Düsseldorf. Die schwarz-grüne Landesregierung reagiert auf die Proteste gegen Sozialkürzungen in NRW. Helfen die neuen Millionen den Betroffenen?
Die Massenproteste gegen Sozialkürzungen der Landesregierung zeigen offenbar Wirkung. Wie die Landtagsfraktionen von CDU und Grünen am Dienstag ankündigten, soll der Landeshaushaltsentwurf 2025 nachgebessert werden. Durch Verschiebungen von sogenannten Bedarfsmitteln (nicht akut benötigte Posten) und mit Hilfe von Fördergeldern aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) würden für Soziales rund 43 Millionen Euro zusätzlich bereitstehen.
Damit dürfte die von der Freien Wohlfahrtpflege in NRW beklagte Sozialkürzung von insgesamt 83 Millionen Euro zumindest rechnerisch mehr als halbiert werden. Mitte November hatten auf den Düsseldorfer Rheinwiesen rund 32.000 Demonstranten für die größte Protestaktion gegen eine Landesregierung seit fast zwei Jahrzehnten gesorgt. Obwohl im Rekordhaushalt 2025 mehr als 100 Milliarden Euro Gesamtausgaben eingeplant sind, sollten Beratungsstellen und Hilfsdienste teilweise mehr als 50 Prozent ihrer Fördergelder verlieren.
Nun steuert die Koalition von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zumindest teilweise um. „Die 43 Millionen Euro stehen den Anliegen der damals artikulierten 83 Millionen gegenüber, so dass man sagen kann: Mehr als die Hälfte der genannten Einsparungen ist damit inhaltlich abgedeckt“, erklärte CDU-Fraktionschef Torsten Schick.
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Sozialkürzung unnötig? Hütet NRW einen Goldschatz in den Ministerien
Teilweise werden Kürzungen bei der Suchtberatung, der AIDS-Hilfe oder beim Gewaltschutz von Frauen und Kindern nahezu komplett zurückgenommen. Das Minus bei der Armutsbekämpfung, zunächst mit rund 5,8 Millionen Euro veranschlagt, soll um etwa 1,6 Millionen Euro abgemildert werden. Auch bei der Familienberatung, die rund 9,8 Millionen Euro verlieren und damit fast halbiert werden sollte, werden zwei Millionen Euro nachgeschossen.
„Wir haben sehr genau zugehört“, sagte Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer. Zugleich stellte sie klar: „Wir können nicht alle Kürzungen zurücknehmen.“ In die Gesamtentlastung haben CDU und Grüne auch neue Sozialprogramme eingerechnet, die künftig finanziert werden können. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW reagierte deshalb zunächst zurückhaltend auf die Nachbesserung. „Die Zuweisungen fallen zwar geringer aus als im Vorjahr, aber immerhin konnten an vielen Stellen Sozialkürzungen zurückgenommen oder umgeschichtet werden“, erklärte Hartmut Krabs-Höhler, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Das betreffe besonders die Bereiche Integration, Flucht, Inklusion, Sucht- und Altenhilfe, Familienberatung oder die Unterstützung von Frauenhäusern. Als nach wie vor unbefriedigend bezeichnet Krabs-Höhler die weiterhin bestehenden Kürzungen von 43 Millionen Euro in vielen anderen Bereichen: „Das ist ein Teilerfolg, aber kein Grund zum Jubeln.“
Manche Kürzungen bleiben vollständig bestehen. So will das Land die Kinderwunschförderung streichen und rund 5,3 Millionen Euro einsparen. Paare, die auf eine medizinische Kinderwunschbehandlung angewiesen sind, müssen sich auf einen deutlich höheren Eigenanteil einstellen.
SPD-Oppositionsführer Jochen Ott kritisierte die Nachbesserungen als halbherzig: „CDU und Grüne wollten die Axt an den Sozialstaat anlegen, jetzt nehmen sie vermeintlich nur noch eine Säge.“ Minus bleibe aber Minus. „Zumal die Koalition nach wie vor nicht auf ihren Goldschatz namens Selbstbewirtschaftungsmittel zurückgreift“, so Ott weiter. Die SPD wirft Schwarz-Grün seit Wochen vor, milliardenschwere überjährige Haushaltsposten für spätere Wahlgeschenke in den Ministerialetats zu parken und ohne Not bei den Schwächsten zur kürzen. Wiebke Brems, Co-Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, widersprach: „Es gibt in den Ministerien weder versteckte Geldtöpfe noch Schattenhaushalte.“