Oberhausen. Silvester schließt Hermann Frintrop (75) sein beliebtes Lokal an der Stadtgrenze von Oberhausen, Essen und Mülheim. Das passiert mit dem Gebäude.
Er jongliert mit feinsten Kräutern. Auch im Zusammenstellen von bodenständigen bis gehobenen Menüs geht er auf. Und selbst anspruchsvolle Rezepte können ihn nicht aus der Ruhe bringen. Hermann Frintrop hat 48 Jahren lang in der Küche sorgsam viele Töpfe befüllt und im vorgelagerten Gastraum noch mehr Schlemmerfreunden die Hand geschüttelt. Keine Frage, der 75-Jährige hat in der Gastronomie so ziemlich alles gesehen und geschmeckt. Doch nun sagt er: „Ich habe mir zum ersten Mal in meinem Leben eine Wohnung gesucht.“
Gemeinsam mit seiner Frau Manuela gibt er in der Silvesternacht das traditionsreiche „Restaurant Frintrop“ an der Oberhausener Mühlenstraße auf. Das Elternhaus war zugleich immer auch sein Wohnsitz. Wenn der Küchenmeister erzählt, spürt man, dass dem Wirtspaar die Entscheidung sichtlich nicht leicht gefallen ist. Auch viele Gäste haben die Meldungen aus dem Oktober schwermütig aufgenommen.
„Es geht einfach nicht mehr“, sagt Hermann Frintrop. „Ich stehe jede Woche 60 Stunden in der Küche. Nach einem 15-Stunden-Tag spürst du deine Knochen.“ Die Lust haben sie nicht verloren. Aber aus gesundheitlichen Gründen sagen sie konsequent: ade!
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Seitdem steht das Telefon im Restaurant nicht mehr still. „Wir sind ausgebucht. Es kamen Leute vorbei, die wir in 48 Jahren vorher noch nie gesehen hatten.“ Ein Gast erschien seit der Abschiedskunde sogar vier Mal zum Essen. „Er bestellte jedes Mal unsere zubereitete Ente.“
Restaurant Frintrop in Oberhausen: Große Nachfrage nach Tischen, viele Komplimente
Viele Gäste wünschen den Wirtsleuten eine gute Zeit und gratulieren zum verdienten Ruhestand. Eigentlich wollten sie ohne große Ankündigungen, bescheiden und still gehen. „Wir hatten allerdings noch einige Restaurant-Gutscheine im Umlauf. Das wäre nicht fair gewesen.“
„Es ist ein seltsames Gefühl zwischen Erleichterung, Wehmut und etwas Angst vor der Zeit danach.“
Es ist das Ende einer Ära. Die erste Konzession erhielt die Gastronomie an der Stadtgrenze von Oberhausen, Essen und Mülheim am 1. Juli 1911. Das 1902 erbaute Eckgebäude mit jeweils rund 230 Quadratmetern auf zwei Etagen war stets in Familienhand. Das Lokal betreibt Hermann Frintrop in dritter Generation. Nach seinen Großeltern Hermann und Barbara, zwei Tanten und den Eltern August und Rosina. Ein Gemälde des Vaters hängt noch immer im Speiseraum neben dem Schrankbüfett.
Das Gebäude war nicht nur Restaurant, sondern zwischenzeitlich auch Hotel. Als die in den 1950er- bis 1970er-Jahren populäre niederländische Rock‘n‘Roll-Band „Tielman Brothers“ bei den Frintrops residierte, standen die Teenager-Mädchen vor den Türen Schlange. „Im Hof parkten schmucke Cadillacs“, erinnert sich der Küchenmeister.
Auch wenn es im „Restaurant Frintrop“ zwischendurch als erstes Haus am Ort ausgefallene französische Küche gab, war dem Gastgeber Schickimicki immer fremd. Der angesehene Koch stand zwar in bekannten Restaurant-Führern, servierte aber zugleich bodenständige Gerichte wie Blutwurst mit Feldsalat.
Auch den elitären Michelin-Stern, der Hermann Frintrop manchmal angedichtet wird, hat er nie gehabt - und gewollt. Viel wichtiger sind dem Gastronom andere Auszeichnungen. Erst vor wenigen Tagen meinten Gäste nach dem Speisen, dass es ihnen nicht nur geschmeckt hätte: „Sie sagten: Es hat richtig Spaß gemacht!“
Restaurant Frintrop in Oberhausen: Gebäude mit zwei Etagen wird komplett verkauft
Wenn man die Räume des Eckrestaurants mustert, erkennt man schnell, dass bei Hermann Frintrop immer Welten aufeinander geprallt sind. Der legerer gehaltene, ehemalige Bistro-Bereich liegt Tür an Tür mit den stilvoll eingedeckten Tischen des Speiseraums. Früher gab es für beide Restaurantteile sogar unterschiedliche Speisekarten. Bei Frintrop schmausten Sparkassen-Direktoren und Malocher gleichermaßen.
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Bei aller Melancholie wird es nach dem Abschied pragmatisch. „Das Gebäude wird verkauft. Wir wollen einen sauberen Schlussstrich ziehen.“ Interessenten gibt es schon, obwohl die Familie noch nicht inseriert hat. „Die vergangenen Wochen waren einfach zu trubelig.“ Eine neue Wohnung im Stadtteil Styrum haben die Eheleute gefunden. Den Umzug wollen sie mit Ruhe ausführen. „Uns hetzt ja keiner.“
Ob weiter an der Mühlenstraße gekocht wird, bleibt offen. „Wenn ein Interessent die Gastronomie fortführt, würde uns das natürlich freuen. Aber die Entscheidung liegt beim Käufer.“ In den Lokal-Räumen stehen noch viele Möbel und es hängen Bilder und Erinnerungsstücke an den Wänden. Nicht alles kann das Ehepaar Frintrop mitnehmen. „Wenn der Käufer nicht am Inventar interessiert ist, wollen wir ein oder zwei Mal in der Woche einen Flohmarkt veranstalten.“
Nach einem Leben voller Arbeit hat sich der Küchenmeister den Ruhestand redlich verdient. Was überwiegt mit Blick auf den letzten Öffnungstag am Silvesterdienstag? „Es ist ein seltsames Gefühl zwischen Erleichterung, Wehmut und etwas Angst vor der Zeit danach.“
Die Erinnerungen werden nicht verblassen. Gäste haben ihm selbstgebastelte Bücher geschenkt, in denen Fotos des Wirtspaares aus den vergangenen Jahrzehnten eingeklebt sind. „Die Art wie ich koche, so machen es nur ganz wenige“, sagt Hermann Frintrop nachdenklich. Neben dem fachlichen Können wird der Oberhausener Gastronomie bald auch ein echter Typ fehlen.