Oberhausen. Es brodelt hinter den Kulissen. Immer wieder war der Krankenhausbetreiber Ameos in Oberhausen in die Kritik geraten. Das sagen Mitarbeitende.
Unmut und Verunsicherung in der Ameos-Belegschaft wachsen offenbar. Einzelne Mitarbeitende beschweren sich über undurchsichtige Gehaltsabrechnungen, Arbeitsüberlastung und ein schlechtes Betriebsklima. In der Folge soll es bereits zu unzähligen freiwilligen Kündigungen gekommen sein. Eine Sprecherin des Schweizer Krankenhausbetreibers dagegen spricht von einem „branchenüblichen Maß an Fluktuation“, dem zahlreiche Neueinstellungen in allen Bereichen gegenüberstünden. Was ist da los?
„Auf der letzten Gehaltsabrechnung fehlten plötzlich ein paar hundert Euro“, berichten Mitarbeitende, die unbedingt anonym bleiben möchten. Denn ihre Angst, erkannt zu werden, ist groß. „Wir haben Sorge, dann unseren Job zu verlieren“, räumen sie ein. Das Gespräch kann deshalb erst nach Feierabend stattfinden und nur im privaten Raum. Dabei berichten sie nicht nur über die Stimmung in der Belegschaft, sondern auch darüber: Bereits im Mai dieses Jahres hätten fehlerhafte Gehaltsabrechnungen in der Belegschaft für große Aufregung gesorgt.
Einige Ärzte hatten danach nur wenige hundert Euro erhalten. Damals war es, wie Ameos selbst eingeräumt hatte, im Rahmen der Umstellung auf eine neue Lohnabrechnungssoftware zu einer technischen Panne gekommen. Jetzt auch wieder? „Auf Nachfragen in der Personalabteilung haben wir bis heute keine Antwort erhalten“, sagen die Mitarbeitenden, die sich nun Gedanken über die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze machen. Zwar gebe es auch einige Neueinstellungen. „Doch diese Kollegen werden zu schlechteren Bedingungen eingestellt.“
Auf Nachfrage der Redaktion betont Nancy Thiede, Kommunikationsverantwortliche von Ameos Ost: „Alle Gehälter wurden in den vergangenen Monaten vollumfänglich ausgezahlt und das werden sie auch weiterhin.“ Von undurchsichtigen Gehaltsabrechnungen könne überhaupt keine Rede sein. „Die Vergütung erfolgt entsprechend den Regelungen nach Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Caritas oder der Ameos-Vergütungsordnung; dabei werden Bereitschaftsdienste und Überstunden ebenfalls vergütet.“ Aus anderer interner Quelle heißt es dazu allerdings: „Die EDV-Umstellung macht bis heute Probleme, es kommt noch immer zu Nach- und Rückbuchungen, die viele einfach verunsichern, weil sie weder erklärt noch angekündigt werden.“
Einen Tarifvertrag gibt es nicht - doch Altverträge fallen unter den Bestandsschutz
Katharina Schwabedissen vom Verdi-Bezirk Ruhr-West hat Kontakt zu etlichen Ameos-Mitarbeitenden und weiß: „Ein Tarifvertrag existiert am Standort Oberhausen nicht.“ Richtig sei aber, dass Altverträge unter den Bestandsschutz fielen. „Alle, die bereits dort gearbeitet haben, als St. Clemens, St. Josef und das Marienhospital noch zum Katholischen Klinikum Oberhausen (KKO) gehörten, werden nach der AVR-Gehaltstabelle der Caritas bezahlt und profitieren auch von künftigen Tarifsteigerungen - für den Konzern sind sie damit teuer.“ Denn die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Caritas orientieren sich am „Tarifvertrag öffentlicher Dienst Bund und Kommunen“. Später eingestelltes Personal genieße diese Vorzüge nicht.
Eine Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften werde von Ameos grundsätzlich abgelehnt, sagt Schwabedissen und erhält für diese Aussage Rückendeckung aus anderen Landesteilen. So heißt es auf der Homepage von Verdi zur Unternehmenskultur in der Ameos Gruppe etwa: „Konsequent wird darauf geachtet, dass alle Unternehmensteile unter 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bleiben und als eigenständige Einheiten fungieren – und damit die deutsche Unternehmensmitbestimmung unterlaufen wird. Es gibt weder einen Konzernbetriebsrat noch einen Aufsichtsrat.“
Die Gewerkschaft Verdi kritisiert Einsparungen beim Personal
Weiter heißt es bei Verdi: Als profitorientierter Anbieter strebe Ameos Einsparungen vor allem beim Personal an, „das als größter Kostenfaktor gilt“. Dafür nutze der Konzern unter anderem diese Strategien: „Von der Ausgliederung immer weiterer Servicebereiche in tariflose Tochtergesellschaften, bis zum Einsatz tarifloser, billigerer Pflegekräfte.“ Allerdings liegen die Einstiegsgehälter nach einem Blick in Jobbörsen doch zunächst oft sogar um mehrere hundert Euro über dem üblichen Tarif. Wie passt das zusammen?
„Uns war zunächst gar nicht klar, dass dafür spätere Erhöhungen ausbleiben, freiwillige Leistungen wie ein Inflationsausgleich werden nur an AVR-Mitarbeitende gezahlt“, heißt es aus der Belegschaft. „Alle anderen gehen leer aus.“ Wer könne, suche sich einen neuen Arbeitgeber. Dadurch sei es immer wieder zu Personalengpässen gekommen. „Die Arbeitsbelastung ist enorm hoch und das Betriebsklima hat sich sehr verschlechtert“, machen sich die Mitarbeitenden in unserem mehrere Stunden dauernden Gespräch ordentlich Luft.
Dank etlicher Neueinstellungen gelang es Ameos allerdings, das Personal immer wieder auf den vorgeschriebenen Stellenschlüssel aufzustocken. Mitarbeitende weisen aber darauf hin: „Neue Leute müssen erst eingearbeitet werden.“ Folge: „Wir leiden unter einer chronischen Überlastung, viele gehen auf dem Zahnfleisch.“
Unzählige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Ameos inzwischen verlassen haben
Aus anderer Quelle folgt diese Bestätigung: Im Herbst 2023 sollen zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Klinikum in Oberhausen aus eigenen Stücken den Rücken gekehrt haben. Danach seien fast monatlich weitere Kündigungen dazugekommen. Nur ein kleiner Teil davon habe sich in die Rente verabschiedet. Die meisten hätten das Betriebsklima nicht mehr ertragen können. Von Ameos-Sprecherin Nancy Thiede heißt es dazu: „Zu den persönlichen Beweggründen von Kündigungen können wir keine Stellung nehmen.“
Die wachsende Unzufriedenheit des Personals bleibt auch Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen nicht verborgen. So bestätigt ein Oberhausener, dessen Mutter wochenlang im St. Clemens Klinikum behandelt worden war: „Ärzte und Pflegekräfte unterhalten sich ganz offen auf dem Flur darüber, wer wann endlich an ein anderes Krankenhaus wechseln kann.“ Der Frust der Mitarbeitenden sei überall deutlich spürbar. „Auf die medizinische Behandlung hat sich das aber nicht ausgewirkt“, betont der Sohn.
Nach seinen Beobachtungen ist die Mutter gut im St. Clemens Klinikum betreut worden. In der Notaufnahme habe man sich sogar sehr liebevoll um die alte Dame gekümmert. „Als sie dann auf der Station war, haben wir aber schnell gemerkt, dass das Personal kaum Zeit für die Patienten hat.“
Angehörige beschweren sich über die pflegerische Betreuung
Die alte Dame habe einen künstlichen Darmausgang. Da sie eine sehr empfindliche Haut habe, hätte der Beutel jeden Morgen gewechselt werden müssen. Außerdem sollte die Platte des Ausganges regelmäßig gewechselt werden. Nachdem die Mutter den Pfleger darauf aufmerksam gemacht habe, habe sie sich einen Vortrag anhören können, wann das sein muss und wann nicht und dass er das entscheidet. Fazit des Sohnes: „Mal wurde es gemacht, mal nicht.“ Auch die hygienischen Zustände im Badezimmer seien schlimm gewesen. „So dass meine Frau letztlich selbst zum Putzlappen gegriffen hat, um das in Ordnung zu bringen.“
Von Ameos-Sprecherin Christine Hertrich heißt es dazu: „Wir nehmen Beschwerden von Patientinnen und Patienten oder ihren Angehörigen sehr ernst und arbeiten gemeinsam mit den zuständigen Führungskräften die benannten Kritikpunkte auf.“ Im geschilderten Fall seien diverse persönliche Gespräche mit der Familie geführt worden - „sowohl pflegerischerseits durch Stationsleitung und Pflegedienstleitung, als auch mit dem leitenden Oberarzt“. Dabei hätten die Schilderungen nicht nur entkräftet werden können, „sondern die ganze Angelegenheit schien für die Angehörigen zufriedenstellend geklärt worden zu sein“.
Der Oberhausener bestätigt: „Ja, nachdem ich mich fünfmal beschwert hatte, hat sich tatsächlich etwas getan.“ Aber das ändere letztlich auch nichts an der chronischen Überlastung des Personals. „Wäre dies nicht so, wäre es doch gar nicht erst zu solchen Vorfällen gekommen.“
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