Oberhausen. Der Syrer Wasim Naaseh, Geschäftsmann in Oberhausen, hat eines der bewegendsten Wochenenden seines Lebens hinter sich: Assad ist gestürzt.
Der Syrer Wasim Naaseh benötigt beide Hände, um gestikulierend klar zu machen, wie er die jüngste Zeit verbracht hat: In jeder Hand ein Mobiltelefon mit den neuesten Nachrichten aus Syrien, den Blick zugleich gerichtet auf einen TV-Bildschirm mit den brandaktuellen News: „Ich habe in den letzten Tagen kaum ein Auge zugemacht und stundenlang die Meldungen aus Syrien verfolgt“, sagt der 35-Jährige. Die Nachrichten vom Sturz des Assad-Regimes haben den Oberhausener Geschäftsmann in ihren Bann gezogen. „Damit hatte niemand gerechnet. Das war der schönste Tag meines ganzen Lebens!“
Im Jahr 2015 ist der Syrer auf der Flucht vor dem Assad-Terror nach Deutschland gekommen, besuchte zwei Jahre einen Deutschkurs, begann eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker. Dann brachte ihn ein Bekannter auf die Idee, einen Süßwarenladen zu eröffnen. Seit Juli 2021 gibt es das Fachgeschäft „Paradies Sweet“ an der Marktstraße 113.
An der reich bestückten Verkaufstheke geht es an diesem Wochenauftakt nicht nur um süße Pralinen und leckere Gebäckröllchen, um duftenden Espresso und Kaffee-Spezialitäten. Die Kundinnen und Kunden fragen auch immer wieder nach der Entwicklung in Syrien. Und Wasim Naaseh hat viel zu erzählen. Gerade erst hat er mit seiner Tante in Syrien telefoniert, die um einen Sohn bangt, der vom Assad-Regime inhaftiert worden sei und immer noch in den unterirdischen Anlagen eines Foltergefängnisses vermisst werde, wie Wasim Naaseh im Gespräch mit der Redaktion berichtet.
Zahlreiche weitere Telefonate hat er mit Familie, Freunden und Bekannten in Syrien geführt: Die Menschen feiern überall den Sturz von Baschar Hafiz al-Assad, vor dem schon sein Vater auf brutale Weise in dem nahöstlichen Land regierte. „Meine Eltern haben 50 Jahre auf diesen Tag gewartet; ich ebenfalls viele, viele Jahre lang. Jetzt ist es endlich so weit. Es ist ein unglaubliches Gefühl, eine unglaubliche Erleichterung und Freude!“
Im Arabischen Frühling auf den Straßen von Damaskus gegen Assad demonstriert
Als Wehrpflichtiger hat Wasim Naaseh zwei Jahre in der syrischen Armee dienen müssen, wie er berichtet: „Ich habe gesehen, wie menschenverachtend dieses Regime mit seiner Bevölkerung umgegangen ist.“ Im Arabischen Frühling habe er dann im Jahr 2011 auf den Straßen von Damaskus gegen Assad demonstriert. „Die Sicherheitskräfte haben auf die Protestierenden geschossen. Das Regime hat immer rücksichtslos und brutal seine Macht verteidigt.“
Und nun dieser Dezember 2024, der plötzliche und für die ganze Welt überraschend schnelle Vorstoß der HTS-Rebellen, die in wenigen Tagen auf ihrem Feldzug gegen Assad die Hauptstadt Damaskus erreicht und den Diktator gestürzt haben. Aleppo, Hama, Homs, Damaskus. Es ging alles rasend schnell. Der 35-Jährige kann es immer noch nicht so ganz fassen.
„Wir brauchen endlich ein tolerantes und friedliches Syrien“
Wie wird es nun weitergehen in Syrien? Wird das Land künftig von radikalen Islamisten aus den Reihen der HTS regiert oder gelingt ein Neustart im Zeichen von Demokratie und Menschenrechten; ein Neubeginn also, der die unterschiedlichen Bevölkerungs- und Religionsgruppen Syriens versöhnt? Wasim Naaseh hat dazu eine ganz klare Position: „Wir brauchen jetzt ein tolerantes und weltoffenes Syrien, in dem niemand mehr unterdrückt und geknechtet wird. Das haben die Menschen lange genug miterleben müssen. Die Syrer haben die Nase voll von Intoleranz und politischer Gewalt in ihrem Land.“ Der Oberhausener Geschäftsmann und Familienvater ist sich sicher, dass sein Land diesen friedlichen Weg erfolgreich beschreiten wird und neue Lebensperspektiven für all seine Menschen entfalten kann.
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