Mit Sternchen: Lann Hornscheidt aus Velbert sucht aktiv nach Möglichkeiten unsere Sprache weniger diskriminierend zu gestalten – und findet diese.
Velbert. Die einen sprechen vom Wahnsinn, während andere es als unverzichtbar sehen: die Rede ist vom Gendern in der alltäglichen Sprache. Lann Hornscheidt, geboren in Velbert veröffentlichte mit Ja’n Sammla vor einigen Monaten das Handbuch „Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht?“, und gibt Tipps, wie man mit der eigenen Sprache Diskriminierung bekämpfen kann.
„Einfach ,nur‘ mit unserer Sprache, kann jeder Mensch aktiv institutionelle Diskriminierung minimieren“, beschreibt Hornscheidt den zentralen Ansatz der Forschung über gendersensible Sprache. Gendersensible Sprache?„Eine Gruppe von fünf Chirurgen betritt den Operationssaal.“ Liest man diesen Satz und stellt sich die Szene vor, so sehen die meisten fünf Männer in weißen Kitteln vor ihrem inneren Auge. Dass mit Chirurgen häufig auch Menschen gemeint sind, die nicht männlich sind, wird oft übersehen.
Alle Geschlechter einbeziehen
Gendersensible Sprache möchte dieses Problem aufgreifen und alle Geschlechter ins Sprechen und Schreiben mit einbeziehen. Die Möglichkeiten des Genderns sind vielseitig und reichen vom Sternchen über den Doppelpunkt, bis hin zur gesprochenen Pause.
Sprache als Handlung
„Wie wir sprechen, bestimmt, wie wir wahrnehmen“, erklärt Lann Hornscheidt und meint damit, dass unsere Sprache die Macht besitzt die Vorstellung von Realität zu verändern. „Das macht vielen Menschen, die ihre Sprache unbewusst verwenden, große Angst“, fährt Hornscheidt fort. Sprache ist für uns einfach so da. Dass dieses erlernte Konstrukt nun diskriminieren soll, verstärkt die allgemeine Verunsicherung. „2018 wurde die Kategorie divers gesetzlich als dritte Personenstandskategorie neben weiblich und männlich eingeführt. Es gibt jedoch keine Vorgabe, wie diverse Menschen sprachlich benannt werden können“, erklärt Hornscheidt.
Diverse fühlen sich ausgeschlossen
Menschen, die sich als divers bezeichnen, fühlen sich emotional oder medizinisch der weiblichen oder männlichen Kategorie nicht zugehörig. Dass die Ansprache „Sehr geehrte Damen und Herren“ oder auch die Benutzung der Pronomen „sie“ und „er“ unpassend sind, liegt da auf der Hand. Möchte ich mit meinem eigenen Sprechen und Schreiben alle Geschlechter ansprechen, so gibt es drei Möglichkeiten: „Zunächst die genderfreie Endung -ens, die sich aus dem Mittelteil des Wortes Mensch ableitet“, erklärt Lann Hornscheidt. Aus Leserin oder Leser wird somit „Lesens“.
Lann Hornscheidt
Lann Hornscheidt wurde 1965 als Antje Hornscheidt in Velbert geboren und beschäftigt sich schreibend, vortragend, verlegerisch und forschend damit, wie Sprache respektvoller verwendet werden kann.Neben der kürzlich erschienen Publikation „Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht?“, veröffentlichte Lann Hornscheidt 2019 „Exit Gender“. Auf der Website lannhornscheidt.com finden sich weitere Informationen
„Bekannter ist die genderinklusive Benutzung mit Sternchen oder Doppelpunkt – also Leser:in“ Bei der dritten Möglichkeit benennt man die Diskriminierung. Statt Frauenwitze spricht man dann von sexistischen Witzen.
Inspirationen geben
Mit diesem Leitfaden möchte Hornscheidt nicht feste Richtlinien aufstellen, sondern Menschen Inspirationen dafür geben, wie sie ihr Sprechen und Schreiben selbst aktiv und diskriminierungssensibel gestalten können. „Es wirkt für viele sicherlich anstrengend, doch lässt sich mit einem veränderten Sprechen vermeiden, dass Menschen diskriminiert werden – und das hat eine Wirkung weit über die Sprache hinaus“, betont Hornscheidt.
Gender Studies
Lann Hornscheidt hatte bis 2016 eine Professur für Gender Studies und Sprachanalyse an der Humboldt-Universität Berlin. Die Forschung polarisiert – so sehr, dass Hornscheidt eine eigene Mail-Adresse für Hass-Nachrichten einrichtete. „Ich schrieb auf meiner Website, wer mich beleidigen möchte oder mir Gewalt androhen will, schreibt mir bitte an diese speziell für Gewaltnachrichten eingerichtete Adresse. So bemerkten viele erst, dass hier ein echter Mensch sitzt und die gewaltvollen Nachrichten ließen nach“, erinnert sich Hornscheidt.
„Es hat sich viel geändert“
Trotz des Hasses, den manche Menschen diesem Thema entgegenbringen, ist Hornscheidt optimistisch: „In den vergangenen zehn Jahren hat sich mehr zur Akzeptanz von Gendervielfalt geändert, als ich mir vorher hätte vorstellen können, und ich weigere mich an den patriarchalen Strukturen zu verbittern.“ Mit der Forschung zu einer Sprache, die alle Menschen wahrnimmt, inspiriert Lann Hornscheidt: „Alle, die sich mit dem Thema beschäftigen finden eine individuelle Lösung und begreifen, dass es gar nicht so egal ist wie wir sprechen.“