Oberhausen. „Static Roots“ feierte im Zentrum Altenberg ein entspanntes Familienfest. Europas bestes Americana-Festival war schon seit Monaten ausverkauft.

Was für ein Kompliment! Denn alles Bitten und Betteln hartgesottener, aber verpennter Americana-Fans half nichts: „We are sold out!“, jubelte das fabelhafte „Static Roots Festival“ bereits Monate vor dem musikalischen Familientreffen im Zentrum Altenberg auf seiner Website. Waren in früheren Jahren die irischen, schottischen und holländischen Besucher noch klar in der Überzahl, kann sich Mastermind Dietmar Leibecke mittlerweile auch über zahlreiche weitere Gäste aus halb Europa freuen – selbst wenn die Oberhausener immer noch an wenigen Händen abzuzählen sind.

Auch die siebte Auflage des „Static Roots Festival“ stand wieder unter dem Motto „Peace, Love, Rock’n’Roll“ – in dieser Reihefolge, wie Leibecke betont, der sich 2016 aus Anlass diverser Jubiliäen (darunter seiner Silberhochzeit) das rein privat organisierte Großereignis als Alternative zu sonst üblichen Feierlichkeiten gegönnt hatte. Und dies mit derart beachtlichem Erfolg, dass es prompt als eines der drei besten Americana-Festivals weltweit ausgezeichnet wurde.

Am Merchandise-Stand freut sich Marion Leibecke ganz uneigennützig über die Umsätze: Denn dessen Erlöse gehen schon traditionell an die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen.
Am Merchandise-Stand freut sich Marion Leibecke ganz uneigennützig über die Umsätze: Denn dessen Erlöse gehen schon traditionell an die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Seither ist das „Static Roots“ ein Muss-Treffen für europäische Genießer jener originär amerikanischen Musik, die höchst unterhaltsam zwischen Folk, Bluegrass und Rock’n’Roll schillert. Was diesmal opulent von zwölf Acts nicht allein aus dem „Americana“-Heimatland, sondern auch aus Kanada, Großbritannien, Norwegen und sogar Österreich genüsslich zelebriert wurde. Doch das Erfolgs-Geheimnis von „Static Roots“ ist nicht allein das mit Liebhaber-Kenntnis konzipierte Programm, sondern auch die entspannt-familiäre Atmosphäre im Saal und unter den lauschigen Bäumen der ehemaligen Zinkfabrik.

Grüße an die befreundete Musikerszene in Irland

Die soulige Selbstbestätigungshymne „We are Family“ von Sister Sledge haben die enthusiastischen Fans nicht nötig – man kennt sich in der Szene, die im irischen Kilkenny seit langem einen Fixpunkt hat. Diesmal war es der junge Singer-Songwriter David Keenan aus der weit im Norden liegenden Hafenstadt Dundalk, der in Oberhausen an den inzwischen verstorbenen Willie Meighan, den legendären Boss des dortigen und Inspirator des hiesigen Roots Festivals, feinfühlig erinnerte.

Musikalische Matinee zwischen den beiden „Static Roots“-Abenden: Im Walzenlager-Kino gab Freddy Trujillo, hauptberuflich Bassist der „Delines“, ein kleines Solo-Konzert zur Einstimmung auf die Lesung seines Band-Bosses Willy Vlautin.
Musikalische Matinee zwischen den beiden „Static Roots“-Abenden: Im Walzenlager-Kino gab Freddy Trujillo, hauptberuflich Bassist der „Delines“, ein kleines Solo-Konzert zur Einstimmung auf die Lesung seines Band-Bosses Willy Vlautin. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Dass „Americana“ überall zuhause sein kann, bewies gleich als Opener die genüsslich über die Prärie hoppelnde Band des Norwegers Ole Kirkeng – natürlich angekündigt von Jeff Robson aus dem kanadischen Winnipeg, der als „Master of Ceremony“ ebenso eloquent wie kenntnisreich durch das abwechslungsreiche Programm führte, bei dem man – auch das längst gute Tradition – mal wieder an eine berühmte Szene aus dem Film „Blues Brothers“ dachte: „We play both kinds of music: Country and Western …“

„Nordicana“ heißt die Rodeo-Musik in Skandinavien

So servierten „Jenny Don’t and the Spurs“ mit ihrer quirligen Frontwoman einen packendem Mix aus Western, Garage und Cowpunk, deren unterkomplexe Beats jeden Jazz-Drummer hoffungslos überfordert hätten.

Howdy: Jenny Don‘t war auch ohne „Sporen“ (ihre Cowpunk-Band „The Spurs“) wohl die meistfotografierte Musikerin des Americana-Festivals im Wilden Westen des Reviers.
Howdy: Jenny Don‘t war auch ohne „Sporen“ (ihre Cowpunk-Band „The Spurs“) wohl die meistfotografierte Musikerin des Americana-Festivals im Wilden Westen des Reviers. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Umso erfreuter konstatierte man wenig später bei der norwegischen Sängerin Louien, dass ihre „Nordicana“ genannte Spielart amerikanischen Galoppels eine durchaus jazzig akzentuierte Schlagzeug-Grundierung aufwies.

Top-Act „The Delines“ glänzen auch mit Trompeten-Pracht

Ohnehin gaben in diesem Jahr viele starke Frauen den Ton an. So die Britin Hannah White in einem entzückenden Petticoat mit lakonischen Texten über packenden Grooves in Genre-typischer Besetzung zweier Gitarren, Bass und Schlagzeug. Während der „Static Roots“-Topact „The Delines“ um den gefeierten Schriftsteller Willy Vlautin, dessen Lesung im Walzlager am Samstagmorgen natürlich ebenfalls ausverkauft war, noch eins drauflegte und zu Amy Boones eindrucksvoller Stimme seinen Keyboarder auch eine fabelhafte Trompete spielen ließ, was in der geballten „Americana“-Pracht doch mächtig Eindruck machte.

Willy Vlautin, Band-Boss der „Delines“ sorgte als erfolgreicher Romancier auch für eine prallvolle Signierstunde im kleinen Walzenlager-Kino.
Willy Vlautin, Band-Boss der „Delines“ sorgte als erfolgreicher Romancier auch für eine prallvolle Signierstunde im kleinen Walzenlager-Kino. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Endgültig Party-Stimmung herrschte dann bei der Vorarlberger Combo „Prinz Grizzley and his Beargaroos“ mit Linkshänder-Wanderklampfe und flirrender Pedal-Steel-Guitar, über den der baumlange Ober-Grizzly Chris Comper coole Songs mit großer Stimme verdammt authentisch präsentierte. Ein würdiges Finale für ein stimmiges „Static Roots Festivals“, von dem Dietmar Leibecke und seine vielen Freunde rundum begeistert waren.

Alle Merchandise-Erlöse gehen an Ärzte ohne Grenzen

Das „Static Roots Festival“ wurde 2016 von Dietmar Leibecke gegründet und gilt als bedeutendstes „Americana“-Festival in Deutschland sowie eines der drei besten weltweit. Unter dem Motto „Peace, Love, Rock’n’Roll“ spielten diesmal an zwei Tagen zwölf internationale Bands und Solisten im Zentrum Altenberg.

Sämtliche Erlöse aus dem Verkauf von Merchandise-Artikeln gehen an Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) – mittlerweile schon über 20.000 Euro.