Oberhausen. Das neue Jahr startet im Schloss Oberhausen mit dem Großmeister feinsinnigen Humors. Doch selbst Loriot sorgte einst für derbe Empörung.
Manch Älteren reicht ein hingeworfenes Schlagwort, um das Giggeln anheben zu lassen: „Kosakenzipfel“ etwa. Die Karriere dieser Köstlichkeit, laut Auskunft des formvollendet blasierten Obers, ein „Mokka-Trüffel-Parfait mit einem Zitronencreme-Bällchen“, führte zu Loriots 80. Geburtstag sogar zu zweifelhaften Jubiläums-Kreationen aus Großbäckereien. Da kann die Ludwiggalerie, etwas zeitversetzt nach dem 101. Vicco von Bülows, im neuen Jahr ganz anders auftischen: Vom krassen Kinderbuch „Reinhold das Nashorn“ bis zu Bühnenbild-Entwürfen für die große Oper zeigt die Schau im Schloss Oberhausen mit dem bündigen Titel „Ach was“ den nahezu kompletten Loriot: vom Bürgerschreck zum Lieblingshumoristen gleich mehrerer Generationen.
Jawohl, Bürgerschreck. Denn der junge Wilde der Adenauerzeit sorgte mit seinen knollennasigen Herrschaften in den 1950ern noch für ordentliche Empörung. Wahres Wutgeheul hob an angesichts der heute allenfalls als mild-satirisch wahrgenommenen Cartoon-Serie „Auf den Hund gekommen“. Warum? Der damals 30 Jahre junge Zeichner praktizierte schlichten Rollentausch, etwa so: In einem Café sitzen zwei menschengroße Hunde am Tisch und nehmen ihre Tässchen echte Bohne. Und zwei hundekleine Menschen zu ihren Füßen beschnuppern sich. Man muss sich wohl an die hündische Ergebenheit der erst seit wenigen Jahren wieder gesitteten Deutschen unter der NS-Tyrannei erinnern, um zu ermessen, dass solche Scherze vor 70 Jahren noch wie Hiebe saßen.
Leider kein Scherz: Auch Loriot war, nach seinem Notabitur 1941, Wehrmachtsoffizier an der Ostfront des Zweiten Weltkrieges. „Für den schauerlichen deutschen Beitrag zur Weltgeschichte“, sagte er Jahrzehnte später in einem raren Interview mit seinem Humoristen-Kollegen Jan Weiler, „werde ich mich schämen bis an mein Lebensende“. Aus dem 21-jährigen Oberleutnant, behangen mit zwei Eisernen Kreuzen, wurde an Hamburgs Hochschule für bildende Künste jener Werbegrafiker und Cartoonist, den der zehn Jahre ältere „Stern“-Herausgeber Henri Nannen nach dem „Hunde“-Skandälchen prompt feuerte. Und bald wieder einstellte, damit Loriot für die Kinderbeilage „Sternchen“ die (auch nicht harmlosere) Serie „Reinhold das Nashorn“ zeichnete.
Es war zugleich der Beginn einer wunderbaren Geschäftsfreundschaft mit Daniel Keel. Der Gründer des Diogenes Verlags, heute der größte konzernunabhängige Belletristik-Verlag Europas, gab dem Knollennasenzeichner, der seinen Stil früh gefunden hatte, mal keinen Korb: Er druckte nicht nur „Reinhold“ in Buchform, sondern - in zahllosen Variationen - das Gesamtwerk Vicco von Bülows. Aktuell zählt der Zürcher Verlag sagenhafte 55 Loriot-Titel in seinem Programm: vom 360 Seiten mächtigen Sammelband der „Dramatischen Werke“ bis zum für März 2025 angekündigten „Wum“ in 70 Zeichnungen und 26 Texten.
„Fernsehen ist zu schnell für meine Komik.“
Die Großtat, mit dem feinen Humor des Herrn von Bülow nahezu alle Haushalte zu infizieren, gelang ausgerechnet der kleinsten Landesrundfunkanstalt der ARD: Schließlich hatte Radio Bremen auch schon mit dem „Starclub“ und „Musikladen“ bundesdeutsche Spießigkeit ausgelüftet. Die vom berühmten grünen Sofa aus moderierten „Loriot“-Sendungen waren zunächst nur ein Sechsteiler: Doch bei diesen Sketchen, zumal mit der kongenialen Evelyn Hamann (1942 bis 2007), war keine Wiederholung zu viel des Guten. Die Ludwiggalerie zeigt mit „Ach was“ denn auch Phasenzeichnungen der bewegten Cartoons und Szenenfotos der schauspielerischen Sternstunden - getreu der Loriot-Doktrin: Humor sei ein Produkt äußerster Präzision. Und das gilt selbst für jene nachgerade anarchische Zerstörungsorgie im gepflegten Wohnzimmer, ausgelöst durch die Feststellung: „Das Bild hängt schief.“
Überraschend für viele Westdeutsche gab es sogar schon zu späten DDR-Zeiten 1985 eine Ausstellung in Vicco von Bülows Geburtsstadt Brandenburg: ein seltener Coup des Dommuseums in kirchlicher Trägerschaft - über den die Kooperationspartner von der Havel auch in der Ludwiggalerie informieren werden. Last, not least, zeigt das Schloss Oberhausen mit Bühnenmodellen für die große Oper, vom romantischen „Freischütz“ bis zum satirischen „Candide“ Leonard Bernsteins, auch Loriots spätes Schaffen. Auf der Mattscheibe sah er für seine genüsslich ausgestalteten Pointen keine Chance mehr: „Fernsehen ist zu schnell für meine Komik“, so zitierte ihn 2006 der Spiegel.
Im Schloss Oberhausen können sich Fans reichlich Zeit nehmen: Die Ludwiggalerie zeigt „Ach was. Loriot - Künstler, Kritiker und Karikaturist“ vom 26. Januar bis 18. Mai 2025.
Näheres zu den Ausstellungen der Ludwiggalerie an der Konrad-Adenauer-Allee 46 gibt es im Internet auf ludwiggalerie.de.