Sprockhövel. Grüne hatte sich zu Freibadkriminalität und weiblicher Freizügigkeit in den sozialen Medien geäußert. Da rastete der Berufskraftfahrer aus.

Aufgebrachte Stimmung im Hattinger Amtsgericht. Laut und aggressiv ging es zu zwischen Richter Johannes Kimmeskamp, dem Angeklagten und dessen Verteidiger. Grund der lautstarken Auseinandersetzung: Ein Facebook-Eintrag des 60-Jährigen, weil er sich über eine Äußerung der grünen Landtagsabgeordneten Fadime Tuncer geärgert hat. „Geh putzen“ hatte er gepostet und wurde deswegen von der Politikerin angezeigt.

Ausgangspunkt war Facebook-Beitrag eines AfD-Politikers

Der Berufskraftfahrer hatte gerade eine Pause und stöberte auf Facebook, als er auf den Beitrag eines AfD-Politikers stieß, der sich auf eine Rede der Abgeordneten bezog. Die grüne Politikerin hatte sich zur Freibadkriminalität geäußert und behauptet, dass Belästigungen eher von „deutschen, weißen Männern“ kommen als von Migranten. Außerdem seien Frauen selbst schuld, wenn sie einen Bikini tragen und dann angemacht werden.

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Er habe selbst eine Tochter und habe sich über die Äußerung geärgert. Sein Eintrag habe sich auf die Meinung der Politikerin bezogen und nicht auf die Person, erklärte er. Im Gerichtssaal wurde ein Video gezeigt, das offensichtlich ein AfD-Politiker ins Netz gestellt hat. Darin ist die Rede der Abgeordneten zu sehen. Die Frage drehte sich darum, ob der Sprockhöveler mit seinem Eintrag „Geh putzen“ die Politikerin beleidigt hat oder nicht. „Nein, das ist sachbezogen und natürlich keine Beleidigung“, stellte der Anwalt fest. Wenn das eine Beleidigung sei, würde man ja einen ganzen Beruf diskriminieren.

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Einem Putzjob nachzugehen, sei genauso wichtig und wertvoll, wie der Beruf eines Anwalts. All‘ diese Menschen würde ja arbeiten. Sein Mandant habe nur sagen wollen, sie solle mit einer solchen Meinung nicht im Landtag sitzen. Genau das sei eine Beleidigung, fand der Richter. Es fänden sich unter dem Beitrag noch andere Einträge, las Kimmeskamp vor. Jemand hätte geschrieben: „So etwas gab es in meiner Jugend nicht.“ Das sei eine sachbezogene Meinung und somit in Ordnung.

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Der Anwalt wies darauf hin, dass die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast vor Jahren behauptet hatte, Sex mit Kindern sei in Ordnung, solange keine Gewalt im Spiel sei. Daraufhin ergoss sich ein Shitstorm über sie mit übelsten Beschimpfungen. „Das Berliner Gericht hat festgestellt, dass sich Politiker Kritik gefallen lassen müssen“, betonte der Verteidiger. Selbst die Äußerung „pädophile Trulla“ und „gehirnamputiert“ habe das Gericht nicht als Beleidigung angesehen, sondern als sachbezogen. Das sei ja noch eine andere Größenordnung als zu schreiben „Geh putzen“.

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Das sah die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer nicht so. Sie hielt den Vorwurf der Beleidigung für fundiert und erklärte, dass sich der Angeklagte der Beleidigung schuldig gemacht habe. „Es ist eine frauenverachtende Äußerung gegenüber einer Abgeordneten“, sagte sie und forderte eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 40 Euro, also eine Gesamtstrafe von 2800 Euro.

Anwalt: Politiker sollten mit Kritik umgehen können

Der Anwalt war gänzlich anderer Meinung. Es sei sicherlich eine „barsche Formulierung“, aber sein Mandant habe sie ja nicht einer Privatperson gegenüber geäußert, sondern einer Politikerin. Und Politiker müssten mit Kritik umgehen können. Der Eintrag des Angeklagten sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Er habe ja nicht zum Beispiel in Fäkalsprache erklärt, Frau Tuncer ist eine….. Sein Eintrag sei absolut sachbezogen. Auch der 60-Jährige erklärte in seinem Schlusswort noch einmal, er habe nicht die Politikerin persönlich gemeint, sondern ihre Aussage.

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Richter Kimmeskamp schloss sich allerdings der Auffassung der Staatsanwaltschaft an und verhängte eine Geldstrfe von 2800 Euro. In seiner Urteilserklärung sagte der Richter: „Hätte der Angeklagte erklärt, sie solle mal im Freibad putzen gehen und dann selbst sehen, was da abgeht, wäre das keine Beleidigung gewesen.“ So aber sei der Eintrag abwertend und gegen die Person gerichtet. Gegen das Urteil kann beim Landgericht Berufung eingelegt werden.