Velbert. Ukrainische Geflüchtete und ihre Velberter Helfer verbringen den Sonntagnachmittag zusammen. Für einige beginnt nun schon bald die Schule.
Kinder wuseln zwischen den Stühlen herum, während eine merkwürdige Mischung aus Deutsch, Ukrainisch und Russisch durch den Raum flattert. Kaffeetassen klirren und draußen, in der Frühlingssonne, stehen ein paar Leute und rauchen. Es wirkt alles recht heiter an diesem Sonntagnachmittag, aber weil Stimmungslagen selten von Kollektiven ausgedrückt werden, lohnt der Blick in die Gesichter der einzelnen Geflüchteten, die die Integrationshilfe Langenberg (IHLA) an diesem Sonntag mit ihren Paten für ein Kennenlernen in den Langenberger Deilbachsaal geladen hatte.
Dreistellige Zahl an Besuchern im Velberter Saal
Erst dort offenbart sich wirklich, wie es den Menschen geht: Da ist die junge Frau mit den blonden Haaren, die leuchten wie Weizenfelder, unter deren Augen schwere Halbmonde hängen; da ist eine andere Frau, die jeden umarmt, der sie passiert; da ist eine dritte Frau, die sich Tränen von den Wangen wischt, als gerade niemand hinzusehen scheint. Doch trotz all der Trauer, all der Wut, all der ungreifbaren Gefühle, entsteht hier im Laufe des Nachmittags doch der Eindruck, dass der Austausch für die Geflüchteten unendlich wichtig ist. Deshalb, vermutlich, sind sie so zahlreich erschienen. „Ich bin überwältigt“, wird der IHLA-Vorsitzende Gero Sinha später sagen, und: „Ich habe vielleicht mit 70 Leuten gerechnet, doch wir waren hier heute sicherlich dreistellig.“
Am Anfang steht der Coronatest
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Aber alles der Reihe nach: Es ist ungefähr halb zwei, als die ersten Menschen am Deilbachsaal ankommen. Bevor sie eintreten dürfen, wartet der Coronatest. Als der abgeschlossen ist, eine Stunde später etwa, geht es los: Das IHLA-Team erzählt kurz von den vergangenen Tagen, von den Anstrengungen und Geschichten, die dieser historische Winter schreibt, und von den Formalia, die nun auf alle warten würden.
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Wie immer, unermüdlich, übersetzt Aleksandra Brill. Wie viel Kraft sie, die vom Krieg persönlich betroffen ist, dieser Tage aufbringt, ist bemerkenswert; das gilt aber im Prinzip für alle: Sinha steht jeden Tag um fünf Uhr morgens auf, um seinen Job und die Arbeit mit den Geflüchteten zusammenzubringen; Juan Gregori und seine Frau Claudia arbeiten Tag und Nacht an Unterbringung, Sozialhilfe und allen anderen Problemen, die irgendwie auftauchen.
Der Alltag muss irgendwie weitergehen
Und dann sind da noch die zahlreichen anderen Ehrenamtler sowie die Paten, Privatleute, die sich in den vergangenen Tagen der Ukrainer angenommen haben: Bei ihnen – mit ihnen – leben sie, essen, schlafen, weinen, während für sie der Alltag irgendwie weitergehen muss. Nach ein paar Minuten geht der erfreulichere Teil der Veranstaltung los: Es gibt Kaffee und Kuchen, Worte erfüllen den Raum, immer wieder auch Gelächter, einen Akkordeonspieler hat jemand aufgetrieben. Irgendwoher hat die IHLA sogar noch ein paar Kleinigkeiten für die geflüchteten Kinder organisiert: T-Shirts und Bücher, mit großen Zeichnungen und in einer Sprache, die sie nicht verstehen, die sie aber schnell lernen müssen.
Ein Einleben in Lichtgeschwindigkeit
Für einige der Kleinen beginnt in dieser Woche die Schule. Es ist ein Einleben in Lichtgeschwindigkeit, in einer Realität, die die meisten wohl kaum vollumfänglich begriffen haben, falls das überhaupt möglich ist. Erst später, als die trügerische Fröhlichkeit des Gewirrs aus Sprachen und Banalitäten längst vorbei ist, wird klar, warum die Monde unter den Augen der jungen Frau mit den Weizenhaaren hängen: Kürzlich wurde einer ihrer Freunde erschossen – er war Zivilist. Hatte anderen Zivilisten bei der Flucht geholfen.
>>>Eigene Wohnung
Möglichst schnell sollen die Geflüchteten in eigene Wohnungen ziehen. Dafür laufen gerade Vorbereitungen.
Wer die IHLA mit Spenden unterstützen möchte, findet dazu Informationen auf ihrer Webseite: ihla-verein.de