Velbert-Neviges. Die Geschichte um die Schlammteiche des Kalksteinbruchs ist lang. Und ein Bach, der hier entspringt, müsste eigentlich ganz anders heißen.
Wo sich heute der Rundwanderweg und das ehemalige Sedimentationsbecken zwischen Velbert und Tönisheide befindet, war einst ein kleines idyllisches Tal mit Bauernhöfen und Kotten. Die verschwanden aber ab etwa 1940 in einem riesigen Schlammteich.
Hinter einem Damm pumpten die Wülfrather Kalksteinwerke mit Sand und Lehm versetztes Wasser, das bei der Reinigung der gebrochenen Kalksteine anfiel. Im Laufe der Jahrzehnte setzten sich die Sedimente ab und aus dem kleinen Tal entstand eine Ebene. Nach Ende der Einspülungen 2001 wurde das Gelände naturnah wieder hergerichtet. Aus dem Wildgehege des Neandertals stammend, sorgen Auerochsen und Tarpane jetzt hier für eine natürliche Biotopfläche. Ein wesentlicher Teil des Konzeptes war die Wiederherstellung des Eignerbachs.
Der Eignerbach in Velbert trägt einen falschen Namen
Der müsste aber eigentlich „Angerbach“ heißen. Denn vor neun Jahren wiesen Friedhelm Kopshoff, Jürgen Scheidsteger und der 2021 verstorbene August Wilhelm Rees in ihrem Buch „Das Obere Angertal“ nach, dass es sich bei dem Bachlauf um die Anger handelt. Das Gewässer fließt südlich an Heiligenhaus vorbei, durch Ratingen und Angermund, um sich bei Duisburg-Angerhausen in den Rhein zu ergießen.
Die Autoren stellten anhand von historischen Karten und anderen Quellen überzeugend dar, dass es sich um die Anger handeln muss. Das Trio recherchierte ein bedeutungsloses Bächlein namens Eigner Bach, das nie wirklich bekannt war, aber nach 1940 mit dem Bau des Klärteiches bei den Kalkwerken in den Schrift- und Sprachgebrauch kam. In Wülfrath ist die Sache klar: Die Anger entspringt in der Innenstadt, speist den Krappsteich am Angergarten und plätschert Richtung Westen.
Eine Bronzetafel skizziert den Weg des Gewässers von Wülfrath zum Rhein. Dabei gibt es auch Karten, die dort einen „Mühlenbach“ verzeichnen. Das ist durchaus plausibel, weil dort eine Mühle stand. Die Buchautoren sind sich sicher, dass die historische Anger unweit des Fliether-Hochhauses entspringt. Bei dem Quellgebiet „In den Fliethen“ handelt es sich um eine Senke zwischen Burgstraße und Mettmanner Straße. Eine der Quelle versteckt sich in dem Haus „Unterste Flieth“: In einem felsigen Schacht im Keller sammelt sich klares Wasser, das über ein Rohr in einen Teich fließt, neben dem sich eine weitere Quelle befindet.
In unmittelbarer Nähe ist übrigens das Haus, in dessen Anbau einst die „Wönnemannsche Schmiede stand“, die im Deutschen Schloss- und Beschlägemuseum die Anfänge der Schlossindustrie darstellt. „Die Quelle im Keller macht keine Probleme“, versichern die Bewohner des ungefähr 250 Jahren alten Hauses „Hausmann“. Der aus dem Quellgebiet entstandene Angerbach nahm den Heiderbach und den Hohdahlbach aus Tönisheide auf und floss auf Rohdenhaus zu.
Wird der Eignerbach nun umfirmiert?
Der weitere Verlauf war immer unstrittig die Anger oder der Angerbach. Aufgrund dieser Erkenntnisse, dass die Quelle der Anger tatsächlich in Velbert liegt, hatte vor drei Jahren der Velberter Rat auf Initiative der SPD beschlossen, den Kreis Mettmann aufzufordern, die Bezeichnung „Eignerbach“ durch den historisch und hydrologisch korrekten Namen zu ersetzen.
Landrat Thomas Hendele würdigt in seiner Stellungnahme die „herausragende ortsgeschichtliche Arbeit“ und bezeichnet den Quellaustritt auf Velberter Gebiet als besonderen historischen Ankerpunkt. Nach den aktuellen Recherchen der Kreisverwaltung taucht der „Eigner Bach“ bereits 1933 auf einer Karte des Kreisvermessungsamtes auf, womit die Bezeichnung seit 91 Jahren besteht und ortsgeschichtlich Bedeutung erlangte. Der Landrat spricht sich gegen eine Namensänderung aus.
Er begründet dies mit der Tatsache, dass der heutige Bach nicht mehr in dem historischen Gewässerbett fließt. Eine Namensänderung hält er für aussichtslos, weil in Wülfrath die ortsgeschichtliche Bedeutung der Anger und seiner Quelle im Ortszentrum mit einer hohen Sensibilität verbunden ist. Der Velberter Rat schloss sich der Entscheidung des Landrates an und beauftragte die Stadtverwaltung, mit den Autoren Kontakt aufzunehmen, um eine historische Würdigung der Angerquelle zu finden. „Das war‘s, die Angergeschichte ist für Herrn Kopshoff und mich beendet“, reagierte Jürgen Scheidsteger enttäuscht, dem es nicht gelang, bei den Entscheidungsträgern ein Geschichtsbewusstsein für 2000 Jahre Anger in Velbert zu wecken.