Oberhausen. Zwei Tage lang machten über 30 Geschäfte in der Innenstadt von Sterkrade günstige Angebote. Da kam der Ruf nach einer neuen Schnäppchen-Aktion auf.
„Soll ich es kaufen oder nicht?“, rätselt Ilona Smajdek (70) aus Schwarze Heide am Samstagmittag vor Haushaltswaren Spickermann am Kleinen Markt in Sterkrade. Die Sterkrader Interessengemeinschaft (Stig), eine Werbegemeinschaft, hat kräftig die Werbetrommel für ihre beiden ersten Restpostentage gerührt. Sie ist damit auf große Resonanz gestoßen. Einige ihrer Mitglieder berichten von enorm hohen Umsätzen.
Ilona Smajdek nimmt das großformatige Bild am Ende. Es ist von 129 Euro auf zehn Euro herabgesetzt. „Passt gut in mein Wohnzimmer“, sagt sie. Das Bild sieht aus, als würde eine Struktur darauf zerfließen. Allerdings hat sie ein paar Kratzer darauf ausgemacht. Aber bei dem Rabatt.
70 Prozent der Kundschaft sind weiblich
Ihre Freundin Gertrud Kucniak aus Alsfeld bestärkt sie in dem Kauf. Sie selbst hält sich damit an diesem Tag zurück. „Seit es den Sommerschlussverkauf (SSV, 2004 abgeschafft) nicht mehr gibt, ist ja den ganzen Sommer über Ware reduziert“, sagt die 71-Jährige. Sie persönlich bevorzuge das gegenüber dem früheren Preisnachlass, der gewöhnlich auf zwei Wochen Ende Juli/Anfang August begrenzt war.
„Es sind fast nie Sachen für Männer herabgesetzt“, hat Kucniak bei ihrem Rundgang durch die Innenstadt von Sterkrade festgestellt. Die ist an diesem Samstag gut gesucht, trotz Schulferien. Kaufleute bestätigen später, dass es zu etwa 70 Prozent Frauen sind, die in die Geschäft kommen.
Schuhe kaufen ohne Anprobieren
Zum Beispiel Anna Zbick (60) aus Dinslaken. Sie hat am Vorabend aus den Medien über die Restpostentage erfahren, ist deshalb gekommen. Sie sieht sich gerade vor dem Schuhgeschäft Lambertz an der Bahnhofstraße Herrenschuhe an. „Die wären für meinen Mann gewesen“, sagt sie. Der Herrenschuh ist von 99,95 Euro auf 49,95 Euro reduziert. Aber die Größe stimme nicht. Kann man Schuhe kaufen, ohne sie vorher anzuprobieren? „Das hat letztens bei meinem Mann geklappt“, erzählt Zbick.
Fast so ähnlich ist es bei Gerhard Maas (79), der gerade das Schuhhaus mit einer Tüte in den Händen verlässt. Gleich zwei Paar Schuhe hat er gekauft. Auch seine Frau hat den WDR-Bericht gesehen und sich vor ihrem Mann mal in der Stadt umgesehen. Er ist dann aber doch selbst gekommen. „Du wolltest doch sowieso ein Paar Schuhe kaufen“, habe sie ihn erinnert, wie er erzählt.
Der Schuhhändler schießt den Vogel ab
Dass es wie im Fall von Gerhard Maas statt eines Paars herabgesetzter Schuhe noch ein zweites, nicht reduziertes Paar geworden ist, das er gekauft hat, genau darum ist es den Sterkrader Geschäftsleuten gegangen. Sie wollen so viel Kaufkraft wie möglich am Ort binden und allgemein das Image als Einkaufsstadt stärken. So erklärt es Robbie Schlagböhmer, der Stig-Vorsitzende.
Schuhhändler Axel Lambertz scheint dabei den Vogel abgeschossen zu haben. Schon am Freitag hat er über 100 Paar Schuhe verkauft. „Heute werden es wohl wieder über 100 Paar sein“, schätzt er beim Blick in sein gut besuchtes Geschäft. Die Lieferanten verlangen, dass wir von einem Artikel neun bis zwölf Stück einkaufen“, berichtet der Orthopädieschuhmachermeister. Da bleibe immer mal ein Paar über.
Den guten Besuch beim Wochenmarkt mit genutzt
„Es hat niemand extra dafür geordert“, versichert Lambertz‘ Mitbewerber Joachim Schmelzer. Auch er freut sich über viel Kundschaft, die die Auslage in der Passage zu seinem Schuhgeschäft an der Steinbrinkstraße mustert. „Es läuft gut. Es ist Monatsbeginn, die Leute haben Geld. Alles Markenschuhe“, sagt er. Zum Beispiel ein Paar Sandalen der Marke Paul Green für 69,90 Euro. „Sie haben mal 140 bis 150 Euro gekostet.“ Schmelzer führt den Erfolg der Aktion auf die gelungene Kombination aus guter Werbung mit dem ohnehin in Sterkrade beliebten Wochenmarkt zurück.
Und doch haben sich Monika und Jörg Stietzel am Kleinen Markt auf die Restpostentage vorbereitet. Sie führen das Geschäft Geschenkartikel und Haushaltswaren Spickermann, bei dem Ilona Smajdek ihr Bild erworben hat. „Wir haben spezielle Roll-Reisetaschen eingekauft“, erzählt Jörg Stietzel. Verkauft werden sie für 29,95 Euro das Stück statt 59,95 Euro. „Die Industrie hält solche Produkte bereit. Wir geben den niedrigeren Einkaufspreis an die Kunden weiter.“
Günstig ist immer eine Frage der Sichtweise
Robbie Schlagböhmer mit seinem Reisebüro, Stietzels Nachbar, macht bei den Restpostentagen mit, weil er sich als Stig-Vorsitzender davon ja schlecht ausnehmen kann. Schließlich haben etwa 30 Kaufleute mitgemacht. Weitere Geschäfte haben sich angeschlossen. Eigentlich betreibt er ein Reisebüro für hochwertige Angebote. Das gilt dann auch für seine „Schnäppchen“, zum Beispiel eine Kreuzfahrt auf einem Expeditionsschiff mit gerade mal 220 Passagieren über die Ostsee bis ins Packeis vor Finnland im Winter. Für nur 8500 Euro pro Person.
Restpostentage werden wiederholt
Angesichts der großen Resonanz, die die Restpostentage gefunden haben, kündigt die Stig eine Neuauflage an. Dann lohnt es sich auch für die Werbegemeinschaft, dass sie für ihre Mitglieder als Erkennungszeichen den rot-weißen Schmuck, die Wimpel, die Ballons und die Aufstellschilder, angeschafft hat.