Oberhausen. Doch kein „Ehrengrab“ in Oberhausen: Der langjährige Festivalleiter wird in Stuttgart zum Gründungsdirektor des neuen Film- und Medienhauses.

Der langjährige Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, Lars Henrik Gass, verlässt nach 27 Jahren das Filmfestival und sein Dienst-Domizil in der Kulturvilla an der Grillostraße. Gass wird ab Februar 2025 als Gründungsdirektor das neue Haus für Film und Medien (HFM) in Stuttgart aufbauen. Der 59-jährige Autor, Filmkurator und Kulturmanager gilt als wichtiger Theoretiker des zeitgenössischen Kinos und kritische Stimme im Kulturbetrieb. Er amtiert seit 1998 als Festivalleiter von Oberhausens Internationalen Kurzfilmtagen.

„Wir bedauern den Weggang von Lars Henrik Gass sehr“, erklärt Oberhausens Oberbürgermeister. Daniel Schranz weiter: „Er hat das traditionsreiche Filmfestival durch die kluge Einbeziehung von Kunst- und Medienströmungen als weltweit anerkanntes Markenzeichen unserer Stadt stetig weiterentwickelt“. Zum silbernen Dienstjubiläum des gebürtigen Kaiserslauterners und zur Eröffnung der 2023er Kurzfilmtage sagt Schranz aber auch: „Er kommt mit Regieänderungen, die nicht mit ihm abgestimmt sind, grundsätzlich schlecht zurecht.“ Gass hatte, einen sichtlich unerwünschten Blumenstrauß in Händen, mal wieder über das nahende „Ehrengrab“ gewitzelt.

Eröffnung der 70. Kurzfilmtage am 1. Mai in der Lichtburg (v.li.)  Lars Henrik Gass mit Oberbürgermeister Daniel Schranz, Landes-Kulturministerin Ina Brandes und Andreas Görgen, Amtschef der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien.
Eröffnung der 70. Kurzfilmtage am 1. Mai in der Lichtburg (v.li.) Lars Henrik Gass mit Oberbürgermeister Daniel Schranz, Landes-Kulturministerin Ina Brandes und Andreas Görgen, Amtschef der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. © FUNKE Foto Services | Stefan Arend

Nun heißt es aus dem Rathaus: „Mit ihm geht eine stilbildende Ära des Filmfestivals zu Ende, in der die Kurzfilmtage aus der Stadthalle wieder in die Innenstadt gezogen sind und durch eine Öffnung gegenüber Kunstwelt, Popkultur und digitalen Entwicklungen ein neues Publikum erschlossen haben.“ Bundesweite Schlagzeilen machte Gass unmittelbar nach dem Hamas-Terrorakt vom 7. Oktober 2023, als er zur Solidarität mit Israel aufrief - als einer von beklemmend wenigen prominenten Vertretern der deutschen Kulturszene. Seine Haltung, so Oberbürgermeister Schranz „entspricht der Haltung unserer Stadt, die wir seit dem Überfall der Hamas auf Israel immer wieder gezeigt haben.“

„Sein Aufruf gegen jeden Antisemitismus entspricht der Haltung unserer Stadt.“

Daniel Schranz (49)
Oberbürgermeister von Oberhausen

Die Vertreter der Kurzfilmtage-Gesellschafterin Stadt Oberhausen erarbeiten derzeit ein Konzept für die Nachfolge der Geschäftsführung und der künstlerischen Leitung des Festivals. Der Aufsichtsrat tagt unmittelbar im Anschluss an die öffentliche Sitzung des Kulturausschusses am Donnerstag, 29. August, um 15 Uhr im Ratssaal.

2016 boten die Kurzfilmtage sogar eine eindrucksvolle Ausstellung in der Halle des Vereins für aktuelle Kunst: Lars Henrik Gass (v.re.) begrüßte neben Kulturdezernent Apostolos Tsalastras die Filmemacher und bildenden Künstler Josef Daberning und Sun Xun.
2016 boten die Kurzfilmtage sogar eine eindrucksvolle Ausstellung in der Halle des Vereins für aktuelle Kunst: Lars Henrik Gass (v.re.) begrüßte neben Kulturdezernent Apostolos Tsalastras die Filmemacher und bildenden Künstler Josef Daberning und Sun Xun. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

„Nach 27 Jahren in der Leitungsfunktion der Kurzfilmtage verlasse ich Oberhausen mit herzlichem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Publikum und die Vertreter der Stadt für das mir entgegengebrachte Vertrauen“, erklärte Lars Henrik Gass in der Pressemitteilung seines Haus. In die lange Zeit seiner Festivalleitung fiel die Entdeckung herausragender Filmemacher wie Andrea Arnold oder Mike Mills, die Einführung des weltweit ersten Preises für Musikvideos, genannt „MuVi“-Preis, sowie die Gründung der Arbeitsgemeinschaften Kurzfilm und Filmfestival als „Dach“ der bundesweit großen Filmfestival-Szene. Aufsehen während des ersten Corona-Lockdowns verbuchte 2020 die erste vollständig digitale Ausgabe eines Filmfestivals - von der sich die Kurzfilmtage aber nach zwei Ausgaben unter Covid-Konditionen wieder verabschiedeten.

„Das HFM ist als analoger und digitaler Ort für das Bewegtbild in all seinen Formen konzipiert.“

Lars Henrik Gass (59)
über seinen künftigen Arbeitsplatz

Als Gründungsdirektor in Stuttgart gestaltet der 59-Jährige künftig in Stuttgart mit einem großen Planungsstab das Fundament des Hauses für Film und Medien, das bereits fünf Jahre vor der Eröffnung mit einer durchgestylten Web-Präsenz aufwartet. In seiner Konzeption sei das HFM bundesweit einzigartig, so Gass: „Die zukunftsweisende Einrichtung ist als analoger und digitaler Ort für das Bewegtbild in all seinen Formen von der Vergangenheit bis zur Zukunft konzipiert.“ Von 2029 sollen in der schwäbischen Metropole auf rund 4.500 Quadratmetern sämtliche Formate des Bewegtbilds von Animation über Games und Software bis zu Virtual und Augmented Reality ein Zuhause finden.