runden Tisch, an dem so viel gelacht wird: „Werner, biste krank? Nimm mal den Schal ab, ohne siehst du NOCH noch besser aus“, frotzelt Ulrike und Werner gehorcht aufs Wort, grinst vergnügt und schaut erst einmal in die Speisekarte: „Zander mit kleinem Beilagensalat. Und du?“, fragt er seine Tischdame zur Rechten, sieht ihr dabei liebevoll in die Augen.

Bruni und Werner tanzen ins Glück

Immer am letzen Donnerstag

Tanzte im Haus Sondermann, Siebeneicker Straße 310, ist immer am letzten Donnerstag im Monat. Ab sofort lauten die neuen Zeiten von 13 bis 16 Uhr.

Vorher ist Mittagessen ab 12 Uhr möglich. Mehr auf www.haus-sondermann.com

Denn für Werner (79) und Bruni (79) ist seit November alles anders. Seit jenem Nachmittag im Haus Sondermann, „da hab ich ihn beim Auseinandertanzen mal so ein bisschen angefasst“, erinnert sich Bruni vergnügt, zupft an dem Ärmel ihres perlenbestickten Pullis und strahlt vor Glück. Und das neidet den beiden niemand, auch nicht Irmgard, Christa und Ingrid, alle aus dem Sauerländischen Gebirgsverein, die mit der jetzt vergebenen Bruni schon lange zum Tanztee kommen. Und an jenem Tag allesamt das Nachsehen hatten. „Ich hatte vorher ja alle aufgefordert“, weiß Werner noch, doch Bruni machte das Rennen. „Ja, und wir waren dabei!“, ruft Irmgard. Von Missgunst oder Neid keine Spur, die Freundinnen, die sich erstmal Waffeln mit heißen Kirschen und Sahne schmecken lassen, freuen sich einfach mit. Christa, muntere 80, weiß noch, mit welchem Gefühl sie vor vielen Jahren das erste Mal den Tanztee verließ: „Ich war so gerührt, dass ältere Leute so einen Spaß haben können. Das hat mich so bewegt, ich hätte heulen können.“

Abrocken ist keine Frage des Alters: Gerd (91) und Dora (88) legen los.
Abrocken ist keine Frage des Alters: Gerd (91) und Dora (88) legen los. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

So, Punkt 14 Uhr, es wird ernst, Musiker Gabriel, im Flyer angekündigt als „Live-DJ“, haut in die Tasten seines Keyboards. „Tanz mit mir, ein schönes Stück zum Auftakt“, ruft Gabriel, der weiß, dass die Herrschaften besser langsam ins Vergnügen starten. Genau das richtige für Ursula und Karl-Heinz, denn „die wilde Zeit mit Tanz up de Deel, die ist vorbei. Ich muss ja jetzt ein bisschen auf sie aufpassen“, meint der 85-Jährige, hat doch seine Frau manchmal ein bisschen Kreislaufprobleme. „Wir brauchen Körperkontakt“, so Karl-Heinz launig, beide kommen schon ewig her: „Ich wüsste nicht, wo man das sonst machen kann“. Aufeinander aufpassen, das tun auch die Freundinnen Christa und Angelika. „Ich bin ja fast blind, hab nur vier Prozent Sehkraft“, erzählt Christa (81), „An Männern fehlt es, wenn keiner kommt, dann tanzen wir eben zusammen.“

Männer sind hier Mangelware

Kein Mann in Sicht? Dann tanzen Frauen eben miteinander.
Kein Mann in Sicht? Dann tanzen Frauen eben miteinander. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Eines der seltenen männlichen Exemplare sitzt ein wenig einsam an einem der langen Tische, denn während sich die meisten hier kennen, schaut Rolf nur ab und zu vorbei. „Ich fahre auch schon mal nach Düsseldorf, aber nicht jetzt im Winter. Und früher in das Schwarzwaldhaus im Neandertal, aber das gibt's ja nicht mehr.“ Ein Blick in den Saal, „wird eine anstrengende Angelegenheit“, meint Rolf verschmitzt mit Blick auf den weiblichen Überschuss, und schiebt enttäuscht hinterher, „aber alle wohl über 60“. Tja, keine Wunschkandidatin dabei für den 77-Jährigen. Rolf ist daher auch längst verschwunden, als alle begeistert schunkelnd das „Wuppertal-Lied“ schmettern.

Auch Musiker Gabriel gibt alles

Aber vorher wird es nochmal romantisch, „Sag mir quando, sag mir wann?“ – da beweisen Dora (88) und Gerd (91) einmal mehr, dass Tanzen wunderbar jung hält. „Wir haben uns hier kennengelernt, da hab ich Glück gehabt“, meint Dora selig, während Maritta in ihrem funkelnden knallroten Paillettenpullover die Pause für einen Schluck Sekt nutzt. Ein Hoch auf Geburtstagskind Renate. „Wir sind beide solo“, meint 80-Jährige vergnügt, auf der Tanzfläche sind jetzt alle außer Rand und Band. „Warum hast du nicht nein gesagt?“: Gabriel am Keyboard gibt alles, Hetti ist einmal mehr froh über ihre bequemen Boots. Und wenn der DJ am Ende genauso glücklich und ein bisschen erschöpft ist wie die Gäste, dann ist die Party gut gewesen. „Hiernach muss ich mich erstmal zwei Tage ausruhen. Die sind alle so wahnsinnig gut drauf, aber es ist schon anstrengend, bin ja auch nicht mehr der Jüngste.“ Sagt Gabriel, 78.