Sprockhövel. Mediziner schlagen Alarm: Immer mehr Menschen sind durch Corona psychisch angeschlagen – ein Sprockhöveler Therapeut hat einen Patienten-Stopp.
Psychische Erkrankungen haben laut des ärztlichen Psychotherapeuten David Usadel während der Corona-Pandemie überproportional zugenommen. Aktuell könne er aus Kapazitätsgründen gar keine neuen Patienten aufnehmen.
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„Im Gegensatz zu früher habe ich ungefähr 30 Prozent mehr Patientenanfragen, anstatt vier beträgt die Wartezeit nun eher acht Monate.“ Betroffene sind in der Regel zeitnah auf Hilfe angewiesen, doch die Wartelisten sind auch bei vielen anderen Psychologen und Psychotherapeuten derzeit lang.
Zu wenig Therapieplätze für zu viele Betroffene
„Es gibt in Deutschland einfach zu wenig Therapieplätze für zu viele Betroffene“, erklärt der Sprockhöveler. Dabei sei die Psychotherapie, verglichen mit einer rein medikamentösen Behandlung, erfahrungsgemäß oft nachhaltiger. „Die Medikamente können aber ein Segen sein, um Betroffenen bis zum Therapiebeginn zu helfen.“
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Die Probleme seiner Patienten seien vielfältig und ein Zusammenhang mit der Pandemie häufig erkennbar: „Viele Menschen haben zur Zeit partnerschaftliche und familiäre Probleme, da sie durch Homeoffice, Kurzarbeit und Lockdown aufeinander hockten und Ausweichmöglichkeiten weitgehend fehlten“, berichtet Usadel.
Einige hätten auch Probleme damit, sich selbst zu strukturieren, zu disziplinieren. „Ich weiß von Fällen, die seit Monaten im Schlafanzug leben.“ Frauen setzten sich oftmals selbst immens unter Druck und erlitten ein Erschöpfungssyndrom.
Mehr Depressionen, Angst- und Essstörungen
Die meisten seiner Patienten kämpften jedoch mit Depressionen und Angststörungen, berichtet Usadel. „Auch Existenz- und Gesundheitsängste lassen sich häufig auf Zustände, die durch die Pandemie ausgelöst wurden, zurückführen.“ Angststörungen begünstigten wiederum Suchterkrankungen.
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„Durch den Wegfall der meisten Halt gebenden Strukturen wie Sport und soziale Kontakte ist allgemein davon auszugehen, dass Corona psychische Störungen wie Depressionen, Angst- und Essstörungen verstärkt hat, auch bedenklicher Medienkonsum hat zugenommen“, sagt auch Dr. Jan Dieris-Hirche, Oberarzt in der Ambulanz der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LWL-Universitätsklinikum Bochum.
Aufgrund der erhöhten Nachfrage hat die LWL-Universitätsklinik Hamm das ambulante und stationäre Angebot im Bereich Essstörungen für Kinder und Jugendliche kürzlich ausgebaut, in der Bochumer Klinik gibt es im Behandlungsbereich Internet-Pornosucht seit kurzem erstmals Wartezeiten. „Und seit drei Monaten sehen wir vermehrt Personen mit Corona-Burnout“, ergänzt Dieris-Hirche.
Auch Beratungsstellen sehen erhöhten Bedarf
Auch andere Anlaufstellen sehen einen erhöhten Bedarf – auf die ein oder andere Art: „Wir haben deutlich mehr Anfragen als vor der Pandemie“, sagt beispielsweise Kathrin Reichel-Schulz von der Evangelischen Beratungsstelle.
Hans-Jürgen Meier, Suchttherapeut der Caritas Hattingen und Sprockhövel, sieht einen erhöhten Beratungsbedarf aufgrund der über einen längeren Zeitraum ausgefallenen Selbsthilfegruppen, die erst seit kurzem wieder stattfinden – online: „Wir kontaktieren unsere Klienten aktuell viel häufiger per Telefon und Hausbesuch als vor der Pandemie – führen jedoch weiterhin wie zuvor drei Gespräche mit Neu-Klienten die Woche.“
Dr. Usadel warnt: „Die Situation ist alarmierend.“ Die Politik sei nun gefragt. „Wir benötigen schnell mehr ambulante und stationäre Therapieplätze und Psychotherapeuten-Sitze.“ Blieben sie aus, seien die Folgen nicht abschätzbar. „Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung.“
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>>> Hier finden Betroffene Hilfe
Das OMPRIS-Projekt ist ein Projekt gegen Online-Sucht und wird an mehreren Universitäten erforscht. Unter www.onlinesucht-hilfe.com können Betroffene einen Selbsttest durchführen und sich vier Wochen lang kostenlos beraten lassen.
Psychiatrische Instituts-Ambulanz der LWL-Universitätsklinik Bochum: 0234/ 5077-1190, Webseite: https://psychiatrie.lwl-uk-bochum.de
Caritasverband: Suchthilfezentrum Hattingen & Sprockhövel: 02324/ 92560; Beratung für psychisch Kranke und ihre Angehörige: 02324/ 52141
Evangelische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene: 02333/ 6097-0
Bundesweites Kummertelefon für Kinder und Jugendliche: 116 111, Kontakt für Eltern: 0800/ 1110550, Internet: www.nummergegenkummer.de
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