Oberhausen. Die sozialen Kürzungen des Bundes und des Landes haben enorme Auswirkungen. Lokalpolitiker im Oberhausener Sozialausschuss reagierten erbost.
Stadtteilfeste? Schuldnerberatung? Maßnahmen für Langzeitarbeitslose? Fahrradwerkstatt? Was darf bleiben, was wird aus dem Stadtbild von Oberhausen verschwinden? Die praktischen Folgen der Sozialkürzungen von Land und Bund waren am Dienstag, 3. Dezember 2024, zentrales Thema im Sozialausschuss.
Denn das Land NRW hatte es angekündigt: 83 Millionen Euro sollten im neuen Haushalt im Sozialbereich eingespart werden. Zwar ruderten CDU und Grüne am Dienstag wieder zurück und reduzierten den Streichreigen nach anhaltenden Protesten auf rund 40 Millionen Euro. Doch dazu kommen Kürzungen in nie dagewesener Höhe im Bundeshaushalt. Der Bruch der Koalition in Berlin (SPD/Grüne/FDP) verhinderte letztlich die Verabschiedung des Haushaltes 2025. Die Auswirkungen dieser Planung wirken sich dennoch bereits verheerend auf die Arbeit der freien sozialen Träger in Oberhausen aus. Die erste Kündigungswelle trifft jetzt die Ruhrwerkstatt.
So ist das Oberhausener Jobcenter durch Geldkürzungen von 53,6 Millionen Euro im Jahr 2024 auf 47,8 Millionen Euro für 2025 (ein Verlust von elf Prozent) zu heftigen Einsparungen gezwungen. Bei den Hilfen für Langzeitarbeitslose, um wieder einen Job zu bekommen, fielen fast eine Million Euro weg. Für das Katholische Jugendwerk Kurbel, das Zentrum für Ausbildung und Qualifizierung (ZAQ) und das Bildungswerk Ruhrwerkstatt liegen die Folgen auf der Hand. Von 229 Maßnahmen-Plätzen für diese Zielgruppe bleiben bei allen drei Trägern insgesamt nur noch 77. Das entspricht einer Reduzierung um mehr als 65 Prozent.
Was das für die Anbieter konkret bedeutet, wollten die Mitglieder des Sozialausschusses wissen. André Decker, Geschäftsführer der Ruhrwerkstatt, brachte es so auf den Punkt: „Ich musste heute fünf von sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kündigen.“ Abgesehen von dem einzelnen menschlichen Schicksal, einen Job zu verlieren: „Mitarbeiter, die erst einmal weg sind, bekommen wir nicht mehr wieder“, warnte Frank Janßen, Geschäftsführer der Kurbel. Die über Jahrzehnte in Oberhausen so mühsam aufgebaute soziale Infrastruktur sei jetzt gefährdet.
Jobcenter-Chefin Valeska Hurraß sieht bei ihrer eigenen Verwaltung kaum Einsparmöglichkeiten
„Was passiert mit den Menschen, die jetzt noch in Maßnahmen sind?“, wollte CDU-Sprecher Finn Rubin wissen. Die vermittelten und bezuschussten Arbeitsgelegenheiten dürfen bis zum Ende fortgeführt werden, beruhigte Jobcenter-Chefin Valeska Hurraß zumindest ein wenig. Ihre Mitarbeitenden seien außerdem mit den Freien Trägern im Gespräch, welche Plätze künftig noch bleiben sollten. „Doch das Geld ist begrenzt, viel Luft nach oben ist da nicht.“ Die Fortsetzung dieser Arbeit sei aber wichtig, auch für das Stadtbild, hielt Sebastian Girrullis (Grüne) dagegen.
Ob es nicht stattdessen Einsparmöglichkeiten bei den auswärtig vergebenen Dienstleistungen des Jobcenters geben könnte, hakte Denise Horn (SPD) nach. „Wir könnten einiges davon, wie etwa die Servicecenter, in Eigenregie machen“, räumte Hurraß ein. Allerdings müsste sie dafür rund 15 Mitarbeitende plus Führungskraft zusätzlich einstellen. „Erstens sind diese bei dem aktuellen Fachkräftemangel gar nicht leicht zu finden und zweitens wäre das für uns sogar noch kostspieliger als die jetzige Fremdvergabe.“
Besonders ärgerlich fand Johannes Stelzer (für die SPD als sachkundiger Bürger im Ausschuss), dass von den 21,6 Millionen Euro, die im kommenden Jahr nur noch für die Eingliederungshilfen zur Verfügung stehen, auch noch 8,1 Millionen Euro umgeschichtet werden müssen, um die höheren Verwaltungskosten des Jobcenters decken zu können. „Wieso steckt man diese Mittel nicht in die Maßnahmen für Langzeitarbeitslose?“ Da gebe es leider kein Einsparpotential, betonte Hurraß. Denn Gehälter und Mieten seien Fixkosten. „Auch bei dem Thema Qualifizierungsmaßnahmen für die Beschäftigten schauen wir uns alles genau an und prüfen, was tatsächlich notwendig ist.“ Besonders viel bringe dies aber absehbar nicht.
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„Was nutzt eine Beratung, wenn niemand mehr da ist, den man sinnvoll beraten kann“, konterte Frank Janßen. Er habe jeden Tag Menschen im Büro stehen, die ihn fragten, wie es nun weitergeht. „Und ich kann darauf keine Antwort geben.“ Es sei ein Skandal, den sozialen Bereich derartig auszuhöhlen. Auch der Stadtteilservice in Osterfeld sei eine der Maßnahmen, die ab Ende März 2025 aus Oberhausen verschwinden werden, konkretisierte André Decker die Auswirkungen auf die Stadt. Langzeitarbeitslose hatten dabei unter anderem Kräuterspiralen aus Holz und Hochbeete angelegt. Auch ein Einkaufsservice für Senioren gehörte dazu.
Diese Kürzungen im Sozialen sind beispiellos - und gefährden mit den Schwächsten der Gesellschaft den sozialen Frieden in Oberhausen. „Das können wir so nicht hinnehmen.“ Darin waren sich alle Parteien im Sozialausschuss einig.
Auch Sozialdezernent Frank Motschull machte seinem Ärger abschließend deutlich Luft: „Einschnitte in einer derartigen Höhe habe ich in den letzten 24 Jahren noch nie erlebt. Was da auf Bundes- und Landesebene geschieht, ist nicht mehr nachzuvollziehen.“ Die Stadt werde sich trotz knapper Mittel bemühen zu retten, was eben möglich ist, „bis auf Landes- und Bundesebene tragfähigere Konzepte gefunden sind“.